Nie wieder Krieg – doch das Grundgesetz wird ignoriert

Alljährlich findet in Birnau nahe Überlingen auf dem Friedhof für KZ-Opfer eine Erinnerungsfeier statt. In diesem Jahr hielt Heinz Hummler, Antifaschist und langjähriger Betriebsrat in Stuttgart, die Gedenkrede. Wir bringen diese lange, lesenswerte Rede ungekürzt – nur der Lesbarkeit halber mit einigen Zwischenüberschriften versehen

„Sehr geehrte Teilnehmer an dieser heutigen Gedenkveranstaltung,
liebe Kameradinnen und Kameraden,
Kolleginnen und Kollegen.

Als ich die Zusage gab, hier auf dem KZ-Friedhof Birnau eine Gedenkrede zu halten, kannte ich noch nicht die vielen beeindruckenden Details, die ich heute bei der Stollenbegehung erfahren habe, aber mir war klar, dass ich dies an einem Ort tun würde, an dem die Erinnerungen an schlimmste Verbrechen noch nicht verschüttet sind und an dem es eine lange Tradition der Rückbesinnung, aber auch den Vorsatz gibt, die Vergangenheit nicht zu vergessen, sondern Lehren aus ihr zu ziehen.

Wir erinnern uns heute hier an die Befreiung der 800 zur Zwangsarbeit gezwungenen KZ-Häftlinge des Dachauer-KZ-Außenlagers Überlingen vor 65 Jahren.Vor allem aber gedenken wir der 168 Menschen, viele von ihnen noch sehr jung, welche die Schikanen durch die Fronarbeit und die Quälereien durch ihre Bewacher nicht überlebt haben. Gefoltert, erschlagen, zu Tode gequält, verhungert, erschossen – das Sterben jedes einzelnen von ihnen, die von Wehrmacht und SS aus ganz Europa nach Dachau und dann von dort hierher geschleppt wurden, ist eine menschliche Tragödie für sich. 97 von ihnen ruhen jetzt auf diesem Friedhof.

Der 8. Mai, das Ende des Faschismus, wird verdreht und entwertet

Gleichzeitig wissen wir, dass das, was hier am Ufer des Bodensees und im Stollen geschah, nur einen kleinen, ja fast winzig kleinen Teil der Verbrechen umfasste, die im Namen Deutschlands begangen wurden.

Das Jahr 2010 beschert uns eine große Zahl von Jahrestagen. Nicht alle werden in der öffentlichen Wahrnehmung in der ihnen angemessenen Form zu finden sein. Leider gehört dazu auch der heutige Tag.

Heute vor 65 Jahren feierte ganz Europa seine Befreiung vom schlimmsten Verbrechensregime in der Geschichte der Menschheit.Am 8. Mai 1945 siegte die Anti-Hitler-Koalition über Nazi-Deutschland und beendete damit den vom deutschen Faschismus entfesselten 2. Weltkrieg. 65 Millionen Tote waren eine Bilanz, die alle bisherigen Dimensionen sprengt, weshalb dieser Tag nie vom bedeutsamsten Platz in der Skala unserer Erinnerungen verdrängt werden dürfte.

Für Millionen Menschen kam dieser Tag zu spät. Juden, Sinti und Roma, politische Gegner aus humanistischer, kommunistischer, sozialdemokratischer oder christlicher Überzeugung, Homosexuelle, Behinderte, sowjetische und polnische Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge aus ganz Europa, so wie hier in Birnau, und viele andere waren bis dahin in den Vernichtungslagern der Nazis und von der Nazi-Justiz gequält und ermordet worden.

Nicht der Mauerfall war der glücklichste Tag des Jahrhunderts

Ich teile nicht die Meinung der Bundeskanzlerin, der Fall der Berliner Mauer sei der glücklichste Tag in der jüngeren deutschen Geschichte. Glücklichsein ist ganz sicher eine sehr individuelle Sache, aber müssen sich die vielen Millionen von Menschen nicht brüskiert fühlen, wenn der für sie sicherlich glücklichste Tag, der Tag, an dem ihre Leiden ein Ende fanden, der Tag, an dem ganz Europa vom deutschen Faschismus befreit wurde, der 8. Mai 1945, von der neuen deutschen Politik in den Hintergrund gedrängt, entwertet, verdreht, ja fast vergessen gemacht wird?

Befreiend war dieser Tag nicht nur für die aus Konzentrations- und Vernichtungslagern befreiten Männer, Frauen und Kinder – auch wenn nur wenige unserer Mitbürger die Bilder von damals noch vor Augen haben – wie sich magere Kinderärmchen mit eintätowierter Nummer im KZ Auschwitz ihren Befreiern entgegenstreckten, wie befreite KZ-Häftlinge zu schwach waren, um ihrer Freude Ausdruck zu verleihen.

Erlösend war er auch für unzählige Menschen, hier und in den von der Wehrmacht okkupierten Ländern, die aus Kellern und Bunkern  hervor kriechen konnten, um nach ihren Lieben zu suchen oder sie wenigstens beerdigen zu können und sich glücklich schätzten, das Inferno des Krieges überlebt zu haben.

Über den 8. Mai wissen viele Deutschen nichts

In den Zeitungen, im Radio oder im Fernsehen gibt’s hierzulande jedoch keine Erinnerungsserien „65 Jahre Befreiung vom Faschismus.“ Die Art und der Umfang, wie der heutige Tag in Politiker-Reden und den Massenmedien reflektiert wird – der einzige TV-Sender, welcher überhaupt etwas bringt, ist ein Privatsender, der in seinem Beitrag behauptet, die Bundeswehr sei jetzt eine Friedensarmee – ist charakteristisch für den öffentlichen Umgang mit unserer Geschichte

„Über den 8. Mai wissen viele Deutschen nichts“ steht heute in den überregionalen Stuttgarter Nachrichten. Ja woran liegt das nur? Wer hat es ihnen verschwiegen? Schule? Medien? Politik? Dürfen  gerade wir Deutschen es dulden, dass nur dem Teil unserer Vergangenheit eine würdige Beachtung geschenkt wird, der den in unserem Land Herrschenden genehm ist?

Denn so lange noch immer in den Köpfen vieler unserer Landsleute beim Abspielen der Haydn-Melodie der Text „Deutschland, Deutschland über Alles…“ abläuft, so lange die Meinung vorherrscht, wir Deutschen hätten halt wieder einmal einen Krieg verloren, so lange bei Vertriebenen und Flüchtlingen des II. Weltkrieges nur an Deutsche gedacht wird, so lange auch noch heute die deutsche Wehrmacht das Recht gehabt haben soll, pro einem getöteten Soldaten 10 Zivilisten als Geiseln zu erschießen – (im jugoslawischen Kragujevac waren es sogar 100), kann nicht die Rede davon sein, es seien schon die richtigen Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus den Untaten eines Mörderregimes beherzigt worden.

Die erste Schlussfolgerung an diesem Jahrestag kann nur heißen:NIE WIEDER FASCHISMUS!

Ich möchte bei den Jahrestagen bleiben: Am 11. November 2008  jährte sich zum 90. Mal das Ende des 1. Weltkrieges mit über 15 Millionen Toten, und in Verdun in Frankreich pflügen die Bauern noch immer Gebeine toter Soldaten aus der Erde. Man sieht diesen nicht an, ob deutsche oder französische Mütter um sie geweint haben.

Nicht die letzten Toten in Afghanistan und anderswo

Ich kann mich erinnern, wie ich als achtjähriger Bub in der Wochenschau im Mai 1940, also vor 70 Jahren, deutsche Soldaten singen hörte: „Siegreich woll’n wir Frankreich schlagen, sterben als ein tapf’rer Held“, und ein Jahr später sogar: „Vorwärts nach Osten du stürmend Heer, Führer befiehl – wir folgen Dir“. Und dieser blinde Gehorsam brachte Tod und Terror über ganz Europa.

Heute sind in Afghanistan bereits 43 junge Deutsche gefallen. Nicht in einem Krieg, sagte unsere Regierung. Aber warum – und für wen? Wessen Interessen müssen am Hindukusch verteidigt werden, wie einer unserer früheren Militärminister behauptet hat?

Und dann spricht der jetzige sogenannte deutsche Verteidigungsminister an den Särgen von vier, in Afghanistan gefallenen jungen Deutschen davon, dass es wohl nicht die letzten Toten, in dem, was auch er Krieg nennt, sein würden, und dass dies sowohl in den nächsten Jahren als auch in anderen Ländern so weitergehen könne.

Welcher Zynismus steckt in dieser Geisteshaltung? Dieser Mann hat einen Eid auf die Deutsche Verfassung geschworen. Er brüstet sich damit,  einen verfassungswidrigen Angriffskrieg, so wie schon die überwiegende Mehrheit der Menschen unseres Landes,  wenigstens Krieg zu nennen. Er tut aber nicht nur so, als ob der Angriffskrieg der Bush-Regierung auf die von den USA jahrelang gehätschelten Taliban durch das Mitmachen der Deutschen plötzlich zur Verteidigung Deutschlands mutiert sei, sondern kündigt sogar das Eingreifen der Bundeswehr in noch mehr Ländern dieser Erde an.

Und alle etablierten Politiker, fast alle Medien und auch die Justiz, winden sich wie Aale um die Tatsache herum, dass damit ganz eindeutig die Verfassung der BRD gebrochen wird.

Kriege brechen nicht einfach aus

Als Kriegsgründe präsentieren die USA, wie in allen Kriegen zuvor, nur unbewiesene Behauptungen. Die wahren Gründe werden nie genannt. Insbesondere gibt und gab es nie ein Argument, das für einen  humanistisch denkenden Menschen akzeptierbar ist.Bert Brecht spricht in einem seiner Gedichte davon, dass der Menschheit Kriege drohen, die ohne Zweifel kommen werden, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden.

Kriege brechen nicht einfach aus.Der erste Weltkrieg war schon lange vorbereitet, als die Schüsse in Sarajewo fielen. Hitler hatte seinen Krieg schon mit dem Eingreifen der Legion Condor in Spanien, der Annektierung Österreichs und der Besetzung der Tschechoslowakei,  mit Duldung der Westmächte,  und lange vor dem angeblichen polnischen Überfall auf den Sender Gleiwitz geplant. Der angebliche Tonking-Zwischenfall vor Vietnam, die aus Brutkästen gerissenen Kinder in Kuweit, die Massenvernichtungswaffen des Saddam Hussein – die Kriegslügen reihen sich aneinander wie Perlen an einer Schnur.

Sie tun so, als würden Kriege einfach ausbrechen, etwa wie ein Vulkan ausbricht.  Aber Kriege werden aus meist durchsichtigen Gründen vorsätzlich angefangen, und Menschen kommen darin nicht einfach nur um, sie werden vorsätzlich umgebracht.

Das Grundgesetz wird ignoriert

Und dann wird noch ein weiteres Mal das Grundgesetz ignoriert. Die ausdrücklich und ausschließlich für die Landesvereidigung zuständige Bundeswehr soll ihre Angriffskriegs- und Eingreifstrategien unseren Kindern in den Schulen im Unterricht als Friedenspolitik verkaufen dürfen. Einkalkulierend, dass dort Nachwuchs rekrutiert werden kann, weil der Jugend in dieser Gesellschaft anderweitig kaum Zukunftsperspektiven geboten werden.

Damit wird nicht nur der Bock zum Gärtner gemacht, sondern der Demagogie die Krone aufgesetzt. Die zweite Konsequenz an diesem Jahrestag des bedeutsamsten Ereignisses des vergangenen Jahrhunderts kann deshalb nur lauten:

NIE WIEDER KRIEG

Ich sprach vorhin von der Rolle der Medien am heutigen Tag. Das ZDF setzt in seinem Info-Kanal heute Abend noch einen drauf und bringt einen Beitrag in dem es hinter die drei Worte „Nie wieder Krieg“ sogar noch ein Fragezeichen stellt. So führt dieser Tag, und die Art, wie er in Deutschland abgehandelt und verschwiegen wird, unweigerlich zu der Frage, wie mit Gedenken und Gedenkstätten hierzulande umgegangen wird.

Man hört heutzutage oft die Ermahnung, ja Forderung, es müsse endlich Schluß sein mit Gedenkveranstaltungen und Gedenkstätten für die Opfer des deutschen Faschismus.Wollen die, die dies verlangen, auch Schluss machen mit dem Gedenken an die so genannten Helden der Kriege von 1870 bis 1945?

Und was bezweckt man mit neuen Gedenkstätten für die Gefallenen in den nun wieder geführten Kriegen? Was sollen neue Orden und  Ehrenzeichen für die heutigen Auslandskriegseinsätze?

Vergesst uns nicht, die wir hier getötet wurden

Die Mörder in den KZ’s, in Grafeneck, Auschwitz und auch hier in Birnau, die Befehlsgeber der Massentötungen im italienischen Marzabotto, im französischen Oradour, im belorussischen Chatyn, im tschechischen Lidice, in den Dörfern Griechenlands, Jugoslawiens, der Sowjet-Union und anderen Ländern, waren nach dem Ende des 2. Weltkrieges unter uns. Sie konnten fast alle als ehrbare Bürger gelten, weil zu wenig nachgefragt wurde, weil diejenigen, die  aus eigennützigen Gründen gar nicht nachfragen wollten, sehr schnell die Oberhand in unserem Land hatten.

So wurden nach 1945, und vor allem nach1949 tausende Täter laufengelassen, als man sie hätte noch belangen können. „Vergesst uns nicht, die wir hier getötet wurden, denn das Vergessen ist die Erlaubnis zur Wiederholung.“ Dieser Satz ist zu lesen auf einer Stele an der Lagerstraße des ehemaligen Konzentrationslagers Mauthausen. Auf den Kriegs- und Heldendenkmälern, welche es auf fast jedem Friedhof in unserem Lande gibt, steht ein solcher Satz nicht, obwohl er gerade dort am dringendsten notwendig wäre.

In den Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nazis waren viele  Menschen eingesperrt, welche bewusst ihr Leben riskierten, weil sie diesem faschistischen Verbrecherregime Widerstand leisten wollten.Wenn heutzutage offizielles Gedenken überhaupt stattfindet, dann wird allenfalls der passiven erleidenden Opfer gedacht, der aktive und bewusste Widerstand jedoch kaum erwähnt.

Als Sohn eines von der Nazi-Justiz zum Tode verurteilten und hingerichteten Widerstandskämpfers, dem das Andenken an seinen Vater Verpflichtung ist, komme ich nicht umhin, festzustellen, dass nicht nur die Rolle der deutschen Justiz bei den Verbrechen der Nazis immer ausgeblendet, sondern der politische Widerstand immer stärker diskreditiert wird, offensichtlich, um so die Gleichsetzung von Rechts- und so genanntem Linksextremismus zu rechtfertigen.

Eines fällt auf: Wann und wo immer derzeit Nazi-Aufmärsche stattfinden, sprechen Politik und Medien immer nur von Rechtsextremisten. Kaum werden sie als das bezeichnet, was sie sind: Verbrechen sowohl gutheißende, als auch ins Kalkül ziehende Faschisten.

Wovon soll mit dem Eindruck von nur individuellem Unrecht abgelenkt werden?

Man spricht und schreibt in der bundesdeutschen Öffentlichkeit auch kaum von den Verbrechen des deutschen Faschismus, der Wehrmacht und der Justiz – allenfalls von Gräueln und von Einzeltätern. Wovon soll mit dem Eindruck von lediglich individuellem Unrecht abgelenkt werden? Dürfen deshalb Neo-Nazis heute wieder legal ihre faschistischen, rassistischen und menschenfeindlichen Parolen verbreiten?
Das, was auf unseren Straßen, unter richterlichem Schutz auf „Meinungsfreiheit“, herumtoben darf – und in diesem Punkt bin ich mit Michel Friedmann völlig einig – sind doch echte Nazis. Und für diese gibt es nach unserer Verfassung hierzulande keinen Platz, weder auf der Straße noch in der Politik. Das zu manifestieren darf nicht nur den Gegendemonstranten überlassen bleiben. Es hat herrschende Politik zu sein, denn der Artikel 139 des Grundgesetzes nennt ausdrücklich „die Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus“ als Verfassungsgrundsatz.

Deshalb muss die NPD endlich verboten werden und nicht auch noch vom Verfassungsschutz durch Unterwanderung von diesem bitter notwendigen Verbot gerettet werden. Die Verbrechen des deutschen Faschismus, seine Ideologie der Vernichtung der politischen Gegner, der Liquidierung Andersrassischer, der Versklavung sogenannter Untermenschen und der Entfesselung eines Weltkrieges mit dem Ziel des Sieges der sich selbst ernannten  Herrenmenschen dürfen nicht länger bagatellisiert und mit dem Mantel des Vergessens zugedeckt werden.

Gasöfen und Mauerbau – wo ist da die Verhältnismäßigkeit?

Sie unter dem Begriff des Extremismus zu verstecken, wirkt, bezogen auf den deutschen Faschismus und dessen Geisteshaltung, ungeheuer verharmlosend. In Stuttgart schämten sich jetzt sogar vier CDU-Stadträte nicht,  eine Kampagne gegen eine junge VVN-Kameradin zu starten, welche u. a. aktiv alternative Stadtrundfahrten zusammen mit dem Stadtjugendring betreut. Rechtsextremismus könne man nicht mit Linksextremismus bekämpfen, lautet die Begründung ihrer Hetzkampagne. Denen, die durch ihre Rechts-/Links-Gleichsetzungen den Eindruck vermitteln, der Bau der Gasöfen in den Vernichtungslagern der Nazis sei auch nicht schlimmer gewesen als der Bau einer Mauer in Berlin, sei gesagt: Faschismus war und ist keine Meinung, und schon gar keine, auf die man einen Rechtsanspruch hat. Faschismus – und das hat er mit 55 Millionen Toten, den zahllosen Opfern, darunter auch jenen hier in Birnau,  bewiesen – ist das organisierte Verbrechen.

Vergleiche, welche die Idee des Sozialismus, ja selbst das in der DDR begangene Unrecht, mittels dieser Extremismus-Titulierung auf die gleiche Stufe stellen, haben objektiv nur die Wirkung, unter anderem von der Vernichtung von Menschen durch Arbeit, wie es die Nazis nannten – wir stehen hier an einem Ort für ein schlimmes Beispiel dieses Prinzips – und vom damals wie heute herrschenden Recht des Stärkeren abzulenken.

Zugleich wird der Anschein erweckt, der deutsche Faschismus sei eben nur „eine Diktatur wie viele andere“ gewesen und nicht das schlimmste Verbrechen in der  Geschichte. Der größte deutsche Dichter des 20. Jahrhunderts, Berthold Brecht, den ich vorhin schon einmal zitierte, schrieb 1952:

„Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz.
Ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden ist fast noch geringer.
Diese Abgestumpftheit ist es, die wir zu bekämpfen haben.“

und Bert Brecht sagt weiter:

„Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen,
damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde!
Lasst uns die Warnungen erneuern,
und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind!“

Wir mahnen hier und heute, an diesem 8. Mai: Den massakrierten Geiselopfern von Sant’Anna di Stazzema in Italien, um nur eines von Hunderten Massakern der Nazi-Wehrmacht zu nennen; den in den Öfen von Auschwitz und den anderen Vernichtungslagern verbrannten Menschen; den in dem hiesigen Stollen schuftenden und gestorbenen Opfern eines Verbrecherregimes; den in der Atomhölle von Hiroshima zerschmolzenen Frauen, Kindern, Greisen; den europaweit wegen ihres Widerstands gegen den Faschismus Ermordeten aus allen Ländern; den unzähligen weiteren Toten, die der deutsche Faschismus in ganz Europa auf dem Gewissen hat; und den von Streubomben und Minen zerfetzten Kindern im Libanon, im ehemaligen Jugoslawien, in Afghanistan und im Irak: Ihnen allen können wir nur gerecht werden, wenn wir lauter als je zuvor, immer und überall in unserem Land sagen und verlangen:

Nie mehr und nirgendwo – weder Krieg noch Faschismus“

Bild: Heinz Hummler