„Diese verbale Gewalt (…) kotzt mich an“

seemoz-Rassismus-neinTagelang standen auf der Online-Seite des Südkurier Kommentare, in denen vor allem die Bevölkerungsgruppe der Roma diskriminiert wurde. Man könnte es auch Volksverhetzung nennen. Dagegen protestierten mehrere LeserInnen der Tageszeitung bei der Redaktion. Die schlimmsten Verunglimpfungen und Hasstiraden wurden mittlerweile gelöscht. Doch das grundsätzliche Problem ist damit nicht gelöst.

Es war unerträglich, was die Online-Redaktion des Südkurier über Wochen hinweg zugelassen hat. Roma seien eh nur hier, „um uns zu berauben“. Von „Sozialtouristen“ war die Rede, die unser Sozialsystem „ausbeuten“ und davon, dass Deutschland dabei sei, sich „abzuschaffen“, wenn noch mehr Flüchtlinge kämen. Und wer sich nicht mit einem Schlafsack begnüge, wenn er hier angekommen sei, solle doch sofort wieder mit „dem Orientexpress zurück“ in seine Heimat. Vieles erinnerte in der Wortwahl an die Flugblätter, die Mitte Mai die rechtsradikale Partei „Der Dritte Weg“ in der Stadt verteilt hatte und auf denen die Adressen der Flüchtlingsheime in Konstanz angegeben wurden. Wohl nicht ohne infamen Hintergrund.

Massiver Protest

seemoz wollte von Südkurier-Redakteur Sebastian Pantel, er ist zuständig für den Online-Auftritt, wissen, wieso er menschenfeindliche und rassistische Kommentare der übelsten Art überhaupt hat freischalten lassen. Seine Antwort steht noch aus. Schnell reagiert haben viele andere, darunter Normen Küttner, Stadtrat der FGL (Freie Grüne Liste). In einer Mail an die Redaktion wurde er deutlich: „Mit Entsetzen habe ich (…) die vielen unterirdischen Kommentare zu Ihrem Artikel „Wo sollen die Flüchtlinge hin?“ online gelesen. Diese verbale Gewalt und Herabwürdigung der schwächsten und wehrlosesten Mitmenschen in unserer Stadt und in unserem Landkreis kotzt mich an! (…) Als langjähriger Leser des Südkurier und als Gemeinderat möchte ich Sie und die Redaktion bitten, dass Sie zu einer versachlichten Diskussion beitragen. Die Hass- und Hetzbeiträge (…) dienen keiner Sachdiskussion. Sie spielen mit dem Feuer, wenn der Südkurier sich als PEGIDA-Plattform missbrauchen lässt“.

Auf seemoz-Anfrage reagiert hat auch Andreas Osner, der in seiner Eigenschaft als Sozialbürgermeister viel mit dem Thema Flüchtlinge und deren Unterbringung und Versorgung zu tun hat. Er antwortete vergangenen Freitag: „Kommentare dieser Art sind selbstverständlich in keinster Weise mit unserem Selbstverständnis von Konstanz als liberale und weltoffene Stadt vereinbar. (…) Fremdenfeindliche, rassistische und diskriminierende Äußerungen in jedweder Form verurteilen wir entschieden (…) Die Kontroverse über die Anonymität im Netz und die Veröffentlichung von Kommentaren ohne Klarnamen ist bestens bekannt – offenbar auch dem Südkurier, der ja bereits gestern Nachmittag sämtliche Kommentare (…) gelöscht hat“.

Werbung für Pegida und PI

Da aber irrt der Bürgermeister. Gelöscht wurden lediglich die Kommentare, in denen der anonyme Mob aggressiv und menschenverachtend gegen die Roma hetzte. Geblieben sind andere, die offen für Pegida „auch in Konstanz“ werben. Zudem wird auf „Politically Incorrect“ (PI) verwiesen, eine Internetpublikation, die als Sammelbecken für Islamhasser fungiert, beängstigend hohe Zugriffszahlen für sich verbuchen kann und eine Scharnierfunktion tief hinein in die rechtsradikale Szene hat.

Die Online-Redaktion des Südkurier hat zum Teil die Notbremse gezogen. Es bleibt die Frage, warum sie es immer noch zulässt, dumpf-völkischen Nationalisten eine Plattform anzubieten. Naivität? Berechnung? Verwechslung von Presse- und Meinungsfreiheit mit rassistischer Propaganda? Gibt es Antworten oder glaubt man in der Redaktion, das ließe sich schon irgendwie aussitzen? Tatsache aber ist auch: Alleine die Löschung jedweden Gehirnmülls aus der rechten Ecke wird den braunen Sumpf nicht austrocknen, der sich auch hier im beschaulichen Konstanz und im gesamten Landkreis langsam aber ständig vergrößert. Gerät der vielbeschworene „Aufstand der Anständigen“ gegen Rassismus, Intoleranz und Fremdenhass zu einer leeren Worthülse?

Holger Reile

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