Pro und Contra zur Schwaketenwald-Bebauung

Die Konstanzer Umweltverbände BUND und NABU sprechen sich gegen eine Bebauung weiterer Naturflächen aus. Viele der Argumente, die für eine Bebauung des Schwaketenwaldes angeführt werden, erweisen sich nach Meinung der beiden Geschäftsführer Boll und Klein als wenig stichhaltig. Die Gegenüberstellung von Pro und Contra im Wortlaut:

Wir fordern die Stadt auf, ein nachhaltiges Wohnraumkonzept für die nächsten 50 bis 100 Jahre zu entwickeln, den Flächenfraß zu stoppen und den Schwaketenwald zu erhalten. Für konsequenten, sozialverträglichen Geschosswohnungsbau müssten keine weiteren Naturflächen geopfert werden. Die vorhandenen Flächen im Handlungsprogramm Wohnen sind mehr als ausreichend. Sie müssen nur besser ausgenutzt und anders vermarktet werden.

Angeführte Argumente für die Bebauung des Schwaketenwalds Tatsächlich aber …
Alternativlos. Es wird behauptet, der Wald sei die einzige zur Verfügung stehende Fläche im Besitz der Stadt. Richtig ist: Mindestens drei Flächen im Handlungs­programm Wohnen befinden sich ebenfalls im Besitz der Stadt: Christianiwiesen, Marienweg und Egger Ortswiese. Letztere muss sogar im zeitlichen Zusammenhang mit dem Flüchtlingsheim auf der Streuobstwiese bebaut werden, da sonst die Genehmigung für letzteres hinfällig wird. Diese drei Flächen befinden sich innerhalb oder angrenzend an die bestehende Bebauung und stehen tatsächlich unmittelbar zur Verfügung. Eine soziale Durchmischung in den Stadtteilen ist in allen drei Flächen in hervorragender Weise gegeben.
Kurzfristig. Es wird behauptet, der Schwaketenwald stehe kurzfristig zur Bebauung zur Verfügung, da hier kein Landkauf durch die Stadt erfolgen muss. Richtig ist: Vor der Umwandlung eines Waldes zu Bauland hat der Gesetzgeber ein umfangreiches Raumordnungsverfahren (Belang des Regionalen Grünzugs), ein Bauleitplanverfahren (Änderung des Flächennutzungsplans + Aufstellung eines Bebauungsplans) und in diesem Zuge ein anspruchsvolles Waldumwandlungsverfahren vorgesehen. Denn im Zuge der Bauleitplanung ist § 10 LWaldG von besonderer Bedeutung: Danach ist eine Zustimmung der höheren Forstbehörde zwingend erforderlich. Vom Vorhabenträger ist eine Bedarfsbegründung, eine Alternativenprüfung und eine forstrechtliche Eingriffs- Ausgleichsbilanzierung vorzulegen. Darüber hinaus ist bei der im Raum stehenden erheblichen Größe der Waldinanspruchnahme von über 20 ha eine forstliche Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Dabei sind weitere Umweltbelange wie Artenschutz, Naturschutz, Klimaschutz, Emissionsschutz zu berücksichtigen. Im Sinne eines funktionalen Ausgleichs sind Ausgleichsmaßnahmen (flächengleiche Aufforstungen im Nahbereich des Eingriffs) umzusetzen. 25 ha Aufforstungsflächen stehen in unmittelbarer Nähe jedoch nicht zur Verfügung (sonst könnten an Stelle des Waldes auch diese bebaut werden). Erst nachdem es gelungen ist die Waldumwandlungserklärung der Höheren Forstbehörde zu erlangen ist die Aufstellung eines Bebauungsplan denkbar, was weitere Zeit in Anspruch nehmen wird. Insgesamt ist ein Planungsvorlauf von mindestens 5-10 Jahren realistisch, falls Anwohner oder Verbände den Klageweg beschreiten noch länger.
Wertlos. Es wird behauptet, beim Schwaketenwald handele es sich um einen relativ wertlosen Wald aus Fichtenstangen. Richtig ist: Besonders der Südhang besteht aus einem wertvollen, naturbelassenen Wald mit hohem Totholzanteil und großer Artenvielfalt. Es handelt sich um einen Mischwald der einen hohen Anteil alter, wertvoller Eichen und Buchen-Naturverjüngung aufweist. Im Gebiet wurden mehrere geschützte Arten nachgewiesen: u. a. Ringelnatter, Blindschleiche, Eremit, Hirschkäfer, Rotmilan, Schwarzspecht. Der Wald ist von der Forstwirtschaft als Erholungswald der höchsten Kategorie, als Klimaschutzwald und Immissionsschutzwald eingestuft.
Günstiges Bauen für Gering­verdiener. Es wird behauptet, im Gebiet könnte Wohnraum für Geringverdiener entstehen. Richtig ist: Der Schwaketenwald ist als Bauland schlecht geeignet. Beim Schwaketenwald handelt es sich um einen eiszeitlichen Drumlin aus Geschiebemergel. Er hat an der Südflanke eine Steigung von durchschnittlich 35%, an der Nordflanke von mehr als 20%. Bei einer Bebauung müsste man durch Erdanker und andere sehr teure Hangsicherungsmaßnahmen sicherstellen, dass es nicht zu Erdrutschen kommt. Außerdem könnten keine Tiefgaragen gebaut werden. Zusätzlich ist mit drückendem Hangwasser zu rechnen, was wiederum die Bausumme extrem verteuert. Aufgrund dieser Gegebenheiten ist ein kostengünstiges Bauen für Geschosswohnungsbau und Geringverdiener wenn überhaupt nur in sehr begrenzten Teilbereichen z.B. oben auf der Kuppe möglich. Auch Verkehrserschließung und Kanalbau etc. wird sich wegen des schwierigen Untergrunds als teurer erweisen. Daher kann man davon ausgehen, dass sich das Gebiet in erster Linie für hochpreisige Einfamilienhäuser eignen wird. Der flachere Bereich im Norden angrenzend an die Schwaketenstraße ist ebenfalls zur Bebauung nur wenig geeignet, da er extrem feucht ist. Auch hier müsste mit drückendem Wasser gerechnet werden. Außerdem verläuft eine Hochspannungstrasse am Gebiet.
Gut erschlossen. Es wird behauptet, das Gebiet sei verkehrstechnisch gut erreichbar. Richtig ist: Die Anbindung an das bestehende Netz ist problematisch: Die Erschließung durch die angrenzenden Wohngebiete ist nicht zielführend. Eine Anschließung über die Schwaketenstraße führt zu mehr Verkehr in Wollmatingen, was man unlängst durch den Umbau der Ortsdurchfahrt verhindern wollte. Die Verkehrsberuhigung in Wollmatingen ist aber einklagbare Bedingung der Planfeststellung der Westtangente.
Größe. Es wird behauptet, auf 25 ha entstünden 1000 Wohneinheiten für Geringverdiener. Richtig ist: Auf Grund der Topografie ist davon auszugehen, dass statt der geplanten 1000 WE für Geringverdiener höchstens 300 WE realisiert werden können, mehr als ein Drittel davon im hochpreisigen Einfamilienhausbereich.
Infrastruktur. Es wird behauptet, es müsse keine zusätzliche soziale Infrastruktur gebaut werden. Richtig ist: Die bestehenden Einrichtungen in der Umgebung haben schon jetzt Kapazitätsprobleme. Im Gebiet müssen weitere infrastrukturelle Maßnahmen erfolgen wie Kitas, Schule, Einkaufsmöglichkeiten uvm.

Im Handlungsprogramm Wohnen wurden entgegen dem Votum der Umweltverbände mit einem Schnellschuss 110 ha für Wohnbauzwecke „aus dem Hut gezaubert“. Diese haben sich bereits heute, keine zwei Jahre später, als weitgehend untauglich für die Zielsetzung erwiesen: das Schaffen von bezahlbarem Wohnraum. Dieser Aufgabe kommt die Stadt nur unzureichend nach.

Durch das Bauträgergeschäft und hochpreisigem Verkauf von Bauland durch die Stadt wurde vor allem hochpreisiger Wohnraum geschaffen – die Wartelisten der Wobak aber wurden länger statt kürzer. Die im Handlungsprogramm Wohnen prognostizierten Sickereffekte traten nicht ein. Es wäre ein gravierender Fehler, einfach so weiter zu machen und jetzt im Eiltempo 25 ha Schwaketenwald zu opfern, nur um hinterher wieder feststellen zu müssen: Der Wald ist vernichtet, aber günstiger Wohnraum bleibt in Konstanz Mangelware.

Deshalb muss ein nachhaltiges Wohnraumkonzept entwickelt, der Schwaketenwald erhalten und der Flächenfraß gestoppt werden. Für konsequenten, sozialverträglichen Geschosswohnungsbau müssten keine weiteren Naturflächen geopfert werden.

Antje Boll/Eberhard Klein