Wohnungsnot: Braucht es einen Leerstandsmelder?

Wohnraum ist kein Spiel!  www.leerstandsmelder.de/stuttgartKonstanz ist eine der Städte, die seit langem unter extremer Wohnungsnot leiden. Für Normalverdiener gibt es kaum bezahlbaren Wohnraum und sie werden ins Hinterland verdrängt. Dennoch gibt es einige Häuser und Wohnungen, auch Gewerbeflächen, die meist aus Spekulationsgründen seit Jahren leer stehen. Ein Leerstandsmelder muss her, sagen viele. Nein, wird entgegnet, damit fördere man nur Denunziation. Die Idee ist also umstritten und das nicht nur in konservativen Kreisen. seemoz-LeserInnen sind gefragt.

Vor der Sommerpause plädierte FGL-Rätin Anne Mühlhäußer dafür, die Stadt solle auf ihrem Portal einen Wohnungsleerstandsmelder einrichten, auf dem unbewohnte Häuser und Wohnungen gemeldet werden können (seemoz berichtete). Für Mühlhäußer „ein weiteres Mittel (…), bislang leerstehenden Wohnraum wieder als Wohnraum zu nutzen, wie es im übrigen auch die Zweckentfremdungssatzung vorsieht, die einen Leerstand von Wohnraum von über sechs Monaten untersagt“.

Tscheulin geifert

Auch in anderen Kommunen gibt es bereits Leerstandsmelder, nur eben in Konstanz nicht. Es dauerte nicht lange, bis CDU-Fraktionschef Roger Tscheulin den Vorschlag von Mühlhäußer geißelte und in gewohnt reaktionärer Manier schäumend davor warnte, derlei Vorhaben erinnerten an Diktaturen, in denen es „Blockwarte und Ähnliches“ gegeben habe. Nicht nur in dieser Frage befindet sich rechts von Tscheulin nur noch die Wand. Noch nicht lange ist es her, da näselte er in Richtung Linke Liste, diese sei dem „Unrechtsschoß der DDR entsprungen“.

Linke Liste mit im Boot

Die LLK schloss sich dem Vorschlag von Mühlhäußer an und zusammen formulierte man einen Antragsentwurf, der dem Technischen- und Umweltausschuss (TUA) vorgelegt werden sollte. Verbunden mit der Anfrage, wie die Stadt verfahren wolle, wenn Leerstand gemeldet würde. Doch auch dieses Unterfangen scheiterte, denn eine Mehrheit der FGL wollte nach intensiver Debatte den Antrag nicht unterstützen.

Weber blockt

Auch Herbert Weber, SPD-Fraktionsvize und Ortsvorsitzender des Mieterbundes, und ansonsten mit an vorderster Front, wenn es darum geht, Wohnungsleerstand zu brandmarken, wollte nicht mitziehen. Zwar befürworte der Mieterbund andernorts bereits existierende Leerstandsmelder, so Weber, aber in Konstanz solle man lieber darauf verzichten. Er blieb bei einem Appell, in dem er die in Frage kommenden Immobilienbesitzer aufforderte, „anständig“ zu sein und ihre Wohnungen oder Häuser zur Vermietung frei zu geben. Klingt gut, fruchtet aber offensichtlich nicht.

Stadt tritt auf der Stelle

Anstatt eines Leerstandsmelders findet man nun auf der Online-Seite der Stadt eine Rubrik unter der Bezeichnung „Wohnraumvorschlag“. Bis vergangene Woche gingen dort, so die für diese Seite zuständige Presseabteilung der Stadt, „rund 80 Nachrichten“ ein. Die wenigsten aber weisen auf leer stehenden Wohnraum hin, sondern belassen es bei „allgemeinen Anmerkungen zu der Thematik Zweckentfremdung und Flüchtlinge ohne konkreten Vorschlag“, so Ulrich Hilser von der städtischen Pressestelle auf Anfrage. Andere hätten leer stehende Gewerberäume benannt, die zu Wohnzwecken umgenutzt werden könnten, dazu Grundstücke, die für Flüchtlingsunterkünfte geeignet wären. In der Regel Örtlichkeiten, die der Verwaltung größtenteils schon bekannt sind. Nur ganz wenige meldeten belegbaren Wohnungs- oder Hausleerstand, dem man zu Leibe rücken könnte – wenn man denn wollte.

seemoz machtʼs (?)

So gesehen wäre ein klassischer Leerstandsmelder, der diese Bezeichnung auch verdient, wohl das passendere Instrument. seemoz überlegt sich derzeit, einen solchen einzurichten. Natürlich veröffentlichen wir nicht ungeprüft jeden Hinweis. Kommt ein solcher oder auch mehrere, recherchieren wir gründlich und ermitteln den oder die Eigentümer. Anschließend fragen wir an, warum der Wohnraum ungenutzt bleibt und erst dann entscheiden wir über eine Bekanntmachung. Bevor wir aber den Leerstandsmelder auf der seemoz-Seite einrichten, hätten wir gerne die Meinungen unserer LeserInnen erfahren. Wir bitten hiermit um Eure/Ihre Einschätzung.

H. Reile