Hämmerle packt seine Hammerliste aus

Da spätestens bis Jahresende auch die letzten Turnhallen im Landkreis Konstanz für Flüchtlinge gebraucht werden, sucht Landrat Frank Hämmerle (CDU) nach Alternativen. Und er wurde offensichtlich fündig für den Bau neuer Erstunterkünfte: Er benötigt zusätzlich Land und will nun eine lang gehegte Idee auf den Weg bringen. Auch weitgehend ungenutzte Glaubensstätten sehen einer neuen Verwendung entgegen. Die Betroffenen sind fassungslos.

Was im Landratsamt lange hinter verschlossenen Türen besprochen wurde, wird nun zügig umgesetzt. Die Flachwasserzone zwischen Klein Venedig und Stadtgarten soll aufgeschüttet werden, ließ Hämmerle bei einer Pressekonferenz die staunende Journalistenschar wissen: „Es geht nicht anders, sonst schaffen wir es nicht“, sagte der Landrat. Bis Mitte November müssen alle Boote aus dem Wasser und dann rücken die Bagger an. Mit Unterstützung ausgewiesener Spezialisten aus dem Mekongdelta sollen Pfahlbauten für insgesamt 2000 Flüchtlinge entstehen. Wird der Winter nicht zu hart, sind die jeweils für vier Personen ausgelegten Hütten ab März 2016 bezugsfertig.

Bund und Land bezuschussen das innovative Projekt mit rund zwei Millionen Euro. Hämmerle freut sich über seinen Coup: „Somit schaffen wir nicht nur Flüchtlingsunterkünfte, das Ganze wird auch interessant für Touristen , dann müssen die zum Pfahlbauglotzen schon nicht mehr ins stocklangweilige Unteruhldingen“. Und Hämmerle setzt noch einen drauf: „Wenn sich die Zeiten irgendwann wieder ändern, machen wir eine hochpreisige Ferienanlage draus“.

Die ansässigen Motorboot- und Segelsportverbände wurden kalt erwischt. „Wohin“, so Jochen Kladen, Präsident des Konstanzer Motoryachtclubs MYC, „sollen wir nun mit unseren Booten? Wenn das so weitergeht, dann ist das nicht mehr mein See und schon gar nicht mehr meine Stadt“. Schockstarre auch bei den Seglern, die gegen das Bauvorhaben eine einstweilige Verfügung erlassen wollen. Segelfunktionär Kunrad Blauschädl ist außer sich und verspricht: „Das wird Konsequenzen haben, da muss sich der Landrat aber ziemlich warm anziehen. Wenn der hier nur einmal auftaucht, wird er kielgeholt, und zwar längsschiff“. Für die Bauleitung des Vorhabens wurde übrigens der frühere Konstanzer Baubürgermeister Kurt Werner verpflichtet, wie Hämmerle stolz erklärte. „Das ist absolut der richtige Mann, der weiß, wie man direkt am See schnell und kostengünstig baut“.

Auch auf dem Festland war der quirlige Landrat bei der Suche nach zusätzlichen Unterkünften erfolgreich. Pünktlich zur Vorweihnachtszeit will er mindestens drei Kirchen beschlagnahmen lassen und dort nochmal etwa 500 Flüchtlinge einquartieren. Sein engster Mitarbeiter, Hugo Schwammhofer, hat nach monatelangen Recherchen herausgefunden, dass die meisten Gebetshäuser „sowieso leer stehen“. Schwammhofer denkt bereits über die Stadtgrenzen hinaus und hat im Landkreis weitere Gebetstempel ausfindig gemacht, die sich als Erstaufnahmelager geradezu anbieten.

„Da fallen doch schon die ersten Kreuze von der Wand“, scherzt der joviale Atheist aus einem Konstanzer Vorort. Das wiederum will der hiesige Dekan Kummert-Pellweg keinesfalls akzeptieren und ruft seine restlich verbliebenen Glaubensschwestern und -brüder zum kreisweiten Widerstand auf. Der altgediente Gottesmann wirkt durchweg ratlos und verzweifelt: „Ich habe es schon lange geahnt, das Böse ist immer und überall“.

H. Reile