Ein/e Flüchtlingsbeauftragte/r für Konstanz

Auf seiner letzten Sitzung beschloss der Konstanzer Gemeinderat, weit über den Antrag der Verwaltung hinausgehend, sofort eine 100%-Stelle für eine/n Flüchtlingsbeauftragte/n einzurichten, um die Flüchtlingsbetreuung vor allem zwischen Stadt und Landkreis zu koordinieren. Die zusätzliche Bezuschussung einer 75%-Stelle bei einem freien Träger wurde zurückgestellt, bis die/der Flüchtlingsbeauftragte der Stadt gefunden und deren/dessen Aufgabenbereich klar abgegrenzt ist.

Angesichts der dramatischen Lage der Flüchtlinge im Landkreis Konstanz und angesichts des Kompetenzwirrwarrs in Flüchtlingsfragen ist die oder der künftige Flüchtlingsbeauftragte schon jetzt nicht zu beneiden. Sie/er soll die Arbeit vor allem von Stadt und Landkreis koordinieren und – das steht allerdings noch in den Sternen – vielleicht auch die freien Träger wie Caritas oder Arbeiterwohlfahrt und die ehrenamtlich Engagierten sinnvoll mit einbeziehen.

Halbherziger Vorschlag

Bisher wird die Flüchtlingsarbeit städtischerseits von der Integrationsbeauftragten miterledigt, die Aufgabe hat aber mittlerweile einen derartigen Umfang erreicht, dass die eigentliche Integrationsarbeit weitgehend darniederliegt: Aus geplanten drei Prozent der Arbeitszeit des Integrationsbüros sind satte 75% geworden, und die Flüchtlingszahlen explodieren weiter.

Die Verwaltungsspitze hat das Problem zwar – mit einiger Zeitverzögerung – erkannt, wollte allerdings erst noch mal ausgiebig nachdenken und stellte den Antrag, „die Einrichtung einer Stabsstelle Flüchtlingsbeauftragte/r mit einem Stellenumfang von 75% zu prüfen. Das Ergebnis der Prüfung wird dem Gemeinderat zusammen mit den Ergebnissen zur Aufgabenkritik und Geschäftsprozessoptimierung im Oktober 2015 vorgelegt.“

Oktober klingt zwar nicht ganz nach Sankt-Nimmerleins-Tag, spricht aber doch dafür, dass die Verwaltung wie so oft in sozialen Fragen und wenn es um die Belange der Schwächsten der Gesellschaft geht, wenig Eile zeigt. Da sich an den Beschluss ja noch das Bewerbungsverfahren anschließt, wollte Oberbürgermeister Uli Burchardt die Stelle einer/s Flüchtlingsbeauftragen also offensichtlich erst im Jahr 2016 einrichten. Man vergesse in diesem Zusammenhang nicht, dass es dem Oberbürgermeister hingegen bei allem, was mit dem Kongresshaus zu tun hat, nicht schnell genug gehen kann und er sich dann auch nicht scheut, den Gemeinderat ganz ungehörig unter Druck zu setzen, um noch am selben Tag ein ihm genehmes Ergebnis zu erzielen.

Sofortige Lösung

Mit dieser Hinhaltetaktik kam der OB aber bei großen Teilen des Gemeinderates schlecht an. Während aus dem bürgerlichen Lager Stimmen laut wurden, man müsse die Stelle erst mal genau definieren, versicherte Bürgermeister Andreas Osner, er brauche gerade mal zwei Tage für eine vernünftige Stellenbeschreibung, die man auch der Ausschreibung zugrunde legen könne. Der Gemeinderat hatte mehrheitlich keine Lust auf weiteres Zuwarten. Die Grünen forderten vehement eine sofortige 100%-Stelle bei der Stadt, und große Teile der SPD und die Linke Liste schlossen sich dem an. Gabi Weiner (JFK) sprach gar von einer „anderthalbjährigen Schieberei“, worauf der OB seine Hände in Unschuld wusch und dem Landkreis die Schuld gab.

Unterstützung für die Flüchtlingsarbeit

Anke Schwede (LLK) fasste die Stimmung der Mehrheit zusammen: „Unterstützung, Vermittlung und Koordination beim Thema Flüchtlinge ist unbedingt nötig. Denn erfreulicherweise gibt es in Konstanz zahlreiche Menschen, die sich für die Belange der Flüchtlinge engagieren und sich zu Initiativen und Unterstützungsgruppen zusammengeschlossen haben. Diese Stelle muss daher schnellstmöglich eingerichtet werden. Es wäre geradezu fahrlässig, bis Anfang Oktober zu ‚prüfen’, um diese Stelle dann vielleicht – je nach Ausgang der Personaldiskussion – zu schaffen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Millionen, die die Stadt Konstanz unlängst als Gewerbesteuerrückzahlung erhalten hat. Das Geld ist also da.“

In zwei Abstimmungen wurde am Ende mit jeweils großer Mehrheit beschlossen, die auf drei Jahre befristete Stelle sofort einzurichten und sie statt als 75% gleich als 100%-Stelle anzulegen – gegen letzteres war neben der Mehrheit des bürgerlichen Lagers auch Alfred Reichle (SPD).

Brauner Mob im Internet

Holger Reile (LLK) warnte in einem Redebeitrag in diesem Zusammenhang davor, die Stimmung in der Stadt zu positiv darzustellen. Natürlich sei das Engagement vieler Einwohner_innen für Flüchtlinge zu loben, aber es gebe auch andere Stimmen: Seit Wochen seien auf den Interseiten des Südkuriers „meinungsstarke Hasstiraden“ zu lesen, die teils sogar Verknüpfungen zu rechtsradikalen Quellen enthielten oder gar die Waffen-SS lobten. Hier wüte ein brauner Mob hemmungslos gegen Schutz- und Hilfesuchende. Reile forderte Oberbürgermeister Uli Burchardt auf, gegen diese Volksverhetzung zu protestieren.

O. Pugliese[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]