Zukunft, in Beton gegossen?

seemoz-ZukunftsstadtIm Rahmen des Wettbewerbs „Zukunfts­stadt“, an dem auch die Stadt Konstanz teilnimmt, fand am Freitag an der HTWG Konstanz das Symposium „ Quartiere von Morgen. Bürger und Fachleute im Dialog“ statt. Verschiedene Vorträge stellten Facetten einer möglichen Stadt der Zukunft dar. Nach den Vorträgen gab es Workshops und eine abschließende Publikumsdiskussion: Da ging es weniger um konkrete Pläne als um vage Visionen.

Der Saal der HTWG war, zumindest zu Beginn der insgesamt fünfstündigen Veranstaltung, randvoll gefüllt und die Stimmung ausgelassen. Günther Bachmann, Generalsekretär des Nachhaltigkeitsrates in Berlin, zeigte sich erstaunt über die rege Beteiligung. „Toll, dass so viele Menschen hier sind an einem Freitagnachmittag. Und das vor Weihnachten!“ Sein Vortrag kreiste um den Begriff Nachhaltigkeit. Seine Vision sei „eine neutrale Stadt, die zurückgibt, was sie nimmt“.

Marion Klose, Leiterin des Amts für Stadtplanung und Umwelt, stellte einen Bezug zu Konstanz her. Es solle Wohnraum geschaffen werden, in dem alle gesellschaftlichen Schichten durchmischt seien und „keine Quartiere nur für Reiche“. Die Stadt zeigte sich an diesem Abend von ihrer Schokoladenseite. Transparenz und Bürgerbeteiligung waren das Mantra für so manchen Vortrag. Die Veranstaltung selbst wurde aufgezeichnet, das Material soll offen zugänglich gemacht werden. Oberbürgermeister Burchardt versprach, dass die Stadt die Bürgerbeteiligung auch in Zukunft fördern werde.

Ton Schaap, Senior Consultant des Stadtplanungsamtes in Amsterdam, erklärte die städtebauliche Entwicklung seiner Stadt und ging dabei auf verschiedene Konzepte und Beispiele ein, den städtischen Raum zu nutzen. Ein im Grunde interessanter Vortrag, aber was das mit Konstanz konkret zu tun hatte, blieb unklar.

Im Anschluss referierte Roland Gruber vom Architekturbüro nonconform über die Arbeit seiner Firma. Er griff Bachmanns Aussage auf, dass man partnerschaftliche Verfahrensweisen brauche, statt knallharter Interessenvertretung. „Veränderung tut immer weh“, so der gebürtige Kärntner, „deshalb muss man den Prozess lustvoll gestalten.“ Sein Unternehmen betreibt umfassende Öffentlichkeitsarbeit bei ihren Projekten: Man müsse die Menschen miteinbeziehen und eine motivierende Arbeitsatmosphäre erzeugen. Umfassende Werbe- und Informationskampagnen, die Beteiligung und Teilnahme der Bürger am Planungsprozess sind Elemente dieser Strategie. Auch Stammtischatmosphäre, etwas zu Essen und ein Kasten Bier seien hilfreich für den ehrlichen Umgang miteinander.

Weert Canzler, Mobilitätsforscher am Wissenschaftszentrum in Berlin, hielt einen informativen Vortrag über die Möglichkeiten, verschiedene Elemente von Mobilität intelligent miteinander zu verknüpfen. Seine Vision: Fußgänger und Radfahrer haben in der Stadt Vorrang, der öffentliche Nahverkehr wird ergänzt durch Carsharing. Autos fahren elektrisch und Privat-PKWs verschwinden aus der Innenstadt. Überdimensionierte Flächen für Autoverkehr und Parkplätze werden so vermieden. Das Konzept ist sektorenübergreifend verknüpft mit einem intelligenten Stromnetz aus erneuerbaren Energien, und dient als Puffer für eventuell anfallende Stromüberschüsse. Eine vielversprechende Vision, doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. „Der Privat-PKW zum Beispiel ist immer noch fest in den Köpfen verankert.“, so Canzler.

Kristian Peter, Mitgründer und Vorstandsvorsitzender des ISC Konstanz, und machte in seinem Vortrag auf das Potenzial von nachhaltigen Photovoltaiksystemen aufmerksam. In Deutschland sei es möglich, mindestens 80% der Elektrizität aus den erneuerbaren Energien Wind und Sonne zu beziehen. „Jedes Haus kann ein Kraftwerk sein, das Energie speichert und teilt.“ Auch er sieht die Zukunft in einem intelligenten Stromnetz, das in der Lage ist, Stromüberschüsse sinnvoll zu verteilen und zu speichern. Dadurch könnten völlig neuartige kommunale und regionale Handelskonzepte für Strom entstehen.

Andreas Epple, Geschäftsführer der Epple Unternehmensgruppe, brachte Vorschläge zur nachhaltigen Stadtentwicklung. Einen besonderen Fokus legte er auf das Erbbaurecht. Lösungen gegen das Städtewachstum sehe er ebenfalls unter anderem in einer verbesserten Mobilität. Um eine qualitätsvolle Stadtentwicklung zu gewährleisten, müsse man die Stadtentwicklung auch nach dem Bau begleiten.

Ein oft aufgegriffenes Thema war die Verdichtung von Wohnraum in der Stadt. Statt weiter zu expandieren, solle der bereits erschlossene Raum besser genutzt und nach modernen Bedürfnissen umgestaltet werden. Auch die Quadratmeter pro Kopf, die in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen sind, sollen wieder sinken. „Die Leute wollen nur deshalb so viele Quadratmeter, weil sie Platz brauchen für all die Sachen und Klamotten, die sie gekauft haben, aber nicht mehr nutzen.“, sagte Günther Bachmann scherzhaft in der Diskussion am Ende. Er warb für eine Entschlackung „von all dem Zeug, das wir eigentlich gar nicht brauchen.“

Der Faktor Geld und die Bezahlbarkeit von Wohnen kamen regelmäßig zur Sprache. Die Wohn- und Baukultur wird maßgeblich von ihrer Wirtschaftlichkeit bestimmt und ist in hohem Maße technisiert und profitorientiert. Dabei lohnt sich ein Blick auf Alternativen: In Kreßberg in Baden-Württemberg entsteht gerade das Earthship Tempelhof. Ein Haus, das energieautark ist und mit natürlichen und recycelten Materialen gebaut wird. Der Bau erfolgt gemeinschaftlich und ohne Profitinteressen, zeitweise arbeiteten 90 Freiwillige aus 17 Ländern auf der Baustelle. Ein Denkanstoß, der verdeutlicht, dass Bauen und Wohnen auch grundlegend anders verstanden werden können.

Rafael Cuenca Garcia