Kein Kahlschlag im Konstanzer Stadtwald

Wälder brauchen Jahrzehnte, um zu gedeihen, entsprechend diffizil ist die Waldplanung, die nicht nur das Gesicht der Landschaft für die nächsten 100 plus X Jahre mitbestimmt, sondern auch eine immense ökologische Bedeutung hat. Die Forstfachleute müssen schließlich bereits heute versuchen, durch entsprechende Anpflanzungen auf die Klimaänderungen der nächsten Jahrzehnte zu reagieren. In der Gemeinderatssitzung am Donnerstag wurden die Eckpunkte der künftigen Entwicklung des Konstanzer Stadtwaldes vorgestellt.

Es passt zum langen Atem, den ein Förster haben muss, dass der „Periodische Betriebsplan (Forsteinrichtungserneuerung)“ nur alle zehn Jahre vor den Gemeinderat kommt. Am Donnerstag war es wieder einmal so weit, es ging neben einem Rückblick auf das vergangene Jahrzehnt dabei vor allem um die Entwicklung der städtischen Forsten in den Jahren 2015–2014. Dieser Betriebsplan, so steht es mit unverhohlenem Stolz in der Vorlage, ist bereits der 17. seiner Art „seit 1836. Somit wird der städtische Wald seit ca. 180 Jahren nach den Prinzipien der Nachhaltigkeit bewirtschaftet. Dies bedeutet, dass nur so viel Holzmasse eingeschlagen wird wie im gleichen Zeitraum nachwächst.“

Etwa 500 Bundesligaplätze

Der Konstanzer Wald, der vor allem auf dem Bodanrück in einem Naturschutzgebiet liegt, wurde jetzt von Oberforstrat Bernhard Schirmer von der Forstdirektion im Regierungspräsidium Freiburg begutachtet, der das Ergebnis der Prüfung und Planung gemeinsam mit dem hiesigen Revierleiter Michael Flöß und einer Kollegin vor dem Gemeinderat präsentierte. Fazit: Der Konstanzer Wald ist in einem ausgezeichneten Zustand. Er hat nicht nur einen hohen Wert als Erholungsgebiet, sondern erfüllt viele weitere Funktionen als Naturraum und besitzt einen großen Stellenwert für den Klima- und Immissionsschutz. Nicht zuletzt ist er natürlich auch Holzlieferant und soll die Stadt nichts kosten. All diese Aufgaben erfüllt der Konstanzer Stadtwald nach dem Bericht, und in den letzten 10 Jahren hat er sogar einen Gewinn von insgesamt 400 000 Euro eingefahren. Im selben Zeitraum hat die Waldfläche, die heute ca. 400 Hektar beträgt, um acht Hektar zugenommen (für alle, die nicht in Hektar rechnen: der Rasen in der Allianz-Arena in München hat etwa 0,8 Hektar, der gesamte Konstanzer Stadtwald ist also etwa 500-mal so groß wie jenes Spielfeld, auf dem Bayern München leider so selten verliert).

Mischwald

„Der Stadtwald ist ein breit aufgestellter Betrieb mit 56% Laubbäumen und 44% Nadelbäumen. Die am häufigsten vorkommenden Baumarten im Betrieb sind Buche, Fichte, Lärche und Kiefer. Der Laubbaumanteil ist im Lauf der letzten 10 Jahre um vier Prozent angestiegen“, so der Bericht. Doch hier gilt es einzugreifen: Während sich vor allem Buchen gut von allein fortpflanzen, liegt der Nadelbaumanteil bei den Naturverjüngungsvorräten bei nur 3%. Das meint: Man kann den Wald nicht einfach nur so vor sich hinwachsen lassen, sonst hat man es irgendwann mit einem vor allem von Buchen dominierten Laubwald zu tun. Um den Mischwaldcharakter zu erhalten, müssen ergänzend Nadelbäume angepflanzt werden. Der Wald ist schon seit Jahrhunderten nicht mehr das Stück pure Natur, das sich viele Menschen darunter vorstellen, sondern ein Wirtschaftsraum, in dem an vielen verschiedenen Stellschrauben gedreht wird. So kann man zum Beispiel die Jungbäume nicht überall sich selbst überlassen, sondern muss sie vor den gefräßigen Rehen schützen, die sich mit den wehrlosen Trieben der jungen Pflänzchen nur zu gern die Ranzen vollschlagen. Aber auch Stürme und der Borkenkäfer sind natürliche Feinde eines gepflegten Forstes.

Waldumbau

Der Klimawandel ist eine Tatsache, von der sich jedermann einfach selbst überzeugen kann: In der letzten Woche wurde das Konstanzer Zeltfestival eröffnet, und noch vor zehn Jahren ging das jedes Jahr mit anhaltenden sintflutartigen Regenfällen einher, während in diesem Jahr Bilderbuch-Sommerwetter herrscht und kaum ein einziger Tropfen fällt.

Aber allen Ernstes: Die Forstleute denken in anderen Zeiträumen als Normalsterbliche, und wie lange sich ihr Tun auswirkt, lässt sich im Wald studieren, denn auf rund einem Sechstel des Konstanzer Stadtwaldes stehen heute Bäume, die älter als 100 Jahre sind (dabei handelt es sich zumeist um Laubbäume). Angesichts solcher Perspektiven versuchen Forsteinrichter bei ihren Planungen natürlich auch den zu erwartenden Klimawandel zu berücksichtigen. Sie gehen dabei von einem weiteren Anstieg der Jahresdurchschnittstemperaturen aus, sind sich aber nicht recht sicher, ob es in der Vegetationsperiode eher feuchter oder trockener wird. Außerdem rechnen sie mit häufigeren und stärkeren Stürmen. Dem versucht man, mit einem regelrechten Umbau des Waldes beizukommen. Die für das erwartete Klima nicht sonderlich geeigneten „Fichtenbestände werden nach und nach in stabilere Folgebestände mit höheren Laubholz- oder Douglasien-Anteilen umgebaut.“ Damit soll erreicht werden, dass die Wälder auch noch in 100 Jahren lebendige Natur- und Erholungsräume sind.

Normen Küttner (FGL), der nach eigenem Bekunden viel auf dem Bodanrück unterwegs ist, regte an, den Wald wegen seiner Nachhaltigkeit nach den Regeln des Forest Stewardship Council, kurz FSC, zu zertifizieren, fand dafür aber keine Mehrheit. Eine Zertifizierung koste nur und bringe nichts, meinten andere Redner, und Ewald Weisschedel (FWK) erinnerte Küttner daran, dass man darüber schon in einer nichtöffentlichen Sitzung gesprochen und sich bei dieser Gelegenheit gegen die Zertifizierung entschieden habe. So erfuhren die Zuhörer_innen einmal aus erster Hand, was die Herrschaften vom Gemeinderat hinter verschlossenen Türen zu bereden pflegen.

Kein Kahlschlag im Stadtwald

Die Konstanzer Baumschützer und Spaziergänger brauchen sich bei allen Umbaumaßnahmen im Walde übrigens keine Sorgen zu machen, dem Stadtwald ist kein ähnliches Schicksal wie der Pappelallee zugedacht. Im Bericht heißt es, durch „zeitlich gestaffelte Einschlagsmaßnahmen werden absehbare Zielkonflikte mit der Erholungsnutzung minimiert“, und das bedeutet nach Michael Flöß nichts anderes, als dass es keinen Kahlschlag auf größeren Flächen geben soll.

O. Pugliese