Kollege Savarino macht sein eigenes Ding

seemoz-1-9-2015Zum heutigen Antikriegstag wird es in Friedrichshafen zwei Veranstaltungen geben: Neben der traditionellen der Friedensbewegung eine Parallelveranstaltung der IG Metall. Die wird zwar nicht so genannt, ist aber in Wirklichkeit eine Gegenveranstaltung. Denn IG-Metall-Boss Enzo Savarino ist die Friedensbewegung am Bodensee schon lange ein Dorn im Auge.

Deutschlands größte Gewerkschaft hat es am Bodensee nicht leicht: Sie muss in Friedrichshafen und Immenstaad den Spagat schaffen zwischen ihrer pazifistischen Grundhaltung und der Politik für ihre Mitglieder in der Rüstungsindustrie. Denn die Betriebsratsgremien von MTU und ZF, von Diehl und Liebherr und wie die gut 20 Waffenschmieden rund um den Bodensee alle heißen, sind fest in IG Metall-Hand, etliche Betriebsratsmitglieder sitzen zudem im Ortsvorstand der IG Metall. Und die Metaller haben für die Friedensbewegung, die regelmäßig gegen sie stänkert, nun überhaupt keine Sympathien.

Grabenkämpfe der IG Metall

Unter Savarinos Vorgängerin als 1. Bevollmächtigte der IG Metall Friedrichshafen-Oberschwaben, Lilo Rademacher, klappte der Spagat noch einigermaßen: Kollegin Rademacher traute sich auf friedenspolitische Diskussionsrunden der Kirchen und unterstütze den österlichen Friedensweg wenigstens finanziell. Seit Enzo Savarino (s. Foto) vor dreieinhalb Jahren ihren Posten übernahm, werden die Gräben aber tiefer: Zunächst wurde die Unterstützung der Ostermärsche eingefroren, dann die Teilnahme an Treffen der Friedensbewegung abgesagt – die Organisation einer Gegenveranstaltung zum 1. September aber ist der bisherige Höhepunkt solcher Grabenkämpfe.

Grässlin in Friedrichshafen

Breit ist das Bündnis, das die traditionelle, seit langem geplante Veranstaltung des DGB zum Antikriegstag (1.9.2015, 18.30, St. Nikolaus-Gemeindehaus Friedrichshafen) mit dem prominenten Rüstungsgegner Jürgen Grässlin plant: Unter Federführung des Deutschen Gewerkschaftsbundes haben sich weitere Gewerkschaften, Parteien und Bodensee-Friedensgruppen zusammen getan, um über die Rüstungsindustrie am Bodensee zu diskutieren.

Soll die Kritik an den Rüstungsfirmen mundtot gemacht werden?

Seemoz-SavarinoPlötzlich und kurzfristig lädt nun die IG-Metall zu einer Gegenveranstaltung (1.9.2015, 18.00, Graf-Zeppelin-Haus Friedrichshafen) ein. Zunächst sollte die Grünen-Politikerin Marieluise Beck, die offen für eine militärische Unterstützung der Kiewer Regierung wirbt, zum Ukraine-Konflikt sprechen. Nach deren Absage wurde flugs Matthias Dembinski vom ‚Leibniz-Institut Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK)‘ in Frankfurt angeheuert. Sein Thema: „Konflikt am Rande Europas – die Welt vor einem neuen Kalten Krieg?“ Dembinski, der auch als ‚Osteuropa-Experte‘ in der Tagesschau auftritt und nebenbei als Berater für EU und NATO tätig ist, will in seinem Vortrag die Rolle Russlands im Ukraine-Konflikt beleuchten.

Zeitgemäße Friedenspolitik – was ist das?

Soll so die Kritik an den Bodensee-Rüstungsfirmen mundtot gemacht werden? Soll für zusätzliche Aufrüstung und damit für neue Geschäfte der Rüstungsindustrie, gar für einen neuen Waffengang geworben werden, der nur Airbus und Co. zugute käme? Das bleibt abzuwarten. Aber sicher ist, dass Savarinos Absicht – im Flugblatt zur IG Metall-Veranstaltung so formuliert – „über unsere Position und Perspektiven für eine zeitgemäße gewerkschaftliche Friedenspolitik zu diskutieren“, unter Aussparung der Rüstungs-Problematik nicht erreicht wird. Denn wenn eine Spaltung am Anfang einer „zeitgemäßen gewerkschaftlichen Friedenspolitik“ steht, ist so recht Friedfertiges nicht zu erwarten.

hpk