Konstanzer Verwaltung verweigert Zahlen
Die Inflation von nicht nachvollziehbaren Gutachten, von der Verwaltung zumeist ohne Zustimmung des Gemeinderates in Auftrag gegeben, ist der eine Skandal. Die Weigerung der Stadtverwaltung, konkrete Kosten für solche Expertisen zu nennen, ist der noch größere Skandal. So geschehen in einer Vorlage für die Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am kommenden Donnerstag.
Auf einen fraktionsübergreifenden Antrag aus dem Gemeinderat, endlich die Kosten für die Unzahl von externen Gutachten zu benennen, reagiert die Stadtverwaltung mit einer schnöden 11-Zeilen-Antwort. Solche Schnodderigkeit verlangt eine ebenso arrogante Replik:
Die Inflation von Gutachten
Mit über 1400 Beschäftigten ist die Konstanzer Stadtverwaltung (nach der Universität) der zweitgrößte Arbeitgeber der Stadt. Da fragt man sich, warum so viele, so qualifizierte Leute die originären Aufgaben der Verwaltung und die Fragen an die Verwaltung (wie z.B. zum Baumbestand im Tägermoos oder zur Verkehrslage am Döbele-Kreisel oder zur Ansiedlung von Gewerbebetrieben) nicht aus eigener Kraft und Kompetenz beantworten können. Häufig genug keimt der Verdacht auf, man wolle sich in der Verwaltung hinter vermeintlichem, externen Sachverstand verschanzen, um eigene Entscheidungen nicht verteidigen zu müssen.
Die Gemeinsamkeiten der Gutachten …
… sind völlig intransparent. Niemand außer dem beauftragenden Behördenchef weiß, warum welcher Gutachter welche Expertise zu welchem Preis zugeschanzt bekommt. Wer kennt wen noch aus Studienzeiten, wer sitzt in welchem Beirat, von dem man sich noch persönliche Gegenaufträge erhofft, wer bestimmt die Qualifikation jenes Stadtplaners oder jenes Architekten? Der Verdacht keimt auf, dass da auch Seilschaften bedient werden, die der Öffentlichkeit verborgen bleiben sollen.
Die Kosten der Gutachten …
… können von der Kämmerei einfach nicht benannt werden, so die Verwaltung in ihrer dürren Antwort auf den Antrag der Fraktionen. Meine Güte, wer prüft in der Kämmerei eigentlich die Bankauszüge, wer weiß Bescheid über die Auszahlungen? Und warum können solche Überweisungen nicht benannt werden? Das würde „personelle Ressourcen binden“, jammert die Verwaltung. Aber, pardon, wozu sind die Kämmerer denn sonst da? Da keimt der Verdacht nach kollektiver Arbeitsverweigerung auf – womöglich von der Verwaltungsspitze verordnet. Aber warum wohl?
Die Geheimniskrämerei um die Gutachten …
… aber natürlich, im präzise bestimmten Einzelfall könne Auskunft gegeben werden, so die Verwaltung in ihrer nichts sagenden Vorlage. Aber nur in nicht öffentlicher Sitzung. Wo kämen wir denn hin, wenn alle Öffentlichkeit von der Vergabepraxis erführe? Auch da keimt ein Verdacht auf…
Wie man flüstern hört, kursiert derweil eine – nicht zur Veröffentlichung bestimmte – Liste ausgewählter Gutachter-Vergaben über Expertisen, die mehr als 10 000 Euronen verschlingen – das entspräche der Forderung der Fraktionen. Gut so. Und her mit den Zahlen.
P.S. Der Verweis der Verwaltung, aus Gründen des „Bieterschutzes“ müssten solche Angaben geheim bleiben, zieht nicht: Wie aktuelle Urteile belegen, findet Bieterschutz im Vergaberecht von Bauaufträgen beispielsweise seine Anwendung, aber nie und nimmer bei der Erteilung von Gutachter-Aufträgen – dagegen spricht schon die Originalität von Gutachten.
hpk
Gutachten werden täglich erstellt. Es gibt sinnvolle, weniger sinnvolle, unnütze. Nicht immer ist bereits bei der Erstellung erkennbar, wie weit ein Gutachten Vorteile bringt, sich also letztlich bewährt hat. Manche sind tatsächlich „objektiv Stuss“. Erkennbar ist jedoch, dass in der Regel eine Verwaltung bei bestimmten Fragestellungen weder die Verfahrensweise in der zu begutachtenden Sache beherrscht, noch die Zeit zu deren Erstellung zur Verfügung hat. Also wird der Auftrag an „Spezialisten“ vergeben. Wenn Student/Landtagskandidat S. Pschorr schon mal „…vielleicht Klüngel, Korruption und Intransparenz“ einwirft, stellt er etwas in den Raum, das reichlich plakativ daher kommt. Ob eine Verwaltung ihre Gutachtenbeschlüsse rechtmässig durchführt , und wie weit sie verpflichtet werden kann, Kosten für Expertisen zu nennen, sollte sich eigentlich regeln lassen, ohne dass beim ersten Versuch, etwas Klarheit in der Sache zu erwirken, gleich von „Skandal“ (hpk) geschrieben wird, fällt eine Antwort der Verwaltung nicht im erhofften Sinn aus. Politik ist nun mal zäh. Geht man nicht davon aus, sollte man keine eigenen politischen Ambitionen verfolgen.
Leider lädt der interfraktionelle Antrag die Verwaltung dazu ein, mit solch dürren Meldungen zu antworten, denn er ist unspezifisch und unbestimmt. Dennoch zeigt sich darin eine zunehmende Missachtung der Verwaltung gegenüber den gewählten Gemeinderäten.
Diese stehen vor der Herausforderung, ihre in der Gemeindeordnung niedergelegten Rechte aktiv zu nutzen und zu verteidigen. @frieda gibt einen guten, aber arbeitsamen Hinweis auf das Recht auf Akteneinsicht in der Gemeindeordnung. Es gibt im Übrigen auch eine Kommunalaufsicht beim Regierungspräsidium Freiburg.
Diese Instrumente nützen jedoch gar nichts, wenn der Gemeinderat seine eigenen Rechte aus der Hand gibt und seine eigene Entmachtung auch noch fördert. So hat der Haupt- und Finanzausschuss (HFA) zugestimmt, dass die Haushaltsberatungen für 2016 nicht wie bisher üblich auch in den Fachausschüssen stattfinden. Das bedeutet weniger Diskussion und weniger Öffentlichkeit, somit also weniger kommunale Demokratie. Dabei ist das Haushaltsrecht das Königsrecht aller gewählten Mandatsträger.
@ Gerd J. Moersch——-
Die Prüfberichte der Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg brauchen durch die Verwaltung interessierten Bürger/innen nicht zur Verfügung gestellt werden. Meines Wissens nicht einmal den Gemeinderäten, obwohl ich diese Information bis heute nicht glauben kann.
Ausführliche Berichte und Informationen aller Art (Anzahl der Musiker, Kosten aller Art, Bilanzsumme, Verlust oder Gewinn, Entwicklung des Betriebs usw.) über den Eigenbetrieb der Stadt Konstanz namens „Südwestdeutsche Philharmonie Konstanz“ finden Sie in den als pdf-Datei herabladbaren Haushaltsplänen der Stadt Konstanz, z.B. „Haushaltsplan 2015 – Band II“, ab Seite 616/617.
Besonders irritierend ist der Verweis der Stadt auf den Bieterschutz. Dieser wird durch die aktuelle Vergabepraxis der Stadt Konstanz durchgehend verletzt, indem im Gegensatz zur gesetzlichen Verpflichtung Vergaberecht bei der Auftragsvergabe unangewendet bleibt. Auch für Dienstleistungen (§ 99 III GWB, §§ 2, 4 VgV) gilt das europäische Vergaberecht, soweit die Schwellenwerte überschritten werden (in allen städtisch relevanten Bereichen 207000 € § 100 I GWB i.V.m. Art. 7 Vergabe-RL 2004). Unter Dienstleistungen ist hier auch die Erstellung von Gutachten zu verstehen.
Zugleich erscheint es unverständlich, wie in Fragen der Gutachtenerstellung den erfolgreichen Bietern ein Nachteil droht, wenn im Nachhinein ihr Preis veröffentlicht wird. Ein Gutachten ist ein Unikum, es richtet sich auf eine einmalig anfallende Frage, die so nie wieder zur Ausschreibung kommt. Es droht mithin nicht die Gefahr, dass ein Konkurrent bei der nächsten Ausschreibung des Preis von damals unterbietet. Ein tatsächlich zu berücksichtigender Bieterschutzaspekt stellte sich nur dann, wenn nicht nur der Gesamtpreis, sondern die vollständige Kostenkalkulation offengelegt würde – was höchstens in nichtöffentlicher Sitzung gegenüber den Gemeinderäten überhaupt in Frage kommt. Es geht hier vorliegend allein um die Publikation der Gesamtkosten. Dadurch ist niemand bedroht, außer vielleicht Klüngel, Korruption und Intransparenz.
Gruß
Simon Pschorr
Landtagskandidat Die Linke Konstanz
Des Brot ich ess, des Lied ich sing.. Diese alte Weisheit könnte die Hymne vieler Gutachter sein. Dienstleistungsrechnungen im Handwerk werden von Rechnungsprüfern akribisch untersucht, jede Möglichkeit zur Kürzung ausgenutzt. Mangelhafte Arbeit muß sofort nachgebessert werden. Für Folgeschäden haftet der Auftragnehmer. Ganz anders bei Gutachten. Die werden ungeprüft als Wahrheit angenommen und bezahlt. Seitenweises Abschreiben aus vorhandenen, bereits durch andere Auftraggeber bezahlter Gutachten ist „legitim und branchenüblich“ Wer es wagt Gutachten anzuzweifeln wird vom entsprechenden Gutachter als inkompetent hingestellt, wenn nicht gar mit Rufschädigungsklage bedroht.
Nach VOB muß ein Bauhandwerker sechs Jahre Garantie für ausgeführte Arbeit leisten. Wenn jedoch wirtschaftliche Schäden durch mangelhafte Recherchen und unrichtige Zahlen innerhalb von Gutachten entstehen, passiert gar nichts. Dann hat sich der Gutachter eben geirrt und irren ist ja
schließlich menschlich.
Kein Datenschutz auf höchster Ebene für uns Bürger, wenn um NSA oder BND geht. Immer wieder versteckt sich mit diesem einfachen Argument unsere Verwaltung hinter dem Schutzschild Datenschutz. So hatte ich nach dem Abschluss der Justizurteile, in Sachen hohe Verluste bei der Philharmonie, mich für den Bericht der Gemeindeprüfungsanstalt GPA interessiert, da ich als Bürger die Vorgänge in der Verwaltung auf Grundlage dieses Berichts näher verstehen wollte. Schließlich ging es auch um mein Geld, dass großzügig verbraten wurde, wobei die Verwaltung eine zweifelhafte Rolle spielte. Die Einsichtnahme wurde mir aus datenschutzrechtlichen Gründen verwehrt.
Ich kann hpk für diesen Beitrag beglückwünschen, denn das Gemauschel und Vertuschen aus Datenschutzgründen muss endlich ernsthaft auf dessen Rechtmäßigkeit überprüft werden, denn es kann doch nicht der Datenschutz immer wieder bei der Kontrolle der Verwaltung das beste Abwehrschild und das einfachste Argument sein.
Wieso können OB und Verwaltung den Antrag einfach ablehnen bzw. meinen, sie könnten das? In der baden-württembergischen Gemeindeordnung heisst es in § 24, Abs. 3 (unter dem Titel: Gemeinderat/Rechtstellunf und Aufgaben): “Ein Viertel der Gemeinderäte kann in allen Angelegenheiten der Gemeinde und ihrer Verwaltung verlangen, dass der Bürgermeister den Gemeinderat unterrichtet, und dass diesem oder einem von ihm bestellten Ausschuss Akteneinsicht gewährt wird. In dem Ausschuss müssen die Antragsteller vertreten sein.” Es heisst „in allen Angelegenheiten“ und nicht „in Angelegenheiten, die wenig Arbeit machen“ oder „in Angelegenheiten, auf die der OB gerade Lust hat“. Ausserdem: Wenn die Verwaltung nicht im Stande ist, zusammenzustellen, wieviel Geld sie für externe Gutachten ausgibt, sollte man ihr sofort die Rechnungsprüfung auf den Hals hetzen, denn sie gibt ja zu, dass sie die Buchhaltung nicht im Griff hat.
1) Ein solcher Artikel müsste nicht „nur“ in seemoz erscheinen, sondern im Interesse aller Konstanzer und weit darüber hinaus, wortgleich in die regionale Presse übernommen werden.
2) Da bei der Stadt Konstanz – höchst wahrscheinlich – alle diesbezüglichen Aufwendungen über die Kostenstelle „44294000 Rechts- und Beratungskosten“ laufen, würde die blosse Nennung der Gesamtsumme auf dieser Kostenstelle durch die für das Rechnungswesen/für die Buchhaltung zuständigen Mitarbeiter bei der Stadtverwaltung Konstanz guten Aufschluss darüber geben, auf welche Summe sich die jährlichen Gesamtkosten für Rechts- und sonstige Beratung belaufen.