„Ich hab‘ nicht das Gefühl, ich leb‘ in der Bronx“
Es ging heiß her an diesem Abend, an dem zwei geplante Flüchtlingsunterkünfte in Konstanz vorgestellt wurden: Eine Welle der Empörung schwappte durch den Wolkensteinsaal. Den Stadt-Verantwortlichen wurde mangelnde Transparenz vorgeworfen, von Brennpunkten war die Rede und von der Angst um die Kinder und um sein Eigentum. Doch zum Schluss gab es sogar Lob für die Verwaltung.
Auf dem ehemaligen Transco-Areal (Max-Stromeyer Straße 120) soll eine Gemeinschaftsunterkunft für 80 bis 100 Menschen entstehen und im Zergle in Wollmatingen ist ein Neubau einer sogenannten Anschlussunterbringung für etwa 70 bis 80 Menschen geplant. Die ersten einer Reihe von Bauvorhaben, mit denen die Stadt der Zunahme an Flüchtlingen Herr werden will. Doch gleich nach den sachlichen Informationen durch Bürgermeister Osner und Ludwig Egenhofer vom Landratsamt sowie von Marion Klose, Leiterin des Amtes für Stadtplanung und Umwelt, wurde die Diskussion zunehmend heftig, emotional und irrational.
Kaum freie Flächen in Konstanz
Kritik gab es vor allem von Anwohnern aus dem Zergle – sie machten die Mehrheit der fast 150 TeilnehmerInnen im Saal aus. Neben irrationalen Ängsten, wie dem Anstieg von Kriminalität oder dem Wertverlust ihres Eigentums, wurden auch berechtigte Fragen gestellt. „Wieso kann man nicht die Flüchtlinge prozentual auf alle Stadtteile verteilen?“ Das liege am angespannten Wohnungsmarkt in Konstanz, erklärte Marion Klose. „Versuchen Sie doch mal einfach so, eine Wohnung im Paradies zu finden, geschweige denn nutzbare Flächen.“ Die Flächenverfügbarkeit sei eine harte Nuss. Auch die von manch‘ einem geforderte Kreativität bei der Suche würde da nicht helfen, denn man sei an geltende Gesetze gebunden.
Dennoch bestand Einigkeit, für eine möglichst dezentrale Unterbringung zu sorgen. Ob das immer möglich ist, bleibt abzuwarten. Über die Problematik von Leerstand in der Stadt war man sich einig und es wurde appelliert, leerstehende Flächen, Wohnungen oder Gebäude der Stadt bereitzustellen.
Ich habe ja nichts gegen Flüchtlinge, aber…
Es war zu erahnen, dass wohl einige eine Ghettoisierung ihres Wohngebietes fürchten. So manch‘ einer vergriff sich im Ton und beschwor Chaos, Gewalt und Drogen herauf. Ein Bürger aus dem Zergle sagte, „man wird ja sehen, was passiert, wenn ihr da noch so eine Bombe reinsetzt.“ Ute Seifried, ebenfalls anwesende Jugendamtsleiterin und ebenfalls wohnhaft im Zergle, dazu: „Von Brennpunkten in Konstanz zu reden, ist etwas gewagt. Ich jedenfalls hab‘ nicht das Gefühl, ich leb‘ in der Bronx.“
Auch die bundesdeutsche Integrationspolitik kam nicht ungeschoren davon. „Die Flüchtlinge brauchen eine sinnvolle Beschäftigung. Die wollen ja alle arbeiten, aber dürfen nicht. Da ist doch klar, dass denen irgendwann langweilig wird und sie Blödsinn anstellen.“, so eine Stimme aus dem Publikum. Und auch Bürgermeister Osner bekräftigte: „Wenden Sie sich mit einer Petition an die Bundesregierung, um diese unsäglichen Arbeitsverbotsgesetze zu ändern.“
Konstanz will ausländerfreundlich sein
Dass Konstanz eine ausländerfreundliche Stadt sei, wurde allenthalben betont. „Das sind Menschen wie du und ich, keine Kriminellen, sondern ein Durchschnitt der Bevölkerung, zum Teil mit Fachausbildung.“, so Andreas Osner. Dennoch vergriff auch er sich etwas im Ton, als er auf den Handlungszwang durch den Gesetzgeber aufmerksam machen wollte und Flüchtlinge schon mit dem 40-Tonner in die Stadt gekarrt sah.
Auch der Flüchtlings-Verantwortliche im Landkreis, Ludwig Egenhofer, verwies immer wieder auf die menschenunwürdige Lage der Menschen, die es zum Teil nach jahrelanger Flucht endlich nach Deutschland geschafft haben: „Wir sind verpflichtet, diesen Menschen zu helfen. Nicht der Gesetze wegen, sondern aus Menschlichkeit“. Und er machte deutlich, dass die Flüchtlingsströme noch wachsen dürften – und „damit auch unsere Bereitschaft zur Hilfe.“
Fast 700 Neuankömmlinge in 2015
In der Tat, die Zahlen sind alarmierend. Weltweit sind mehr als 50 Millionen Menschen auf der Flucht, das sind mehr Menschen als nach dem 2.Weltkrieg. Auf Deutschland bezogen, wird ein Anstieg der Flüchtlingszahlen um mehr als das Doppelte gegenüber dem Vorjahr prognostiziert. Waren es 2014 noch 203 000 Asylsuchende, so gehen die Schätzungen für 2015 von fast 400 000 Flüchtlingen aus. Die Verteilung innerhalb der Bundesrepublik wird nach Einwohnerzahl und Steuerkraft der Bundesländer berechnet. Auf Baden-Württemberg entfallen demnach 12,97 Prozent und davon kommen nach Konstanz etwa 2,81% aller asylsuchenden Menschen. Waren es 2014 noch 305 Asylsuchende im Landkreis, so wird bis Ende des Jahres mit 694 Neuankömmlingen gerechnet.
Die gegen Ende immer friedvollere Diskussion fand fast so etwas wie eine Krönung, als Jürgen Geiger von der LINKEN – nicht gerade für sanften Umgang mit Politikverantwortlichen bekannt – die Stadtverwaltung für ihr Engagement in der Flüchtlingsproblematik lobte: „Wenn die Stadtverwaltung es ernst meint mit einer menschenwürdigen Integration der Flüchtlinge, hat sie dabei unsere Unterstützung.“
Rafael Cuenca Garcia
Mehr zum Thema:
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22.09.2014 Gesucht wird ein Konzept für menschenwürdige Unterbringung aller Flüchtlinge im Kreis Konstanz
Nick Blome, wie bitteschön soll durch die Aufnahme von Flüchtenden Zustände herbei geführt werden, unter denen Demokratie nicht mehr funktioniert? Diesen Gedankensprung kann ich nicht ganz nachvollziehen.
@Simon Pschorr
Pierre Bourdieu sagte zurecht:
Neoliberalismus bedeutet für den Einzelnen:
Entsolidarisierung, Ausgrenzung und persönliche Selbstentwertung.
Der Neoliberalismus und die neoklassische Ökonomie fordern die globale Mobilität aller Produktionsfaktoren inklusive Arbeitskraft. Das ist, was gemeint ist, wenn bei Wirtschaftsführern z.B. beim ZEIT-Forum von „Globalisierung“ die Rede ist.
Nicht nur, aber auch um dem Produktionsfaktor Arbeitskraft Beine zu machen, entfacht man global Krisenherde. Durch die Aufnahmebereitschaft spielt man nur die das Spiel globaler Spieler, das sonst nicht funktionieren würde. Es werden Zustände herbeigeführt, unter denen Demokratien nicht existieren und Arbeitnehmerrecht kaum bis garnicht durchgesetzt werden können.
Man ist nichts weiter als das beste Pferd im Stall seiner Feinde.
Na das ist ja mal völliger Bockmist.
Menschen flüchten vor Hunger und Krieg. Wenn man diese Menschen aufnimmt und rettet, dann hilft das doch nicht den Kriegstreibern, sondern allein den Flüchtlingen. Gleichzeitig muss jede überzeugende, ehrliche Asylpolitik gegen Hunger und Krieg weltweit vorgehen!
der Clou ist doch, daß die Migration niemals enden soll. Die verschiedenen Ethnien, ob Europäer; Afrikaner oder Asiaten sollen durch künstlich erzeugte Krisenherde um den Globus getrieben werden. Denn wo man sich nicht auskennt, lässt man sich einfacher missbrauchen, kann schwieriger Rechte wahrnehmen, Solidarität erzeugen. Indirekt helfen die Asylebfürwörter den Kriegsverbrechern. Es sind ihre nützlichen Idioten.
Null Prozent Anerkennungsquote für Menschen aus Ex-Jugoslawien
Bundesinnenminister. Thomas de Maizière, 2014 im Spiegel:
„Wir brauchen schneller Klarheit darüber, wer tatsächlich schutzbedürftig ist und wer nicht, zumal nur knapp 14 Prozent der Anträge anerkannt wurden. Das dient dem Interesse der wirklich Schutzbedürftigen“, erklärte er.
Die USA und Europa haben genügend Geld, um den Aufbau in diesen Ländern voranzutreiben. Statt dessen zetteln die USA unentwegt Kriege an und wir dürfen dies dann ausbaden.
Und die Frage bleibt offen, weshalb Burchardt etwas von einer Bauoffensive phantasiert, wo doch bisher alles ein Tropfen auf den heißen Stein zu sein scheint. Mit sozialer Gerechtigkeit hat seine Politik herzlich wenig am Hut. Statt dessen werden Luftschlösser am Seerhein gebaut.
Herr Merkel, mit Verlaub, aber ihre Aussage ist schlicht falsch. Mit einer Schutzquote von 48,5% im Jahr 2014 (im Verhältnis von entschiedenen zu abgelehnten Anträgen; also ausgenommen Nichtannahmen wie bspw. bei Dublin-Fällen) ist es faktisch schlicht falsch, von „geringen Anerkennungsquoten“ zu sprechen. Im Übrigen ist es natürlich auch von unserem Recht gedeckt, einen Asylantrag zu stellen, obwohl dieser danach abgelehnt wird. Der oder die SchutzsuchendeR kann schließlich kaum vorher wissen, wie die Behörden entscheiden.
Und natürlich ist die Wohnungsnot in Konstanz groß, es ist aber schlicht unredlich, hier Asylsuchende gegen die Bevölkerung auszuspielen. Kein Konstanzer hat eine Wohnung weniger, nur weil eine Anschlussunterkunft im Zergle gebaut wird oder weil bspw. das Transco-Gelände umgenutzt wird (eine normale Wohnbebauung wäre dort momentan laut Bebauungsplan gar nicht möglich).
Angesichts der Tatsache, dass wir momentan auf Grund der vielen Krisen und Kriege in der Welt die weltgrößten Flüchtlingsbewegung seit dem 2. Weltkrieg haben, erfordert dies selbstverständlich auch von Deutschland und der EU Solidarität – Und dazu gehört sowohl die Aufnahme von Flüchtlingen als auch ihre angemessene Unterbringung.
Ich frage mich, ob es gerechtfertigt ist noch von Flüchtlingen zu sprechen bei der geringen Anerkennungsquote.
Asylsuchende wären korrekt.
Aber was mich wirklich stört sind Neubauten, solange der Bedarf der Bevölkerung nicht annähernd gedeckt wird.
Daß das zu Sozialneid und Ressentiments führt ist kein Wunder.
Scheinbar ist das auch das Ziel dieser verfehlten Politik, nach dem Motto Teile und herrsche.