s’Bokle: Knapp am Kultur-GAU vorbei

seemoz-bild morgensternDa wunderten sich vor der Sommerpause mehrere Stammgäste des s’Bokle: Für den 26.9. kündigten die Macher des Radolfzeller Jugendkulturzentrums mit „Runenblut“ und „Leichenzug“ zwei Gruppen an, die der neonazistischen Black Metal-Szene (NSBM) nahe stehen. Vor allem der geplante Auftritt von „Leichenzug“ hätte die Existenz des von der Stadt unterstützten Jugendclubs wohl ernstlich in Frage gestellt. Proteste führten im letzten Moment zur Absage des Konzerts.

Von Veranstaltern muss man erwarten können, dass sie sich vorab darüber informieren, wen sie auf ihre Bühne lassen. Mit nur wenig Recherche hätten die Bokle-Verantwortlichen schnell herausfinden können, wofür beispielsweise das Soloprojekt „Leichenzug“ (siehe Teaserbild) steht. Paul Morgenstern heißt der Sachse (!), der seit 2004 fest in der rechtsradikalen Metal-Szene verankert ist und das Label „Blasphemous Terror Records“ betreibt.

Schon auf dem ersten „Leichenzug“-Album, das bei dem braunen Szene-Label „Nebelfee Klangwerke“ veröffentlicht wurde, finden sich mehrere Coverversionen von Liedern der rechtsextremen Band „Absurd“, deren damalige Mitglieder um Hendrik Möbus 1993 den 15-jährigen Sandro Beyer ermordeten. Das zweite Album von „Leichenzug“ mit dem Titel „Das letzte Gebet“ kam 2010 auf den Index. Auf diesem Album findet sich u. a. ein Stück, in dem der „Vernichtungskrieg“ sowie „Ausrottung und Mord“ glorifiziert werden.

seemoz fragte bei Daniel Schenker, er ist der 1. Vorsitzende des Radolfzeller Jugendclubs, nach und wollte wissen, wie es zur Buchung von „Leichenzug“ und „Runenblut“ kam, deren politische Ausrichtung ja wohl eindeutig sei. Seine Antwort war karg: „Die Veranstaltung am 26.9. wird nicht direkt von uns veranstaltet. Und der Band Leichenzug wurde bereits aus diesem Grund abgesagt. Über die Band Runenblut ist bei uns in der Richtung nichts bekannt“. Weitere detaillierte Nachfragen wurden nicht beantwortet.

Nachdem der Neonazi Paul Morgenstern ausgeladen wurde, solidarisierte sich die Band „Runenblut“ mit ihm und sagte ihrerseits den Auftritt im Bokle ab. Ihre Fans ließ sie auf Facebook wissen: „Beteiligte Personen fahren auf einer Gutmenschenschiene (…) heutzutage besitzen Political Correctness und Kniefallerei mehr Wert, als sich einzugestehen, dass manche keine Eier für Black Metal haben“. Und: „Leichenzug durften aufgrund Gewinsel diverser Minusmenschen nicht auftreten (…) Steckt euch euer Gutmenschengesülze in den Arsch. Getreu dem Motto: Kriecht zu Kreuze. Funk off and die!“ Somit ist Radolfzell vom Auftritt dieser Kulturbereicherer verschont geblieben. Fragen an den Jugendclub bleiben.

H. Reile