Der Krieg der Türkei und Europas Schweigen
Während der Westen hartnäckig schweigt, scheint das Erdogan-Regime bis zum Äußersten gehen zu wollen, um den kurdischen Widerstandswillen zu brechen. Glaubt man der durch staatliche Repression [1] weitgehend gleichgeschalteten türkischen Presse, scheinen die Siege türkischer Armee-Einheiten und staatlicher Todesschwadrone in den Kurdengebieten der Türkei kein Ende nehmen zu wollen. (Da hiesige Medien kaum oder gar nicht über die bürgerkriegsähnlichen Zustände berichten, haben wir diesen fundierten Artikel von telepolis übernommen).
In einer Entwicklung, die an die Frühphase des syrischen Bürgerkrieges erinnert, werden die rasch anschwellenden Leichenberge im Südosten des Landes von den Presseorganen des Regimes als militärische Erfolgsmeldungen verkauft. Hunderte von „Terroristen“ der PKK [2] wollen die türkischen Militärs bei ihrer „Säuberungsaktion“ [3] ausgeschaltet haben.
Die erste große Lüge dieses abermals aufflammenden Bürgerkrieges findet sich somit schon in all den Schlagzeilen, die – etwa auf der Internetpräsenz der Tagesschau vom 25. Dezember [4] – über „mehr als 200 tote PKK-Kämpfer“ zu berichten vorgeben. Denn tatsächlich operieren die Guerillas der PKK bislang gar nicht in den Städten der Türkei. Die Führung der Kurdischen Arbeiterpartei hat immer wieder betont, dass ihr militärischer Arm, die Volksverteidigungskräfte HPG, bislang in die Kämpfe in den seit Wochen belagerten Städten gar nicht eingegriffen hat [5].
Ein verzweifelter Jugendaufstand
Die Soldateska des Erdogan-Regimes geht tatsächlich gegen die Einwohner der von dieser Strafexpedition betroffenen Kurdengebiete vor, gegen „kurdische Jugendliche, die ohne Chance auf eine Arbeit sind und ohne Perspektive“, wie es die Frankfurter Allgemeine Zeitung formulierte [6]. Es ist ein verzweifelter Jugendaufstand, angefacht durch die beständigen Provokationen der Staatsmacht, der mit brutalsten Mitteln vom türkischen Militär in Blut erstickt werden soll.
Die Patriotisch revolutionäre Jugendbewegung (YDG-H [7]) gilt als eine weitgehend autonom agierende Vorfeldorganisation der PKK, als ihre inoffizielle Jugendorganisation. In der YDG-H sammeln sich oftmals die Jugendlichen, die in den 1990er Jahren während des Bürgerkrieges als Kinder den Staatsterror des türkischen Militärs durchzustehen hatten und Mord, Vertreibung, Folter und brutalste Unterdrückung erleben mussten.
Bei den Jugendlichen handele es sich um ein neues Prekariat, das ökonomisch marginalisiert sei und deswegen kaum etwas zu verlieren habe, führte die FAZ [8] aus:
Oft waren die Eltern dieser Jugendlichen vor zwei Jahrzehnten aus ihren kurdischen Dörfern vertrieben worden, als die Armee sie niederbrannte, oder ihre Väter waren bei Kämpfen getötet worden. Die Dörfer sind seither entleert. Eine Stadt wie Cizre wuchs seither von 40.000 auf 250.000 Einwohner. Auch in anderen Städten landeten die Vertriebenen, wo ihre Kinder unter erbärmlichen Bedingungen aufwuchsen. Sie bilden ein neues Prekariat – schlecht ausgebildet und ohne Chance auf Arbeit. Diese neue Generation ist radikaler als frühere Generationen es waren. Davor hatte der kurdische Politiker Serafettin Elci gewarnt, der 2012 im Alter von 74 Jahren verstarb. Er sagte kurz vor seinem Tod, seine Generation sei die letzte der Kurden, mit denen man habe sprechen können.
Zehntausende Menschen fielen dem in den 1990ern tobenden Bürgerkrieg im türkischen Teil Kurdistans zum Opfer, wobei es sich größtenteils um kurdische Zivilisten handelte, die in unzähligen, bis heute kaum aufgearbeiteten Massakern türkischer Armee-Einheiten oder Todesschwadrone ermordet wurden [9].
Die Killerkommandos der „Esedullah Timleri“
Damals schwieg der Westen weitgehend zu diesen Massenmorden des geschätzten „NATO-Partners“ Türkei, die von extralegalen staatlichen Sondereinheiten wie der berüchtigten Killertruppe JITEM ausgeführt wurden, wie Die Zeit 2009 berichtete [10]:
Wer verdächtigt wurde, mit der PKK zusammenzuarbeiten, den besuchte das Kommando.
JITEM erledigte die „Drecksarbeit für die Armee“, erklärte ein Aussteiger gegenüber der Wochenzeitung. „Mal waren Bauern die Opfer, mal ein auffälliges Liebespärchen, mal Kinder.“ Laut Schätzungen wurden so 15 000 Menschen von diesem staatlichen Killerkommando ermordet. „Die Operationen von JITEM endeten mit dem Tod, ausnahmslos.“
Bei der aktuellen Repressionswelle kommt eine neue Todesschwadron zum Einsatz, die mit der massenmörderischen „Dreckarbeit“ betraut wird, die einstmals JITEM erledigte. Um die Killerkommandos der „Esedullah Timleri“, die „verurteilte Kriminelle“ und „Personen, die mit dem „Islamischen Staat“ in Verbindung“ stünden, rekrutieren würden, rankten sich ebenfalls viele „Gerüchte“, berichtete [11] die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
So setzen die Sicherheitskräfte, wenn sie in die Städte vordringen, als Vorhut die als besonders brutal geltenden „Esedullah Timleri“ ein, über denen ein Schatten des Geheimnisvollen liegt. Sie dringen in die Häuser ein, zerstören, töten.
Die Ausrufung der Selbstverwaltung, der Aufbau von Barrikaden und das Ausheben von Gräben durch die Jugendlichen der YDG-H in ihren Stadtteilen, die in Reaktion auf die Kriegserklärung Erdogans an die kurdische Freiheitsbewegung erfolgten, verfolgen somit auch ein ganz praktisches Ziel: Sie sollen die Städte vor den Übergriffen der staatlichen Killerkommandos schützen, wie die FAZ ausführte.
Die YDG-H tauchte in den Untergrund ab „und nahm den bewaffneten Kampf gegen die staatlichen Sicherheitskräfte auf, insbesondere gegen die „Esedullah Timleri“. Sie errichten Straßenkontrollen, bauen Barrikaden und ziehen Gräben, um Stadtviertel zu schützen und Razzien zu verhindern“.
Mörderische Repressionswelle und das Schweigen der EU
Um es ganz klar auszusprechen, der türkische Staat hat im Südosten des Landes einen regelrechten Krieg entfacht, bei dem ganze Städte durch Panzer- und Artilleriebeschuss [12] zu Trümmerlandschaften zerschossen werden [13] und die Einwohner als Freiwild der türkischen Soldateska gelten, wie unter Lebensgefahr aufgenommene Videos nahelegen [14].
Selbst Human Rights Watch berichtet inzwischen von „Dutzenden von getöteten Zivilisten“, während eine türkische NGO den Tod von 44 Kindern bei dieser jüngsten Repressionswelle beklagt [15]. Von den staatlichen Killertruppen erschossene Zivilisten müssen oftmals tagelang auf den Straßen liegen bleiben, da diese alles abknallen, was sich auf den Straßen bewegt – von Säuglingen bis zu alten Greisen [16].
Die Städte der Türkei haben sich in „Kriegszonen“ verwandelt, berichtete [17] auch das Wall Street Journal. Während der türkische Staat einen offenen Terrorfeldzug gegen die eigene Bevölkerung führt, gilt die PKK – deren Kämpfer maßgeblich an der Rettung der Jesiden [18] vor den Klerikalfaschisten des Islamischen Staats beteiligt waren – weiterhin im Westen als „Terrororganisation“.
Und abermals schweigen die Verbündeten in der „westlichen Wertegemeinschaft“ des geschätzten „NATO-Partners“ Türkei zu diesem sich entfaltenden staatlichen Massenmord, dem in kürzester Zeit Hunderte von Menschen zum Opfer fielen. Während deutsche Regierungspolitiker noch vor gut zwei Jahren jeden von ukrainischen Sicherheitskräften zusammengeschlagenen Neonazi hysterisch skandalisierten, als die prowestliche „Opposition“ in Kiew einen veritablen Regierungssturz organisierte („Ukraine über Alles!“ [19]), herrscht nun in Berlin absolute Funkstille.
Die professionellen Menschenrechtskämpfer im Umfeld der deutschen Außenpolitik scheinen alle in die Weihnachtsferien abgetaucht zu sein, während der frisch gebackene EU-Beitrittskandidat eine mörderische Repressionswelle [20] im Südosten des Landes entfacht.
Das Kalkül Erdogans
Das Kalkül Erdogans bei seiner mörderischen Eskalationsstrategie, bei der mehrere Waffenstillstandsangebote der PKK [21] ausgeschlagen wurden, ist eindeutig. In der Gewalt gegen die Kurden der Türkei entlädt sich der Frust Ankaras über die spektakulär gescheiterte imperiale Strategie der inzwischen weitgehend islamisierten Türkei [22], die in die Fußstapfen des ottomanischen Imperiums treten wollte.
Die von der Türkei unterstützten Bürgerkriegsparteien in Syrien – sowohl der Islamische Staat wie die Islamisten im Westen des Landes – befinden sich in der Defensive, während der als Kompensation gedachte militärische Vorstoß in den Irak nach kurzer Zeit kläglich scheiterte [23].
Mehr noch: der sich nun abzeichnende Sieg der syrischen Kurden und verbündeter Gruppen gegen den Islamischen Staat scheint ein Albtraumszenario Erdogans wahr werden zu lassen: Anstatt seines geopolitischen Traums von einer islamistischen Großtürkei könnte sich im Gefolge des Syrienkrieges eine selbstverwaltete und basisdemokratische Region an der türkischen Südgrenze etablieren, die auch auf sein zusehends autoritär geführtes Reich ausstrahlen würde.
Sobald die mit den Kurden verbündeten Demokratischen Kräfte Syriens [24] den Korridor an der türkischen Grenze blockieren (Erfolg der Kurden gegen den IS stört türkische Interessen [25]), den Ankara bislang dem Islamischen Staat offen hielt, sind die Tage des Kalifen von Raqqa und seiner klerikalfaschistischen Terrorbanden gezählt.
Zudem will Erdogan die Kurden der Türkei in die Knie zwingen, bevor diese nennenswerte militärische Unterstützung erhalten könnten – etwa in Form russischer avancierter panzerbrechender Waffen. Der russisch-türkische Konflikt eröffnet Moskau die Option, Ankara vermittels massiver militärischer Unterstützung der Kurden unter Druck zu setzen.
Der Kreml hat bereits eine rasche Annäherung an die Kurden eingeleitet, die Erdogan „verschrecken“ müsse, so Sputniknews [26]. Moskau könnte der PKK das russische Äquivalent der amerikanischen TOW-Systeme liefern, die den Vormarsch der Regimestreitkräfte in Syrien so massiv behindern [27].
Und schließlich geht es Erdogan auch um eine konkrete militärische Entlastung seiner islamistischen und dschihadistischen Verbündeten in Syrien, indem die PKK in einen langwierigen Konflikt mit dem türkischen Staat verwickelt werden soll, der die Guerilla zwingen würde, ihre auf die Bekämpfung des Islamischen Staates konzentrierten Kräfte zu spalten.
Mit dem Terrorfeldzug will Ankara somit die PKK auch zu Verzweiflungstaten provozieren, zu Terrorakten auf türkischem Territorium, um die Mär von den kurdischen „Terroristen“ weiter aufrechterhalten zu können.
Bislang sind aber nur kurdische Splittergruppen [28], die keine organisatorische Verbindung mit der PKK haben, dem türkischen Staat auf den Leim gegangen. Die „Freiheitsfalken Kurdistans“ sollen einen terroristischen Mörserangriff auf den Flughafen von Istanbul durchgeführt haben, bei dem eine Putzfrau getötet wurde.
Rache nach der Wahlniederlage
Nach Innen geht es Erdogan darum, die Kurden für die Wahlniederlage zu bestrafen, die er Mitte 2015 erlitt. Frieden lohnt sich für die AKP nicht. Der Aufstieg der Kurdenpartei HDP, die vom Friedensprozess an den Wahlurnen mehr profitierte [29] als Erdogans AKP, verleitete die türkischen Islamisten erst zu ihrer Eskalationsstrategie, die in Wechselwirkung mit den massenmörderischen Bombenanschlägen gegen die Opposition in Ankara das gewünschte Wahlergebnis bei der Neuwahl zeitigte.
Die Neuauflage des Krieges und der Bombenterror [30], der sich ausschließlich gegen die linke Opposition richtete, haben der als Partei der Ordnung auftretenden AKP die verunsicherten Wähler zurückgetrieben.
Es war nicht nur die linke Kurdenpartei HDP, deren Wahlerfolg der AKP im Juni 2015 die absolute Mehrheit nahm [31]. Auch die ordinär faschistische MHP konnte im ersten Wahlgang erheblich Stimmenzugewinne verzeichnen – sie wurde mit 16,6 Prozent drittstärkste Kraft.
In dieser Partei sammelten sich all jene rechtsextremen Kräfte, die es Erdogan nicht verzeihen konnten, dass er überhaupt einen Friedensprozess mit den Kurden einleitete. Durch die Neuauflage des Bürgerkrieges konnte die MHP bei der Parlamentswahl im November auf 11,9 Prozent gedrückt werden.
Somit hofft Erdogan, mit dem Feldzug gegen die Kurden die inneren Widersprüche innerhalb der türkischen Machtstrukturen zu überbrücken, indem Islamismus und türkischer Nationalismus in einer kriegsbedingten Fusion aufgehen: Es ist nicht übertrieben, hierbei von der Ausformung einer klerikalfaschistischen oder islamofaschistischen Staatsideologie und Praxis zu sprechen. Der Krieg soll die Reihen innerhalb durch interne Machtkämpfe zerrütteten [32] türkischen Machtapparats schließen.
Nicht minder ekelhaft ist das Kalkül Europas, das insbesondere die europäische „Führungsmacht“ Deutschland zu ihrem eisigen Schweigen über den Terrorfeldzug Erdogans verleitet. Die Türkei soll die Flüchtlingsströme Richtung BRD eindämmen, die Erdogan bewusst als Druckmittel einsetzte, um Berlin und Brüssel Zugeständnisse abzupressen.
Mit Erfolg: Angela Merkel engagierte sich schon während des Wahlkampfes de facto als Wahlkampfhelferin Erdogans, als sie kurz vor dem Urnengang dem türkischen Staatschef ihre Aufwartung machte [33], um ihm Milliardensummen für die Flüchtlingsabwehr und eine erneute EU-Beitrittsperspektive zu versprechen.
Offensichtlich wurde dabei auch vereinbart, dass Berlin und Brüssel die Augen fest verschließen, wenn die türkischen „Sicherheitskräfte“ ihre Strafexpedition in die Kurdengebiete starten.
Tomasz Konicz
Vielen Dank, dass Sie sich dieses Themas angenommen haben, für diese ausführliche Berichterstattung(telepolis), die den Medien kaum eine Zeile wert ist und unseren sonst aktuell so geschwätzigen, sauberen Politikern kein Wort, keine Stellungnahme. Trotz des Wissens um diese schrecklichen Zustände ist Europa, ist Frau Merkel bereit, “ Geschäfte“ mit dem türkischen Machtmenschen Erdogan zu machen, ihm Millionen anzuvertrauen, um damit die Flüchtlingswelle aus der oder über die Türkei zu stoppen und ihm offiziell weiterhin eine Chance für eine Aufnahme in die EU vorzugaukeln(bis heute erreichen übrigens nach wie vor täglich 4000 Flüchtlinge über die Türkei Griechenland – ein Ende des Stroms ist nicht abzusehen.Und die Griechen? Werden alleine gelassen.)und so quasi seine inakzeptable „Politik“ der Gewalt, der Unterdrückung zu bestätigen. Ist dies „Diplomatie“, Verzweiflung, Hilflosigkeit, Feigheit, Ignoranz der Realität? Wie weit wird man noch gehen, um das eigene Versagen zu vertuschen? U. a. Kurden, die PKK, waren und sind erfolgreich im Kampf gegen den Islamischen Staat, viele haben ihr Leben gelassen, im Kampf gegen eben jenen Feind, der auch Europa bedroht. Durch Schweigen macht man sich mitschuldig. Bisher ist es trotz dieses Krieges in der Türkei bis auf meines Wissens friedliche Protestmärsche der kurdischen Mitbürger in Deutschland ruhig geblieben. Wie lange noch?
Ich hoffe, Frau Ahadi erhält auf ihre ausführlichen Brief, der einen anderen Blick auf das Thema des (politischen)Islamismus ermöglicht und zeigt, wie oberflächlich und leichtfertig PolitikerInnen hierzulande urteilen, handeln und reden, eine ebenso ausführliche Anwort.
Passend hierzu ist ein offener Brief an Sarah Wagenknecht von:
http://exmuslime.com/offener-brief-von-mina-ahadi-an-sahra-wagenknecht-vorstandsmitglied-der-partei-die-linke/
Sehr geehrte Sahra,
seitdem ich deine Rede im deutschen Bundestag gehört habe, bin ich erstaunt und fassungslos. Und zwar deshalb, weil du ebenso wie die Partei „Die Linke“ die politische Lage nicht richtig einschätzt. Du hast dich in jener lebhaften Rede gegen Brutalität und Krieg ausgesprochen. Du hast davon geredet, dass der Terror nicht mit Bomben zu bekämpfen sei. Ich füge meinerseits hinzu, dass die Lösung des Problems die Einbeziehung verschiedener Faktoren erforderlich macht. Nicht mit Bomben kann der Terror bekämpft werden, aber auch nicht mit Schweigen und einer verharmlosenden Darstellung des politischen Islam.
Es ist eine bittere Wahrheit, dass die westlichen Staaten – Amerika, England, Frankreich – auf den politischen Islam zur Sicherung eigener Macht gesetzt haben. In Ländern wie dem Iran, dem Irak, Afghanistan, dem Sudan usw. haben die Terrorbanden der islamischen Bewegung das Leben von Millionen von Menschen beeinträchtigt oder gar zerstört. Um es deutlicher zu sagen: Ich rede über Steinigung, Zwangsverschleierung und Massenhinrichtungen. Ich rede von den offiziellen Gesetzen, nach denen du und ich halb so viel Wert sind wie die Männer.
Als Iranerin habe ich hautnah den abscheulichen und ekelhaften Charakter der Bewegung des politischen Islam erlebt und seit 36 Jahren bekämpft. Nach deiner lebhaften Rede habe ich gegoogelt, um zu wissen, wie oft die Führerin der Linkspartei über das Verbrechen der islamischen Bewegung lebhafte Reden gehalten hat. Google hat meine Hoffnung zunichte gemacht. Nicht eine Minute lang hast du jemals eine Rede über die Steinigung, das Auspeitschen der Frauen, die Hinrichtung z. B. das Erhängen der Atheisten/innen, Kommunisten/innen usw. gehalten. Google hat mir gesagt, dass unter dem Namen Sahra und islamische Bewegung nichts zu finden ist.
Ich hoffe, dass du von mir gehört hast. Ich bin eine Bürgerin, die seit Jahren in fast allen Städten Deutschlands gegen Steinigung, Hinrichtung, Burka, Frauenfeindlichkeit und islamischen Terrorismus Reden gehalten hat und die nicht zuletzt Kritik an der Politik der westlichen Staaten, auch Deutschlands, geübt hat. Ich war aber niemals euer Gast. Weshalb? Weil deine Partei fortwährend die islamische Bewegung als Verkörperung des Befreiungskampfes der Bevölkerung – jener Länder, aus denen wir kommen – gegen imperialistische Machtherrschaft versteht, und vielleicht verstehst auch du es so. Ihr bewertet jede Taktik und Aktion dieser Verbrecher als „antiimperialistisch“.
Die islamische Bewegung an sich ist eine Bewegung zur Unterdrückung der Bevölkerung im Allgemeinen und der Linken im Besonderen. Diese Bewegung terrorisiert und mordet nach islamischer Überzeugung und nach den Gesetzen des Koran.
Die islamische Bewegung nahm im Iran, dem Land, aus dem auch dein Vater stammt, Form an – als Antwort und zur Zerschlagung jener Revolution, die linke Charakterzüge besaß.
Der „Islamische Staat“ als Zwillingsbruder der „Islamischen Republik“ begann im Iran. Seine barbarische Errichtung ging mit bestialischem Massenmord an Tausenden von jungen Menschen einher. Bis heute habe ich keine einzige Zeile deiner Partei zu einer Verurteilung der Verbrechen von der iranischen Entsprechung der DAESH (IS) gelesen. Warum?
Wir, du und ich, sind Linke und Kommunistinnen. Wir sind uns in Deutschland noch nicht begegnet, denn wie haben unterschiedliche Positionen zur der großen Katastrophe des Jahrhunderts, nämlich dem grausamen islamischen Terrorismus. Niemals habt ihr die verbrecherische Rolle des politischen Islam in der jetzigen Welt erkannt. Ihr habt die Apologeten des Multikulturalismus und Postmodernismus unterstützt. Ihr habt uns – Frauen, die diesen Psychopathen in die Hände gefallen und zu Gefangenen geworden waren – ignoriert. Ihr habt euch mit eurer Arbeit und eurem Leben beschäftigt. Nichts findet man in euren politischen Bekundungen zur Unterstützung der Frauenbewegung in den islamisch beherrschten Ländern. Warum?
Ich bin eine iranische Kommunistin. Viele Jahre meines Lebens habe ich gegen ein Monster gekämpft, das von den westlichen Ländern ins Leben gerufen wurde. Wir haben im Iran die Politik der Steinigungen, Hinrichtungen und Frauenunterdrückung dieser Bewegung zurückgedrängt, während unsere linken Freunde und insbesondere linke Frauen im Westen die Steinigungen gleichgültig hinnahmen. Ich hoffe du weißt, was ich meine.
Als eine Frau aus dem Iran – unter der Herrschaft des islamischen Terrorismus – klage ich an:
die westlichen Staaten, die den ins Mittelalter gehörenden Reaktionären geholfen haben,
die Intellektuellen, die uns ruhig stellen wollten und von Harmlosigkeit des Islams erzählten,
die Linken, die schwiegen oder die Augenwischerei betrieben, die erzählten, dass Hinrichtung ein Bestandteil unserer Kultur sei: Schließt eure Augen und lebt weiter, und schließlich ihr, als Linke mit politischer Verantwortung in der Gesellschaft, ihr seid noch einen Schritt weiter gegangen und habt erzählt, es gäbe keine Probleme. Manchmal habt ihr den Ex-Staatspräsidenten Ahmadinedschad als Sieger über das US-imperialistische Amerika bejubelt.
Du hast im Bundestag über Afghanistan und die falsche Politik, die die Entwicklung der Taliban ermöglichte, gesprochen. Zur falschen Politik gehörte nicht nur die Bombardierung und die Entsendung von Militär, sondern sie umfasste auch die Weichenstellung zur afghanischen Regierungsbildung, wiederholt verteidigt durch die deutsche Regierung auf der Afghanistan-Konferenz, bei der alle modernen und säkularen politischen Kräfte ausgeschlossen bleiben und Bürgerrechte durch religiös-ethnisches Recht ersetzt wird.
2011 veranstalteten wir in Bonn eine Kundgebung gegen die beschlossene falsche Politik von zehn Jahren der Afghanistan-Konferenz. Wir waren der Meinung, dass diese Politik den Weg für weitere jahrelange blutige Auseinandersetzungen in Afghanistan vorbereitet. Leider beteiligte sich niemand von euch an dieser Protestkundgebung.
Vereehrte Sahra,
wir sind gegen Krieg und Terror, gegen Terrorismus des Staates und islamischen Terrorismus. Angesichts der momentanen Lage erfordert linke Politik die Bildung einer dritten Front sowohl gegen Staatsterror als auch gegen islamischen Terror. Leider steht deine Partei nicht in der Kampffront gegen den islamischen Terrorismus. Daher gehört sie meines Erachtens nicht zum linken Lager.
Der Kommunismus ist die richtige, schöpferische Antwort auf die Probleme der Menschheit für ein besseres Leben. Ignorieren der Probleme, Übersehen der Schwierigkeiten und falsche Interpretation des antiimperialistischen Kampfes haben euer Verhältnis zu der Bevölkerung in den islamisierten Ländern zerstört. Als langjährige Kämpferin gegen den politischen Islam stelle ich fest, dass ihr das Problem entweder nicht richtig einschätzt oder es ignoriert. Aus diesem Grund habt ihr seit 36 Jahren keinen Platz an unserer Seite im Kampf gegen den politischen Islam eingenommen.
Ich hoffe, dass dieser Brief ein Nachdenken ermöglicht. Seit Jahren hat sich die islamische Bewegung in Deutschland mit dem Bau von Moscheen, mit Zwangsverschleierung, Trennung der Geschlechter in den Schulen usw. ausgebreitet. Viele Deutsche sind zu Recht über die Zurückdrängung der relativ säkularen Prinzipien Deutschlands besorgt – und eure Partei steht wie üblich auf der Seite der Islamisten.
Denkt bitte darüber nach.
Ich warte auf eine Antwort zu diesem Brief.
Hochachtungsvoll
Mina Ahadi