Die Wohnsituation für Studenten wird noch viel schlimmer
Über 600 Wohnheimplätze für Studierende in Konstanz fielen seit 2008 weg. Da wurden Gebäude abgerissen (Sonnenbühl Ost I und West) oder Mietverträge mit dem Studentenwerk gekündigt (Petershauser Briel oder Bücklestraße). Schon 1997 hatte das Chérisy-Wohnprojekt „Neue Arbeit“ 80 Wohnplätze eingebüßt, da das Land Sanierungszuschüsse verwehrte. Die Wohnungsnot für Studenten verschärft sich weiter. Und niemand scheint verantwortlich. Ein Betroffener berichtet:
Zu Beginn des Sommersemesters wird zusätzlich mit der Sanierung des Albertus-Magnus-Hauses (AMH) begonnen. Während des Umbaus (voraussichtlich bis Anfang 2013) ist die Hälfte der 334 AMH-Zimmer nicht bewohnbar. Die AMH-Heimleitung sieht den Zeitpunkt angesichts der anstehenden G8-Jahrgänge zwar kritisch, jedoch habe die KfW-Bank gerade jetzt günstige Darlehen für energetische Sanierungen bereitgestellt, wodurch man den Umbau nicht verschieben könne.
Teure Neueröffnungen und vakante Plätze
Zwar wird das Studentenwerk Seezeit zukünftig wieder einige neue Wohnheime eröffnen und auch das AMH steht irgendwann wieder vollständig zur Verfügung, jedoch sehen alle diese Projekte signifikante Preissteigerungen vor. Beim AMH muss man dann mindestens 260 € pro Monat und Zimmer bezahlen (bisher 215 €). Seezeit prüft derzeit, ob es möglich ist, die neuen Zimmer in einem Preissegment unter 300 € anzubieten.
Seezeit-Wirtschaftsplan ein Schlag ins Gesicht der Studierendenschaft
Dass diese neuen Zimmer erschwinglich werden, darf man nach der bisherigen Lage kaum hoffen. Im Seezeit-Wirtschaftsplan 2011 ist verankert, dass NeuunterzeicherInnen viel höher belastet werden als jene Studierende, die schon im Wohnheim wohnen. Im Schnitt steigen die Preise in Neumietverträgen um ca. 25 € gegenüber 2010, im Wohnheim Paradies sogar um 41 €. Nur wenige Wohnheime, wie z.B. die Jungerhalde, bleiben davon unberührt.
Ein Studentenwerk ohne angemessene Finanzmittel
Das Leitprinzip der Landesregierung in Sachen Studentischer Wohnversorgung scheint momentan „unterfördern und (zu viel) Geld fordern“ zu sein. Nachdem seit 2005 die jährliche Fördersumme für das Studentenwerk Seezeit 1.612.514 € betragen hat, erhöht das Land nun die Fördersumme um ganze 4800 €. Im Verwaltungsrat von Seezeit hätte es für uns Studierende eine Möglichkeit gegeben, der scheinbar ausweglosen Situation zumindest symbolisch etwas entgegenzusetzen. Doch nichts dergleichen geschah. Der Seezeit-Wirtschaftsplan 2011 wurde am 24.01. einstimmig beschlossen. Zwar monierte die Studentische Vertretung (eine Stimme) der Uni Konstanz die Mieterhöhungen, jedoch seien diese Teil des Wirtschaftsplans, sodass man sie nicht isoliert vom Rest des Plans abstimmen könne.
Andere Wohnprojekte werden nicht gefördert
Doch nicht nur da beweist die Landesregierung, dass sie für Studierende mit schmalem Geldbeutel nichts übrig hat. Beim Chérisy-Wohnprojekt stehen weitere 118 Studierendenwohnplätze zur Disposition, da das Land öffentliche Fördermittel zur Wohnraumsanierung nur für Studentenwerke zur Verfügung stellt Die Sanierung der Chérisy- Zimmer würde die Neue Arbeit 4800 € pro Zimmer kosten, also ca. eine halbe Million Euro, was kostengünstiger wäre, als so mancher in der Stadt geplanter Studentenwohnungsneubau.
Ähnliches berichtete auch Sebastian Scholz, Heimleiter des AMH: „Das Land schießt uns kein Geld zu, da es sagt, dass Studentenbeherbergung nicht explizit Aufgabe der Kirche ist, sondern die von Studentenwerken.“
Bund verteuert Ex-Seezeit-Wohnheime
Doch mit der Unterfinanzierung der Wohnheime nicht genug. Der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) unterstehen die Häuser (240 Wohnplätze) in der Gottfried-Keller-Straße, welche seit Ende 2009 leerstehen, da sie nicht mehr von Seezeit gemietet werden können (Seemoz berichtete mehrfach). Laut Dieter Bellmann, Geschäftsführer der Neuen Arbeit, war es vor 2005 einfacher, dass Seezeit oder soziale Wohnprojekte solche Räumlichkeiten anmieteten, da die Bundesvermögensanstalt Mietpreise noch nach dem örtlichen Bedarf bestimmen konnte. Die BImA sei hingegen gehalten, sich bei der Vermietung ihrer Immobilien an den ortsüblichen Mieten zu orientieren.
Von G8-Jahrgängen und der Abschaffung der Wehrpflicht
Die nächsten zwei Jahre dürften für Wohnungssuchende weitere Probleme mit sich bringen. Neben dem in Konstanz anscheinend „natürlichem“ Schwund von bezahlbaren Wohnraum und den „natürlichen“ Mieterhöhungen, sind die Themen „Abschaffung der Wehrpflicht“ und G8 in 2012 neue Probleme, die zusätzlich Spannungen auf dem Konstanzer Wohnungsmarkt hervorrufen werden. Das wird bitter für die, deren Wohnheimsberechtigungen auslaufen und noch viel bitterer für die, die hoffnungsvoll in die Stadt der „Elite“-Uni pilgern und ohne die städtischen Verhältnisse zu kennen feststellen, dass sie die ersten Wochen hier in Turnhallen verbringen müssen.
Es wird Zeit, dass die Zuständigkeiten zwischen Stadt, Bundesland, Bund, Studentenwerk, Uni usw. nicht länger hin- und hergeschoben werden, sodass sich am Ende niemand verantwortlich fühlt.
Autor: Ryk Fechner