Stolze Stadt-Statistik: Über beißfaule Kampfhunde und steuerverdrossene Ungläubige
Das Bürgerbüro der Stadt Konstanz legte dem Gemeinderat jetzt seinen Bericht für die Jahre 2012–2014 vor. Neben Bedenkenswertem wie etwa einer Auflistung der Verkehrskontrollen enthält er auch eher Beruhigendes wie die Ergebnisse der Kampfhund-Wesenstests und Erfreuliches wie die weiterhin steigende Zahl der Kirchenaustritte. Aber auch auf Schulschwänzern ruht das gestrenge Auge der Obrigkeit, wo auch immer sie sich während der Schulstunden verbergen mögen.
Der Bericht des Bürgeramtes ist vor allem in einer Hinsicht beeindruckend: Wer beim Bürgeramt nur an die Ausgabe von Personalpapieren im Verwaltungsgebäude an der Laube denkt, ist überrascht, welche Aufgabenvielzahl es wirklich hat. Es ist nämlich Ortspolizeibehörde, für den Straßenverkehr zuständig, vergibt Waffenscheine und arbeitet als Fundbüro, genehmigt Versammlungen (oder auch nicht), verwaltet das Gaststättenwesen, erhebt Bußgelder und soll sich um ausländische Mitbürger, Flüchtlinge und Obdachlose kümmern. Ach ja, Standesamt ist es auch noch. Seit 2001 wurden hier immer mehr bürgernahe Verwaltungsaufgaben gebündelt, für die 99 Mitarbeiter_innen (Tendenz steigend) zuständig sind.
Diese Aufgaben lässt sich die Stadt Konstanz einiges kosten. Im letzten Jahr standen den Einnahmen von 3,8 Millionen Euro (vor allem aus Verkehrsbußen und Sondernutzungserlaubnissen sowie den Gebühren für Personaldokumente) insgesamt Ausgaben von 8,3 Millionen (vor allem für das Verkehrs- und das Einwohnerwesen) gegenüber. Darunter fallen auch die Parkplatzgebühren für Horn und Dingelsdorf, bei denen Einnahmen von 54 658 Euro auf der anderen Seite Kosten für die externe Überwachung von 31 841 Euro verursachen. Nicht zu vergessen sind in diesem Zusammenhang auch die jährlich aufgewendeten 200 000 Euro für verkehrslenkende Maßnahmen an den Hochlasttagen wie den Einsatz der Verkehrskadetten.
Raser abkassieren
Wer vermutet hat, dass vermehrtes Knöllchenschreiben eine Goldgrube ist, liegt falsch, denn der Personalaufwand auf der Straße sowie für die anschließende Sachbearbeitung ist hoch. „Aufgrund einer Erhöhung des Kontrolldrucks wurden 2014 von den KollegenInnen der Ortspolizeibehörde mit 66 960 rund 42 % mehr Ordnungswidrigkeiten gegenüber 2013 ausgesprochen.“ Im Radarbereich gab es 2014 gar ein Plus von 121 % gegenüber dem Vorjahr (2014: 6494 Geschwindigkeitsverstöße, 2013: 2928), und auch die „Rotlichtverstöße“ nahmen in den letzten Jahren erheblich zu (2014: 4846 gegenüber 2013: 4203). „Die Gesamteinnahmen belaufen sich nach dem vorläufigen Rechnungsergebnis auf 1.681 223 Euro.“ Insgesamt wurden 2014 193 Radarkontrollen über 830 Stunden durchgeführt, dabei wurden 164 867 Fahrzeuge gemessen, bei denen es bei 3,9% zu Beanstandungen kam.
Vandalismus kostet
Insbesondere zu nächtlicher Stunde erwacht in manchen Menschen der Vampir, während sich in anderen eher der Vandale meldet. Wie auch immer: Jährlich wurden rund 50 000 Euro für sinnlos beschädigte, zerstörte oder entwendete Verkehrszeichen, Poller und Schrankenanlagen aufgewendet. Außerdem gibt es viele „weitere Vandalismusschäden an öffentlichen Einrichtungen“, so für allein rund 3000 Euro an der Toilettenanlage im Herosé-Park.
Testkäufe gehen zurück
Kläglich ist die Zahl der Alkoholtestkäufe durch Jugendliche unter 16 Jahren, was das Bürgeramt mit dem Fehlen von Freiwilligen für die Testkäufe begründet. „Gab es 2011 noch 40 Testkäufe, bei denen es in 45% der Fälle zu Verstößen kam, sank diese Zahl 2014 auf 6 Testkäufe, bei denen immerhin 4 (also 67%) Verstöße registriert wurden“. Also: Junge Freiwillige vor, vielleicht könnt ihr ja mit ein bisschen Geschick einen Teil von dem Zeug, das ihr testkauft, unterschlagen.
Schießprügel
Sowohl die Anzahl der Waffenbesitzer als auch die Anzahl der registrierten Waffen in Konstanz sind kontinuierlich zurückgegangen (Leichtsinn beim Waffenreinigen?). Gab es 2011 noch 538 angemeldete Waffenbesitzer mit 2691 registrierten Schießeisen, so verminderte sich deren Anzahl 2014 auf 460 Menschen mit 2420 Waffen. Besorgniserregend ist allerdings deren Schlamperei. Bei 41 verdachtsunabhängigen Kontrollen wurden 13 Mängel gefunden. Dabei handelte es sich um „Waffenaufbewahrung außerhalb des Waffenschrankes (z.B. unter dem Bett), das nicht getrennte Aufbewahren von Munition und Waffen oder sogar das Auffinden einer geladenen und entsicherten Waffe“. Eine elterliche Einladung an den Nachwuchs, mit den missliebigen KlassenkameradInnen und LehrerInnen mal gründlich abzurechnen, ist das allemal.
Kampfhunde
In Konstanz leben derzeit ca. 2100 Hunde. Hiervon gehören 14, also weniger als 1%, zu den Rassen American Staffordshire Terrier, Bullterrier und Pit Bull Terrier, die als Kampfhunde gelten. Alle Hunde dieser Rassen in Konstanz haben in den letzten Jahren erfolgreich die Verhaltensprüfung beim Landratsamt absolviert und somit die Kampfhunde-Eigenschaft widerlegt. Es gibt also keinen echten Kampfhund in Konstanz, und was da scheinbar mordlüstern an der Kette (die ist vorgeschrieben) durch die Straßen geführt wird und Angst und Schrecken verbreitet, markiert nur die mordlüsterne Bestie und frisst in Wirklichkeit lieber Chappi als selbstgerissenes Menschenfleisch.
Dennoch ist die Anzahl der angezeigten Hundeangriffe in den letzten drei Jahren kontinuierlich gestiegen. Im Jahr 2012 hatte das Bürgeramt 17 gemeldete Vorfälle mit aggressiven Hunden zu überprüfen, im Jahr 2013 waren es 39 Fälle und im Jahr 2014 dann 60 Fälle. Dabei sind in elf Fällen Menschen von Hunden angefallen worden. In allen anderen Fällen war die Beißattacke gegen einen Artgenossen gerichtet.
Schuleschwänzen
Was es nicht alles gibt: Von 2012-2014 wurden pro Jahr im Schnitt 15 Ordnungswidrigkeiten-Verfahren wegen Schuleschwänzens durchgeführt.
Kirchenaustritte
Und zum Schluss noch eine gute Nachricht: Die Zahl der Kirchenaustritte ist von 460 im Jahre 2011 auf 756 im letzten Jahr gestiegen – leider differenziert das Bürgerbüro nicht nach Konfessionen, aber man darf vermuten, dass es vor allem die Papisten traf. „Die Betroffenen äußerten meist Unzufriedenheit über die steuerliche Belastung und die Affäre um den Bischof von Limburg, Tebartz-van Elst“, resümiert die Behörde. Eine der raren Gelegenheiten also, bei denen ein Bischof mal etwas Gutes bewirkt hat.
O. Pugliese
Auch wenn ich keine repräsentativen Zahlen äußern kann, haben sich zumindest bei uns deutlich mehr Protestanten gemeldet, die im vergangenen Jahr die Kirche verlassen haben. Das würde auch die bundesweite Entwicklung unterstützen, wonach es die evangelische Kirche ist, die proportional mehr Gläubige ziehen lassen muss.
Während tatsächlich eine Mehrheit stets die Steuerlast für einen Austritt angibt, ist es bei den Protestanten oftmals auch die pluralistische Vielfalt der Lehre, die irritiert. Offenkundig erwarten die Anhänger von den Kirchen auch heute noch einen Ort der Orientierung. Und ist kein Verlass mehr auf die Richtung, wollen die Menschen einen anderen Anker.
Nicht umsonst suchen uns immer wieder Ausgetretene auf, die irgendwie verunsichert wirken: Ist es nämlich nicht der nur noch auf dem Papier mit der Kirche Verbundene, sondern der Verwurzelte, der seit Kindheit an nicht ohne Gott war, der sich seine Entscheidung schwer tut, aber schlussendlich umso überzeugter einen Schlussstrich hinter die Kirchenzugehörigkeit setzt. Der Kern bricht weg, die Substanz nimmt ab. Die Kirche selbst lässt das überraschend kalt. Sie unternimmt kaum einen Versuch, die „Reisenden“ aufzuhalten. Scheinbar sind die finanziellen Reserven derart riesig, dass man auf ein paar Millionen weniger Kirchensteuereinnahmen verzichten kann.
Ihre Eigendarstellung, die Politik oder Teile der Gesellschaft noch immer fördern, entbehrt mittlerweile jeder Rechtfertigung. Sie nimmt die ihr zugestandene Verantwortung seit langem nicht mehr wahr – unbeschämt macht sie weiter, ohne jede Kritik an eigenen Fehlern. Und die sind bei der evangelischen Kirche kaum weniger dramatisch als bei den Katholiken. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Protestanten die päpstliche Haltung noch rechts überholen. An Menschlichkeit mangelt es bei beiden Seiten. Und in Sachen Selbstherrlichkeit überragen die Evangelischen ihre Glaubensbrüder bei weitem.
Obwohl den „Volkskirchen“ weiterhin unsägliche Vorteile in der Gesetzgebung gewährt und Aufgaben übertragen werden, die staatliche Neutralität bräuchten, schwindet der Rückhalt. Dass die Zahl der Konfessionslosen weiter wächst, juckt allerdings wohl kaum jemanden. Ob in Gremien oder im Dialog – dass die mittlerweile den einzelnen Konfessionen mindestens gleichwertig gegenüber stehenden Atheisten. Freidenker, Humanisten und Religionslosen in Teilhabe und Mitsprache weitgehend unberücksichtigt bleiben, ist eine akzeptierte Diskriminierung.
Es ist unsere Aufgabe, denen, die die Kirchen wegen fehlender Fundamente verlassen, einen alternativen Entwurf für ihr Leben anzubieten. Bei einem „Markt“, auf dem Esoterik und sonstige Versprechungen blühen, ist das keine leichte Sache. Gleichsam sind die Säkularen weiterhin zu zurückhaltend, wenn es darum geht, sich nicht allzu klein zu machen – vielleicht liegt es auch an ihrer nicht selten vorkommenden Zerstrittenheit. Letztlich sollten wir die Chance nutzen, die sich nicht nur aus den Berichten des Bürgeramtes in Konstanz zu den Kirchenaustritten offenbaren, und selbstbewusst werben: Denn wie wohltuend kann es sein, den persönlichen Glauben endlich frei und ohne Zwang wählen zu können…
Dennis Riehle, Sprecher „Humanistische Alternative Bodensee“