Herzlich willkommen in Egg

seemoz-egg-1Die Bürgergemeinschaft Egg hat in den letzten Wochen gegen eine Anschlussunterkunft für Flüchtlinge auf der Egger Wiese mobil gemacht. Aber es gibt auch andere Egger, die ausdrücklich für die Flüchtlingsunterkunft eintreten: Einige engagierte Bürgerinnen und Bürger haben die LLK zu einem abendlichen Plausch nach Egg eingeladen und vor Ort erläutert, warum sie die geplante Unterkunft als Chance nicht nur für Flüchtlinge, sondern auch für ihren Stadtteil sehen.

Durch Egg geht mittlerweile ein tiefer Riss, der so schnell nicht zu heilen sein dürfte. Auf der einen Seite steht die Bürgergemeinschaft Egg, die als Sprachrohr sämtlicher Egger und Eggerinnen wahrgenommen werden möchte und durchaus wortgewaltig gegen den Bau der Anschlussunterbringung aufsteht, unter anderem weil sie die Egger Wiese als Spielplatz und Begegnungsstätte ungeteilt erhalten wissen will.

Ein Stadtteil und seine „Spießbürgersorgen“

Diese Bürgergemeinschaft fand sich im April zusammen, und damals war Patrick Betz ihr erster Vorsitzender. Er ist, so erzählt er, aber bereits im Mai nach wenigen Wochen als Vorsitzender zurückgetreten, als klar wurde, dass sich die Bürgergemeinschaft ausschließlich als Organisation der Gegner der Flüchtlingsunterkunft versteht und dass abweichende Meinungen in dieser Frage dort keinen Platz haben würden. Betz und seine MitstreiterInnen zeigen sich enttäuscht darüber, dass auch die Stadtverwaltung bisher nur mit der Bürgergemeinschaft als einziger Vertreterin Eggs gesprochen hat, denn die (zudem noch in Gründung befindliche) Bürgergemeinschaft kann in ihren Augen nicht beanspruchen, alle EggerInnen gesamthaft zu vertreten.

seemoz-Egg-2Betz ist heute eines der prägenden Gesichter eines anderen Egg, das die andere Seite bildet, das die Willkommenskultur für Menschen, die – oft schwer traumatisiert und unter Lebensgefahr – nach Deutschland fliehen, ernst nimmt und die geplante Flüchtlingsunterkunft auf der Egger Wiese begrüßt, sowohl als humanitäre Notwendigkeit wie auch als Chance. Egg ist der immer noch kleinste, aber schnell wachsende Konstanzer Stadtteil, dem es an vielem fehlt, von Einkaufsmöglichkeiten über öffentliche Abfallbehälter bis hin zu Hundekotbeuteln, von den Verkehrsproblemen ganz zu schweigen; typische „Spießbürgersorgen“ also, wie Betz selbstironisch anmerkt, die dann schnell von der Flüchtlingsfrage in den Hintergrund gerückt wurden.

Baupläne sind schon alt

Er und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter sehen vor allem das Argument, durch den Bau auf der Egger Wiese sei der dortige Platz nicht mehr als Spielplatz und Begegnungsort zu nutzen, als falsch an. Auf dem nördlichen, jetzt mit einigen Büschen bestandenen Abschnitt des Geländes, auf dem die Unterkunft entstehen soll, sei eigentlich ein Kindergarten geplant gewesen, so dass hier ohnehin gebaut werden sollte. Und auch nach dem Bau, der nach der aktuellen Planung weniger als 50% des Gesamtareals einnehmen soll, bleibe den Kindern, auch jenen der Flüchtlinge, der bisherige Fußballplatz und der angrenzende überwucherte Streifen entlang eines kleinen Grabens als ausreichend großes Areal zum Spielen; ein Fußballtor und einige Spielgeräte, die auf dem zu überbauenden Teil der Wiese stehen, könne man unschwer ein wenig versetzen. Misst man das auf Google Earth nach, so bleiben nach dem geplanten Bau der Anschlussunterbringung geschätzte 2000 Quadratmeter als Spiel- und Erholungsgelände unverändert.

Neue Flüchtlings-Unterkunft in Mühlhausen-Ehingen
(PM/hpk) Bereits im Oktober sollen die ersten Flüchtlinge in einer neuen Gemeinschaftsunterkunft in Mühlhausen-Ehingen einziehen, die dann 15. im Landkreis Konstanz. Die kurzfristig angemietete Gewerbehalle (Im Kai 2) wird umgebaut, um eine Unterbringung mit größtmöglicher Privatsphäre zu gewährleisten. Dazu gehören beispielsweise auch Abtrennungen in der Raumaufteilung. Bevor die ersten Flüchtlinge und Asylbewerber in die Unterkunft einziehen werden, findet eine Bürgerinformation statt, bei der die Gemeinde Mühlhausen-Ehingen auch einen Helferkreis gründen möchte. Ein Termin für diese Zusammenkunft steht noch nicht fest.

Diese Vertreterinnen und Vertreter eines anderen Egg sehen ihr Engagement vor allem humanitär: „Es kann nicht sein, dass im reichen Deutschland Flüchtlinge, die es oft nur mit viel Müh und Not hierher geschafft haben, am Ende in Zelten oder Containern an den Stadträndern untergebracht werden müssen, weil sie keiner in seiner Nachbarschaft haben will.“ Sie klingen durchaus entschlossen, sich dann auch aktiv um ihre neuen NachbarInnen kümmern zu wollen und halten etwa 40 Flüchtlinge auf rund 750 Egger EinwohnerInnen für eine vertretbare Zahl (während die Bürgergemeinschaft allerhöchstens einen Bruchteil davon in Egg untergebracht sehen will). Ebenso scheinen sie den Riss durch Egg auf lange Sicht für heilbar zu erachten, denn sie wollen irgendwann auch wieder mit der Bürgergemeinschaft an einem Strang ziehen.

Für eine neue Basis des Dialogs

„Wir möchten im Ton, vor allem aber auch in der Sache eine neue Basis des Dialogs suchen. Um die integrative Funktion und gemischte Nutzung der Gebäude zu verbessern, möchten wir Gemeinschaftsräume anregen, die nicht nur für die Kommunikation im Haus da sind (Stichwort ‚Teeküche‘), sondern auch der Begegnung von alten, mittelalten, halb neuen und neuen ‚Eggern‘ dienen. Wir wünschen uns im Zug der Bebauung ein Café oder einen Laden in Egg, eine verbesserte Verkehrsanbindung und bessere Infrastruktur,“ charakterisiert Steffen Bogen den Standpunkt der Pro-Fraktion und bringt einen Dorfladen auf genossenschaftlicher Basis ins Gespräch.

Es bleibt zu hoffen, dass der Riss durch Egg nicht endgültig ist, aber das dürfte auch davon abhängen, ob sich die Fronten in der Flüchtlingsfrage weiter verhärten. Eine Frage ist sicher auch, ob sich auf Seiten der Gegner und Gegnerinnen der Unterkunft ausländerfeindliche Töne Geltung verschaffen können, wie sie in Mails einzelner EggerInnen an Gemeinderatsfraktionen zu lesen sind, aber diese Mails sprechen nicht für die Bürgergemeinschaft Egg und geben Einzelmeinungen von AnwohnerInnen wieder.

Man muss also – vor allem im Interesse der Flüchtlinge – gespannt bleiben, wie und vor allem wann es nach der Sommerpause mit der Umsetzung des Gemeinderatsbeschlusses zum Bau der Flüchtlingsunterkunft in Egg weitergehen wird.

O. Pugliese

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