Hohe Berge, tiefe Täler
Die Schweiz will sich eine neue Nationalhymne verordnen. Morgen findet das Finale in Aarau statt, für das drei Vorschläge von einer Jury herausgesucht wurden. Man möchte sich von unzeitgemäßen Textzöpfen wie „Abendglühen, Nebelflur, hehres Vaterland“ verabschieden. Doch vor allem Vertreter der rechtspopulistischen SVP (Schweizerische Volkspartei) und andere Alpenöhis hängen am alten Sangesmuff.
Die Melodie der heutigen Schweizer Nationalhymne entstand 1835, sechs Jahre später schrieb der Zürcher Dichter Leonhard Widmer den Text dazu: „Trittst im Morgenrot daher“. Merke: Zu jener Zeit galten die SchweizerInnen als Frühaufsteher und beträllerten inbrünstig ihre unnötige Bettflucht. Aber es sollte noch satte 140 Jahre dauern, bis das Machwerk endlich zur offiziellen Landeshymne erklärt wurde.
In den letzten Jahren kam etwas mehr Tempo in die Angelegenheit. Die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG) werkelte ab 2012 an einem Ersatz des noch gültigen Liedguts. Die drei verbliebenen Kompositionen werden nun in der SF-Sendung „Potzmusig“ am morgigen Samstag vorgestellt und die EidgenossInnen können über Onlinevoting ihren Senf dazugeben. Wenn dann klar ist, welcher Vorschlag zum besten gekürt wurde, geht jener an den Bundesrat, der über das weitere Vorgehen zu befinden hat. Das kann also noch dauern.
Schon im Vorfeld der Entscheidung waren es vor allem SVP-Politiker, die lautstark gegen eine neue Hymne protestierten. Nationalrat Hans Fehr polterte gegen den schwefligen Geruch und witterte gar umstürzlerische Absichten. Nach dem Abhören mehrerer Vorschläge fühlte er sich in seiner Ablehnung bestätigt. Kein einziger konnte die rechte Socke überzeugen. Viel „Unwürdiges“ sei ganz tief in seine Ohren gedrungen. Eine Schweizer Hymne müsse erhaben und feierlich sein, ließ er in einer Talkshow verlauten, mit „Ringeleien-Versli“ könne er gar nichts anfangen.
Schlimmer noch: Sogar „Multikulti“ habe er bei der Vorauswahl hören müssen. Ein SVP-ler seines Schlages empfindet folgenden Textteil als Provokation: „Lasst uns nehmen an den Händen und sie reichen auch den Fremden“. Das geht nun wirklich nicht, denn seine fremdenfeindliche Partei hat gerade – bald sind Nationalratswahlen – für ganz Europa ein „explodierendes Asylchaos“ prognostiziert. Dann doch lieber beim Alten bleiben: Trittst im Morgenrot daher/Seh´ ich dich im Strahlenmeer/Dich, du Hocherhabener, Herrlicher!/Wenn der Alpenfirn sich rötet/Betet, freie Schweizer, betet!/Eure fromme Seele ahnt/Eure fromme Seele ahnt/Gott im hehren Vaterland/Gott, den Herrn, im hehren Vaterland.
H.Reile
-Betet, freie Schweizer, betet!-
ja, was sollen wir sonst noch tun bei typen wie hans fehr…..
mit verstand kommst du gegen so viel blödheit nicht an.
Das Lied wird ja in der Schweiz gerne zu „Trittst im Morgenrock daher“ verballhornt. Zur ganz offiziellen Nationalhymne wurde es erst 1981, nachdem es aber bereits ab 1961 genutzt wurde. Es löste damals die alte Hymne „Rufst du, mein Vaterland“ ab, weil diese die gleiche Melodie hatte wie „God save the Queen“. Bei internationalen Anlässen führte das hin und wieder zu Verwirrung (zudem war die alte Hymne quasi ein Ruf zu den Waffen). „Trittst im Morgen…“ ist ja eigentlich ein Kirchenlied (steht auch in den Gesangbüchern) und sollte schon aus diesem Grund nicht als Nationalhymne dienen – schliesslich ist die Schweiz kein „Gottesstaat“. Aber da derzeit auch in der Schweiz immer wieder gerne die „christlichen Werte“ der Gesellschaft betont werden (meistens mit den Werten der Aufklärung verwechselt) und die Gefahr der Islamisierung beschworen wird, dürfte der „Hocherhabene“ noch eine Weile im „Morgenrock“ daher treten.