BUND gegen Mieterbund: Runde zwei im Streit um Baugrund und effektiven Wohnungsbau in Konstanz

Das lässt sich der BUND nicht zweimal sagen: In einem Offenen Brief antwortet der örtliche BUND-Vorstand auf die Vorwürfe, die der Mieterbund Bodensee vorgestern auf seemoz gegen die Naturschützer erhob. Von „Polemik“ und von „Unterstellungen“ ist die Rede – doch lesen Sie den Brief im Wortlaut:

„Sehr geehrter Herr Weber, sehr geehrter Herr Kropp,
es ist sehr schade, dass Sie sich im Namen des Mieterbunds zu einer derart polemisierenden Stellungnahme zu unseren Vorschlägen hinsichtlich des sparsamen Flächenverbrauchs hinreißen lassen haben. Diese entbehrt zum großen Teil jeglicher Grundlage und arbeitet mit Unterstellungen, Anschuldigungen und Annahmen zu Forderungen, die wir so nicht gestellt haben. Genau dieses Ausspielen zwischen sozialen Belangen und Naturschutz will der BUND nicht! Soziale und Naturschutzbelange stellen in unseren Augen keinen Gegensatz dar, denn ein lebenswertes Umfeld ist für die Menschen genauso wichtig wie ausreichender Wohnraum. Beide Ziele stehen gleichwertig nebeneinander und bedingen sich gegenseitig. Sie schreiben:

1. „Wer mehr Hochhäuser fordert, muss sagen, wo sie gebaut werden sollen“, erklären die Vorstandsmitglieder des Deutschen Mieterbunds Bodensee, Herbert Weber und Winfried Kropp, zur Kritik des Bunds für Umwelt- und Naturschutz (BUND) an Vorschlägen für einen neuen Stadtteil, die gestern auf seemoz veröffentlicht worden war.“

Der BUND fordert keine Hochhäuser, sondern neue Konzepte im Geschosswohnungsbau, so wie sie in anderen Städten mit gleicher Problematik (z.B. Freiburg, Tübingen) seit langem erfolgreich umgesetzt werden. Diese Konzepte sparen nicht nur Flächen, sondern auch Energie und Kosten. Sie stärken das soziale Miteinander zwischen den Generationen und fördern Familien und Einkommensschwache.

Die Frage nach dem „Wo“ muss die Stadtplanung beantworten. Im Handlungsprogramm Wohnen wurden bereits 110 ha als Bauland überplant. Es besteht deshalb keinerlei Notwendigkeit, darüber hinaus den Stadtwald zu roden oder artenreiche Streuobstwiesen zu betonieren. Die vorhandenen Flächenreserven reichen aus, den Bedarf in Konstanz über Jahre zu decken. Dazu ist es allerdings notwendig, Flächen sparend zu bauen. Auch von der Landesregierung wird dies gefordert http://mvi.badenwuerttemberg.de/de/planen-bauen/flaechenmanagement/. Selbst kurzfristig stehen der Stadt eigene Flächen aus dem Handlungsprogramm Wohnen zur Verfügung. Der Flächenankauf im Marienweg läuft erfolgreich, und die Christianiwiese sowie die Egger Wiese sind ebenfalls vollständig im Eigentum der Stadt.

2. Sie werfen dem BUND vor, alle Vorschläge für den Wohnungsbau abzulehnen und damit zu einem „Wohnungsbauverhinderer“ ersten Ranges zu werden. Der Umweltverband sei mittlerweile unglaubwürdig, weil er sowohl Neubaugebiete ablehne als auch die Nachverdichtung im Innenbereich kritisiere. So werde Umweltpolitik zum „Wohnungsbauverhinderer“ missbraucht, so Weber.

Der BUND hat in seiner Stellungnahme zum Handlungsprogramm Wohnen nicht den Wohnungsbau an sich kritisiert, sondern das „Wie“ in Frage gestellt. 5000 Wohneinheiten entsprechen bei Geschosswohnungsbau nur ca. 20 ha, während 5000 Wohneinheiten bei Einfamilienhaus Bebauung ca. 125 ha verschlingen. Ausufernder Flächenverbrauch ist nicht den Umständen, sondern der Fehlplanung der Stadt geschuldet!

Einfache Steuerungsinstrumente könnten den Flächenverbrauch minimieren:
• Erhöhung der Geschossflächenzahl
• Ausschließlich mehrgeschossiges Bauen
• Anteil der Wohneinheiten mit Mietpreisbindung massiv erhöhen
• Verlängerung der Mietpreisbindung für private Investoren auf größer als 30 Jahre
• Investitionsanreize für private Bauherren schaffen
• Sozialer Wohnungsbau durch die Wobak
• Langfristiger Erhalt der städtischen Wohnungen mit Mietpreisbindung
• Förderung / Anreize für genossenschaftlich organisierten Wohnungsbau.

Weitere von uns vorgeschlagene, konkrete Steuerungsinstrumente finden Sie in unserer Stellungnahme zum Handlungsprogramm Wohnen.
http://www.bund-konstanz.de/themen/stadtentwicklung/stellungnahmen-2014/

3. Damit trage auch der BUND Mitverantwortung für die sprunghafte Mietpreisentwicklung, die Normalverdiener nach und nach aus Konstanz dränge.

Da der BUND den sozialen Wohnungsbau nicht verhindert und auch in der Vergangenheit nicht behindert hat, ist er in keinster Weise für die Mietpreisentwicklung verantwortlich. Die politische Verantwortung trägt der Gemeinderat, dessen Mitglied Herr Weber seit Jahren ist, sowie der Mieterbund, dessen ureigenste Aufgabe es gewesen wäre, sich noch mehr für den sozialen Wohnungsbau in Konstanz stark zu machen.

4. Zum sozialen Wohnungsbau mache der BUND keinerlei umsetzbaren Vorschläge, ergänzt Winfried Kropp. So gebe es derzeit keine Förderprogramme, die Mietpreisbindungen von 30 Jahren vorsehen.

Umso wichtiger ist es, dass die Stadt die Verantwortung übernimmt. Die Bundesregierung arbeitet gerade an einem Konzept, das steuerliche Anreize für den sozialen Wohnungsbau setzt. Es ist nicht Aufgabe eines Naturschutzverbands, sich für sozialen Wohnungsbau oder für genossenschaftlich bzw. selbstorganisierten Wohnungsbau stark zu machen, sondern dies ist Aufgabe des Mieterbunds und der gewählten Gemeinderäte – auch, sich über entsprechende Erfahrungen in anderen Kommunen kundig zu machen.

5. Die Forderung, die WOBAK solle sozialen Wohnungsbau betreiben, laufe ins Leere. Denn das städtische Unternehmen baue regelmäßig neue Sozialwohnungen. Zudem biete die WOBAK ihre nichtpreisgebundenen Wohnungen unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete an. „Ohne Baugrundstücke gibt es auch keine Sozialwohnungen,“ stellt Kropp fest.

Die Stadt muss sich in Zeiten großer Wohnungsnot und Flüchtlingskrise über die Wobak noch mehr für den sozialen Wohnungsbau engagieren. Das bedeutet explizit, dass man Geld dafür in die Hand nehmen muss. Die Gegenfinanzierung über hochpreisigen Wohnungsverkauf darf in Zeiten von Flächenknappheit nicht so weiter betrieben werden. Im Handlungsprogramm Wohnen ist ein Anteil von 25% für Wohnungen mit Mietpreisbindung für einen Zeitraum von nur 10 Jahren vorgesehen. Dieser Anteil sollte, wie in anderen Städten (z.B. Freiburg) bereits geschehen, auf mindestens 50 % erhöht werden. Außerdem muss sichergestellt werden, dass in 10 Jahren, wenn die Mietpreisbindung ausläuft, die Wohnungen auch weiterhin den Mietern zur Verfügung stehen. Alternativ kann man darüber nachdenken, die Mietpreisbindung zu verlängern. Konstanz kann nicht noch einmal 110 ha Land zur Verfügung stellen. Deshalb ist die Frage nach den Grenzen des Wachstums durchaus berechtigt. Das Konzept, den Markt von oben mit hochpreisigen Wohnungen aufzufüllen und auf Sickereffekte nach unten zu hoffen, kann in Konstanz nicht funktionieren.

6. Nur in einem Punkt stimmen die beiden Mietervertreter dem Umweltverband zu: Bauland sei in Konstanz zu wertvoll, um in großer Zahl bloß Einfamilienhäuser zu errichten. Allerdings sei dies weder im Handlungsprogramm Wohnen noch im Vorschlag der SPD für das Baugebiet im Schwaketen vorgesehen. Daher werfe der BUND mit dieser Forderung „Nebelkerzen ins Ulmisried“.

Diese Aussage ist falsch. Im Handlungsprogramm Wohnen sind in jedem geplanten Baugebiet auch Einfamilienhäuser und Reihenhäuser vorgesehen. Auch Herr Weber fordert am 12.11.15 im Südkurier: „In dem neuen Quartier soll es vom Reihenhaus bis zur Gemeinschaftsunterkunft alles geben.“ Eine konsequent flächensparende Bauweise käme mehr Menschen mit normalen und niedrigen Einkommen zugute.

Schlussbemerkung zur von Ihnen favorisierten Waldrodung: Das Ansinnen, Einkommensschwache und Flüchtlinge an den Stadtrand auf die Streuobstwiese und in den Wald auszulagern, halten wir für befremdlich und grundsätzlich falsch. Der BUND ist bunt. Auch als Naturschutzverband setzen wir uns seit Jahren mit verschiedenen Projekten für sozial Benachteiligte ein, vor allem in der Umweltbildung, beim Foodsharing, beim Urban Gardening uvm. Wir fordern eine stärkere soziale Durchmischung durch neue Wohnkonzepte auf zur Verfügung stehenden Flächen im Handlungsprogramm Wohnen. Die Flüchtlinge gehören in die Mitte der Gesellschaft und nicht ins Ghetto.

Nach dem Waldgesetz § 9 dürfte Wald nur mit Genehmigung der Oberen Forstbehörde nach vorhergehender Umweltverträglichkeitsprüfung umgewandelt werden. Im Gesetz heißt es: „Die Genehmigung soll versagt werden, wenn die Umwandlung mit den Zielen der Raumordnung und Landesplanung nicht vereinbar ist oder die Erhaltung des Waldes überwiegend im öffentlichen Interesse liegt, insbesondere wenn der Wald für die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, die forstwirtschaftliche Erzeugung oder die Erholung der Bevölkerung von wesentlicher Bedeutung ist.“ Der Wald zwischen Sonnentauweg, Ulmisried und GSS erfüllt wichtige Funktionen als Klimaschutzwald, als Erholungswald und als Immissionsschutzwald. Er beherbergt außerdem geschützte Arten, wie den Eremiten, den Schwarzspecht und den Rotmilan. Er kann deshalb nur dann umgewandelt werden, wenn keine anderen Flächen zur Verfügung stehen. Dies ist bei 110 ha zur Verfügung stehendem Bauland nicht der Fall. Außerdem müssten in der Nähe 25 ha Wald nachgepflanzt werden. Auch dies dürfte in Konstanz schwierig werden.

Der BUND Konstanz sieht sich nicht ausschließlich der Natur, sondern auch dem Wohl der Menschen verpflichtet. Zum Wohl der Menschen gehört auch ein lebenswertes Wohnumfeld mit grüner Infrastruktur, Erholungs- und Freiflächen sowie der umliegenden Natur. Für diese Ziele setzen wir uns ein. Es gibt kein Gegeneinander von Mensch und Natur – es gibt nur ein Miteinander!

Gerne sind wir für ein Fachgespräch bereit.

Der Vorstand des BUND Konstanz:
Heidrun Horn, Wolf-Rainer Hentschel, Karl-Ulrich Schaible, Christine Emmrich, Tobias Klein, Florian Dolle, Christine Giele, Verena Faustein