Bürgerinitiative Schwaketenwald wehrt sich gegen „eine Stadtentwicklung mit der Brechstange“
Rechtzeitig vor der Gemeinderatssitzung am Donnerstag mahnt die „Bürgerinitiative Schwaketenwald“‘ in einem Offenen Brief an den OB und alle Konstanzer Gemeinderatsfraktionen einen vorsichtigen Umgang mit der „grünen Lunge Schwaktetenwald“ an. Die Initiative – schon auf der Protestveranstaltung (s. Foto) aktiv – formuliert außer ihrer Kritik zudem konkrete Schritte zu einem Wohnungsbauprogramm, das diesen Namen auch verdient. Im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Fraktionsmitglieder des Konstanzer Gemeinderates,
wir sind die Sprecher einer Bürgerinitiative, die sich aufgrund der aktuellen kommunalpolitischen Überlegungen, einen Großteil des Schwaketenwaldes zu Bauzwecken abzuholzen, gebildet hat und ständig weiteren Zulauf hat. Die Empörung über die plumpe, an Konzepten des vorigen Jahrhunderts orientierte Vorgehensweise in einem sensiblen Gebiet ist groß und wächst ständig.
Wir halten es für falsch, Stadtentwicklung mit der Brechstange zu betreiben und eines der letzten verbliebenen Waldstücke im Konstanzer Stadtgebiet zu opfern, weil es die dafür Verantwortlichen über viele Jahre versäumt haben, für ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Diese Form der Stadtentwicklung ist eine nicht durchdachte Form der Vernichtung von Lebensqualität, die städtebaulich wie auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten nicht mehr zeitgemäß ist und zudem den erst kürzlich beschlossenen Leitlinien der Stadt widerspricht. Stadtplaner in anderen Städten haben sich längst von derartigen Konzepten verabschiedet. Die aktuellen Verantwortlichen haben zwar ein Programm vorgelegt, das aber dem Vernehmen nach vor allem deshalb nicht vorankommt, weil die Stadt den Bürgern, die ihre Grundstücke zur Verfügung stellen, keine marktüblichen Preise zahlen will. Es ist also eine schlichte Behauptung, dass das Gebiet Schwaketen die einzige Alternative sei und man nun sehr schnell in die Planung müsse.
Wir fordern die Stadträte auf, Ihr Mandat dazu zu nutzen, übereilte, intransparente Vorentscheidungen abzulehnen und vor einem städtebaulichen Wettbewerb für einen transparenten, qualitativ hochwertigen Prozess zu sorgen. Die stille Vorverlegung der Beschlussfassung von Januar auf Dezember ist ein Indiz, dass die Stadtverwaltung versucht, möglichst schnell Fakten zu schaffen, ohne die Bürger angemessen zu beteiligen. Die Sitzungsunterlagen sind bisher im online Bürgerinformationssystem nicht einsehbar.
Wir fordern einen städtebaulichen Wettbewerb über alle in Frage kommenden Gebiete und fordern die Räte und Rätinnen auf, sich gegen eine überhastete Beschlussfassung auszusprechen.
Die Gründe, die in der Initiative vorgebracht werden, sind die folgenden:
Zusätzlicher Dichtestress, Verkehrsinfarkt: Konstanz muss nach der Ansicht vieler Konstanzer Bürger keine Mega-City mit Großstadtphänomenen werden. Die aktuelle Form der Stadtentwicklung aber beschleunigt z.B. die in vielen Vierteln bereits bestehende Verkehrsbelastung und den Dichtestress der Bürger der Stadt. Die Stadtinfrastruktur ist längst überlastet. Diese Art der Entwicklung spiegelt sich in „dm-Markt ersetzt Programmkino“. Das Bauvorhaben gießt Öl ins Feuer, denn die Menschen, die hier siedeln sollen, müssen sich bewegen und auch „ihre“ Stadt nutzen können. Und: Die Bürger von Petershausen-West haben in den letzten Jahren bereits die größte Last der Stadtentwicklung getragen.
Naturschutz, wenig intelligente Stadtentwicklung, die Stadt als Spekulantin: Unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes ist das Vorhaben inakzeptabel: Die Fläche Schwaketen ist ein absolut schützenswertes Naherholungsgebiet mit seltenen Tieren, altem Eichen- und Buchenwald, es ist eine unverzichtbare grüne Lunge am Stadtrand. Im Landkreis wird bereits massiv geholzt für die B33. Durch die Westtangente etc. ist bereits viel Natur vernichtet worden. Wald abzuholzen kann immer nur die Ultima Ratio sein. Solange die Stadt ihr eigenes Programm nicht umsetzt, weil sie z.B. den Grundbesitzern im Hafner Preise unterhalb des Wertes bietet, weil sie den Gewinn des Baulandes selbst machen will, gibt es aber gar keine Situation der Ultima Ratio, die es rechtfertigen würde, Wald abzuholzen. Die Stadt hat ihrer Pflicht, darzulegen, dass dieser Fall vorliegt und sie ihre Hausaufgaben vollständig gemacht hat, aus Sicht der Bürgerinitiative allenfalls im Ansatz erfüllt.
Das Projekt widerspricht zudem dem Leitbild des verabschiedeten Stadtentwicklungsplans (STEP) (http://www.konstanz.de/umwelt/01029/01065/03251/index.html) diametral: In einer Stadt mit hoher Lebensqualität in einer sensiblen Landschaft sind derartige Maßnahmen ein stadtplanerischer Offenbarungseid. Sie sind der Versuch, die Herausforderungen von morgen mit den Konzepten von gestern zu bewältigen. Alibiveranstaltungen zur Stadtentwicklung und angebliche Hilflosigkeit im Fortkommen mit dem „Handlungsprogramm Wohnen“ schaffen kein Vertrauen in die Verwaltung hinsichtlich ihrer Gestaltungsfähigkeit zu nachhaltiger Stadtentwicklung. Es entsteht vielmehr der Eindruck, dass die Verwaltung die Gunst der Stunde nutzen will, um schnell und hinter verschlossenen Türen Fakten zu schaffen.
Recht, Bürgerbeteiligung, Transparenz: Die (umwelt-)rechtliche Lage ist so, dass es in absehbarer Zeit keine Möglichkeiten der Projektierung gibt. Dass diese Maßnahme in irgendeiner Art und Weise schnelle Lösungen bietet (was als Hauptargument für das Projekt vorgebracht wurde) ist also unrichtig. Es sollte allen bewusst sein, dass das forstrechtliche Planungsverfahren und ggf. nachfolgende rechtliche Auseinandersetzungen ein schnelles Bauen unmöglich machen werden. Die erforderlichen Ersatzflächen existieren nach Kenntnis der Initiative nicht, es scheint also wenig sinnvoll, vor der Klärung dieser Frage Steuergelder für Planungen auszugeben.
Würde dies doch getan, stellt sich die Frage, warum ein kostspieliger Prozess in Gang gesetzt wird, welcher rechtlich nicht abgesichert ist. Wir kündigen hiermit an, dass wir alle zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel prüfen werden, um diese Form des einfallslosen, nicht nachhaltigen Städtebaus auf Kosten der Menschen und der Umwelt zu verhindern.
Da die grün-rote Koalition Anfang Januar auch für Baden-Württemberg ein Informationsfreiheitsgesetz verabschieden wird (http://www.badenwuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/kabinett-verabschiedet-gesetz-zurinformationsfreiheit-zur-einbringung-in-den-landtag-1/), werden auch in diesem Verfahren keine Vorgänge mehr intransparent bleiben können. Um die Transparenz des Handelns der Stadtverwaltung sicherzustellen, wird angestrebt, zusätzlich zu diesen Auskunftsrechten eine für alle Bürgerinnen und Bürger zugängliche Online-Plattform zur Berichterstattung einzurichten, damit für jedermann dauerhaft nachvollziehbar wird, wie die einzelnen Mandatsträger handeln und ob Interessenkonflikte der handelnden Personen bestehen. Somit wird eine zusätzliche, unabhängige Informations- und Diskussionsplattform eröffnet.
Verkehr: Es gibt weder direkte leistungsfähige Verkehrswege zwischen dem Gebiet und der Stadt noch eine sonstige naheliegende Infrastruktur. Da die Stichstraßen von der Stadt aus in das Gebiet nicht ausgebaut aber auch nicht rückgebaut werden können, wird der ohnehin schon intensive Schleichverkehr durch die Wohnviertel potenziert. Damit verschärft die Verwaltung bereits bestehende Verkehrsprobleme auf dem Rücken der Petershausener und der Wollmatinger: Es gibt keine Zufahrten zu diesem Stadtteil, die nicht den Verkehrsinfarkt in anderen Stadtteilen auslösen. Buhlenweg, Riedstraße, Sonnentauweg, Stockackerweg, Schleyerweg, Schwaketenstraße, Taborweg, Friedrichstraße leiden schon jetzt unter starkem Durchgangs- sowie Ziel und Quellverkehr. Die Straßen sind nicht weiter ausbaubar. In Wollmatingen führt das zu einer weiteren Belastung, obwohl das Gegenteil angestrebt wird. Wer aus diesem Viertel in die Stadt oder ins Industriegebiet will, muss durch enge Wohnviertel mit Schulen und Kindergärten.
Forderungen
Wir fordern, dass es vor der Beschlussfassung zu bestimmten Gebieten und Vorgehensweisen zunächst einen – ergebnisoffenen – Bürgerdialog gibt, in dem die Stadtverwaltung beauftragt wird, zunächst alle Alternativen an Baugebieten und ihre Voraussetzungen offenzulegen und diese nach gemeinsam mit den Bürgern definierten Kriterien zu bewerten, bevor über Entwicklungspläne für ein bestimmtes Gebiet Beschlüsse gefasst werden. In diesem Dialog müssen die Kriterien der nachhaltigen Stadtentwicklung genauso zur Geltung kommen, wie die Interessen von Wirtschaft, Bewohnern und potentiellen Neubürgern. Erst dann kann über städtebauliche Wettbewerbe für einzelne Gebiete entschieden werden.
Wir fordern, dass Wald- und Naherholungsgebiete wie z.B. Hörlepark, Lorettowald, Schwaketenwald oder andere Naturgebiete immer erst dann einer Planung unterzogen werden dürfen, wenn die bekannten Brachen oder Gewerbeflächen mit Leerständen genutzt sind.
Wir fordern, dass die Stadt vor jeder weiteren Aktion im Detail darlegt, warum sie mit ihrem Handlungsprogramm Wohnen angeblich nicht vorankommt, insbesondere zu welchen Preisen sie versucht hat, Grund zu erwerben, wieviel % sie in den jeweiligen Gebieten bereits besitzt, welche Preise sie geboten und zu welchen Preisen sie bereits gekauft hat und warum sie ihre Vorgehensweise in diesem Programm nicht so anpasst, dass sie damit erfolgreich ist.
Kontaktadresse: Buergerinitiative-Konstanz@gmx.de
Robert Küssel/Daniela Göpfrich
Konstanz, den 13.12.2015
Also zu dieser Schwaketenwaldidee mag man ja stehen wie man will, aber das Argument „Solange die Stadt ihr eigenes Programm nicht umsetzt, weil sie z.B. den Grundbesitzern im Hafner Preise unterhalb des Wertes bietet, weil sie den Gewinn des Baulandes selbst machen will“ finde ich hanebüchen und zuteifst neoliberal und völlig verdreht. Hier spekulieren einige Menschen schon seit Jahren und Jahrzehnten und auf einen Leistungslosen Wohlstand (denn die Umwidmung einer Fläche erfordert genau keine Leistung von den Eiegntümern), in dem das Land zu Bauland erklärt wird. Die Idee, die Stadt (d.h. wir alle) sollte die absurden geforderten Preise zahlen und damit einige Privatleute unverschämt reich machen, ist zutiefst neoliberal und unsozial.Da lobe ich mir den Vorschlag der FGL, das Gebiet zur städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme zu erklären, um die Eigner zum Verkauf der Flächen zum gegenwertigen Preis zu zwingen. Reich genug werden die damit immer noch und die Stadt kann das gesparte Geld dann in das neue Stadtviertel stecken anstatt Privatleuten in den Rachen zu werfen.