G36 – Chiffre für üble Machenschaften
Das Sturmgewehr G36 kommt nicht aus den Schlagzeilen – täglich tauchen neue Vorwürfe, neue Verdächtigungen gegen den Oberndorfer Kleinwaffen-Hersteller Heckler & Koch und seinen Bestseller auf. Wer wirklich wissen will, was dahinter steckt, sollte bei dem Mann nachlesen, der die Affäre ins Rollen brachte: Bei Jürgen Grässlin (s. Foto) und in seinem neuen Buch „Netzwerk des Todes – die kriminellen Verflechtungen von Waffenindustrie und Behörden“.
Hinter dem zugegebenermaßen reißerischen Titel (dafür aber ist der Verlag zuständig) verbirgt sich die Dokumentation einer jahrelangen Recherche mit geheimen Treffs und mutigen Whistleblowers. Herausgekommen ist eine Sammlung vertraulicher Briefwechsel und geheimer Aktennotizen – sämtlich im Faksimiles veröffentlicht – voller skrupelloser, meist illegaler Rüstungsexportdeals von Heckler & Koch sowie anderen Kleinwaffen-Produzenten wie Sig Sauer und Carl Walther mit Mexiko und Kolumbien – und das mit Unterstützung der Rüstungsexportkontroll-Behörden oder/und der Bundesregierung.
Wie kommen deutsche Waffen in so großem Umfang immer wieder in die Hände verbrecherischer Regime, brutaler Paramilitärs und rivalisierender Bürgerkriegsparteien? Wen kümmern die deutschen Exportverbote? Wie schaffen es deutsche Waffenproduzenten auf der Jagd nach Profit, Gesetze und Vorschriften zu unterlaufen? Und wer hilft ihnen? Und wo und wohin fließt das Schmiergeld? Im „ Netzwerk des Todes“ findet man Antworten.
Grässlin, „Deutschlands bekanntester Rüstungsgegner“ (DIE ZEIT), und seine Mitautoren Daniel Harrich und Danuta Harrich-Zandberg belassen es in ihrem 380-Seiten-Buch nicht bei bloßer Kritik an deutschen Rüstungsexporten und ihren üblen Machenschaften. So wird die Rolle des CDU-Fraktionschefs im Bundestag, Volker Kauder, in dessen Wahlkreis Heckler & Koch beheimatet ist, enthüllt. Und auch FDP-Mann Ernst Burgbacher, ebenfalls für den Wahlkreis Tuttlingen zuständig und jahrelang Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, wird als Rüstungslobbyist entlarvt. Nicht die einzigen prominenten Personen, deren Verstrickungen mit der Rüstungsindustrie offen gelegt werden.
So beschreibt der Regisseur Daniel Harrich seine Arbeit an Filmen und TV-Features – „Meister des Todes“, kürzlich erst an einem ARD-Themenabend und im Dezember auch im Konstanzer Scala-Kino zu sehen – und selbst politische Botschaften der Friedensbewegung fehlen nicht.
Grässlin, in juristischen Scharmützeln (die er sämtlich für sich entscheiden konnte) erfahren, erwartet nach eigenen Aussagen mannigfaltige Gegenwehr der Beschuldigten. Dass solches Gerichtsgeschütz bisher nicht aufgefahren wurde, beweist die Qualität der Recherche in diesem Buch. Und die Notwendigkeit, sich in dieses Buch zu vertiefen.
hpk
Netzwerk des Todes – die kriminellen Verflechtungen von Waffenindustrie und Behörden, Heyne-Verlag, Paperback, 384 Seiten, 80 s/w Abbildungen, € 16,99 [D], € 17,50 [A], CHF 22,90.
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Ich schätze Grässlin und habe auch schon vor H&K gegen Waffenexporte demonstriert. Aber an der G36-Kampagne, dass sie ungenau sei, ist etwas faul. Soweit ich informiert bin, wird das Gewehr heiß, wenn man es zu lange im Dauerschuss-Modus betreibt, ein Modus, für den normalerweise andere (teurere) Gewehre vorgesehen sind. Die Prüfungen, die die schlechten Ergebnisse geliefert haben, sind aber anscheinend immer in genau diesem Modus durchgeführt worden. Genauer weiß ich’s nicht – nur scheint da etwas im Hintergrund gespielt zu werden, wovon wir in der Öffentlichkeit wieder nichts erfahren sollen. Es wäre wichtig, genauer nachzuforschen. Vor allem was geschieht mit den „ausgemusterten“ Gewehren? Werden die verschrottet oder heimlich in Krisengebiete geliefert, für die es Exportverbote gibt? Bei wem werden die Ersatzgewehre bestellt? Sind das die bessern, die für Dauerfeuer konstruiert sind? Hat man Gründe gesucht, um das G36 durch ein teureres ersetzen zu können?