Kur und Kultur
Der Haupt- und Finanzausschuss des Konstanzer Gemeinderates zeigte sich in seiner letzten Sitzung gelegentlich von seiner launigen Seite. Neben dem emotional ergreifenden Ringen zwischen zwei altgedienten politischen Kämpen um die Kulturförderung durfte mann/frau auch einer angeregten Debatte über die Auswirkungen der Kurtaxe beiwohnen.
Vielleicht lag es an der neuen Klimaanlage des Konstanzer Ratssaales, die an diesem Tropentag zum Verweilen geradezu einlud, dass die Stimmung des HFA bei seinen Vorberatungen für die nächste reguläre Gemeinderatssitzung teils heiter, teil geschwätzig war, obwohl sich die Sitzung bis in die Nacht hinzog. Die 13 stimmberechtigten Gemeinderäte und -rätinnen sowie der OB, die beiden Bürgermeister und zahlreiche VertreterInnen der Verwaltung, hatten sichtlich Spaß an der Sache.
Kurtaxe wird erhöht
Wer glaubt, die Kurtaxe sei eine Abgabe, die eine Kommune nach Belieben erheben könne, um entweder die Reisenden erbarmungslos zu schröpfen oder um ihre eigenen Kosten für Blumenrabatte, Springbrunnen und eine gelegentliche Reformatorenverbrennung wieder hereinzubekommen, der irrt. Der Berechnung der Kurtaxe liegt vielmehr eine Aufstellung der „kurtaxenfähigen Kosten“ der Stadt zugrunde. Davon sind bestimmte Anteile durch die Einheimischen zu tragen. Der Anteil der Konstanzer an den öffentlichen Bedürfnisanstalten liegt bei 0%, dafür müssen sie 90% der Zuschüsse für die Stadtbücherei und 70% jener für das Stadttheater selbst bezahlen, der Rest kann auf die Fremdlinge umgelegt werden. Berücksichtigt man auch Rosgarten- und Naturmuseum, Wessenberggalerie, Gartenanlagen sowie den Zuschuss zur Jugendherberge, liegen die kurtaxenfähigen Kosten bei insgesamt 4,3 Millionen Euro. Bei etwa 400 000 kurtaxenpflichtigen Übernachtungen pro Jahr erzielt man bei der aktuellen Kurtaxe von 2,00 Euro pro Nacht Einnahmen von jährlich ca. 800 000 Euro. Kurtaxe haben alle Menschen ab 16 zu zahlen, die ihr Haupt mindestens zwei Nächte lang aus nichtberuflichen Gründen in den Beherbergungsbetrieben zur Ruhe betten.
Allerdings bekommen die Gäste etwas dafür: Sie erhalten eine Gästekarte, „die einige Vergünstigungen gewährt und zu freien Fahrten mit den städtischen Bussen berechtigt.“
Bettensteuer wie in Freiburg?
Genau hier setzte der Antrag des JFK an, die Taxe von 2,00 Euro auf 3,00 Euro zu erhöhen. Die Guzzeles, vor allem der Freifahrtschein für die Busse, seien, so Matthias Schäfer (JFK), wesentlich mehr wert als zwei oder drei Euro, die Reisenden machten also ein gutes Geschäft. Er regte zudem an, über eine Bettensteuer wie in Freiburg nachzudenken, um auch die beruflich in Konstanz Nächtigenden zur Kasse zu bitten.
Die Vorschläge des JFK setzten sich letztlich nicht durch, zu groß war die Angst, damit Reisende an Nachbargemeinden zu verlieren und auch „sozial schwache Familien auf dem Campingplatz“ (Jürgen Puchta für die SPD) finanziell zu treffen. So stimmte man letztlich für die von der Verwaltung favorisierte Erhöhung auf 2,20 Euro und von 80 auf 88 Euro für Zweitwohnungsbesitzer und Dauercamper. Der Vorschlag, nicht nur eine Freikarte für die städtischen Busse, sondern auch eine für den VHB auszugeben, ging unter. Es wäre ja auch noch schöner, führe irgendein Wirrkopf mit diesem Freifahrtschein nach Radolfzell, um sein Eis im touristischen Feindesland zu schlotzen.
Kulturförderrichtlinien werden aufgeweicht
Anrührend geriet der Schlagabtausch zweier alter Kämpen des Gemeinderates über die Kulturförderung. Man erinnert sich: Um den Dschungel der Zuschüsse für Vereine usw. zu lichten, hat sich die Stadt Richtlinien verordnet. Ziel war nicht Kostenersparnis, sondern es sollte klare Regeln geben, damit vergleichbare Vereine dieselbe Förderung erhalten. Bisher hatte es ein über viele Jahrzehnte gewachsenes Wirrwarr individueller Zuschüsse gegeben, die oft die persönlichen Vorlieben einzelner Stadträtinnen und -räte widerspiegelten.
Nun haben Regeln aber einen Nachteil: Sie führen dazu, dass jemand plötzlich geringere Ansprüche hat als früher und entsprechend laut aufheult, den Untergang des Abendlandes zu verkündigen. So beantragte die Verwaltung denn, entweder strikt bei den Regeln zu bleiben, oder aber bestimmten Gruppen einen Festzuschuss zu gewähren, so dass sie denselben Betrag erhalten wie vor Einführung der Richtlinien. So sollte der Bach-Chor zusätzlich 600 Euro erhalten, der Kammerchor 395 Euro, und der Fanfarenzug Konstanzer Frichtle, der ganz aus der Förderung herausgefallen war, sollte sich über einen Zustupf von 2783 Euro freuen dürfen. Insgesamt ging es dabei um 6645 Euro, letztlich also ein Nasenwasser. Aber es ging auch darum, die mühsam erarbeiteten Richtlinien, die Wildwuchs verhindern sollten, wieder durch einige Willkürakte zu unterlaufen.
Die beiden Hauptprotagonisten der intensiven Diskussion wurden Herbert Weber (SPD) und Wolfgang Müller-Fehrenbach (CDU), zwei Gemeinderatsveteranen also, wie sie im Buche stehen: Der knorrige Vorkämpfer der Konstanzer Mieterinteressen auf der einen und der unermüdliche Lobbyist des Klerus und des Bildungsbürgertums auf der anderen Seite. So mahnte Weber denn sichtlich agitiert strikte Regeltreue an. Müller-Fehrenbach hingegen beklagte, durch die Förderrichtlinien seien die genannten Institutionen benachteiligt worden, es gehe also nicht um einen Regelbruch, sondern darum, Frieden und Gerechtigkeit wiederherzustellen. Das allerdings sah Weber nun gar nicht ein und rief seinem ewigen Kontrahenten zu: „Die Richtlinien sind richtig! Wolfgang, wenn Du einem was gibt’s, dann musst Du allen was geben, es kann doch nicht sein, dass 20 Fanfarenzüge nichts kriegen und 2 kriegen was! Wenn das durchgeht, schreib’ ich morgen einen Brief an alle Fanfarenzüge, sie sollen Zuschüsse beantragen!“
Der arme Herbert Weber: Es ging durch, und so dürfte ihm (falls der Gemeinderat, wie zu erwarten, dem Vorberatungsergebnis des HFA folgt) einiges an Schreibarbeit ins Haus stehen.
O. Pugliese