Langsam greift das Zweckentfremdungsverbot

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Gegen den massiven Protest vor allem aus dem konservativen Lager hatte der Gemeinderat im März letzten Jahres das Zweckentfremdungsverbot wieder in Gang gesetzt. Seitdem ermittelt das Baurechtsamt, wo Wohnraum leer steht. Dafür wurde sogar eine neue Stelle geschaffen. Mehrere leerstehende Gebäude wurden geprüft und erste kleine Erfolge sind zu verzeichnen. Ein Tropfen auf den heißen Stein, aber immerhin.

Ein Beschluss des baden-württembergischen Landtags vom Dezember 2013 macht es seitdem den Kommunen möglich, ein auf fünf Jahres befristetes Zweckentfremdungsverbot für Wohnraum, das 2006 ausgelaufen war, erneut einzuführen. Die Abstimmung darüber im Konstanzer Rat ging mit 21:20 Stimmen denkbar knapp aus. Seitdem heißt es: Wenn eine Wohnung nachweislich länger als sechs Monate leer steht, dann gilt sie als zweckentfremdet. Im Extremfall können Bußgelder von bis zu 50 000 Euro verhängt werden.

Wer Leerstand melden möchte, kann seine Informationen weiterhin an diese Email-Adresse schicken: Wohnraumvorschlag@konstanz.de

seemoz-Brauneggerstraße-001Seit dem Erlass bemüht sich die zuständige Behörde, die eingehenden Hinweise auf leerstehenden Wohnraum sorgfältig zu prüfen. Es ist das sprichwörtliche Bohren dicker Bretter, denn nicht alle Meldungen erweisen sich als korrekt. Einige aber schon. Beispiel Brauneggerstraße 25 (siehe Bild rechts). Seit Jahren steht dort ein stattliches Wohnhaus mit insgesamt sechs Wohnungen leer. Der Besitzer Uwe Rauhut, der in der Konstanzer Altstadt einen Schuhladen betreibt, muss nun nach seemoz-Recherchen mit einer „Instandsetzungsanordnung“ rechnen. Rauhut hat auf seemoz-Anfrage nicht reagiert. Wie nun zu erfahren war, soll er kürzlich erklärt haben, seine Immobilie bis spätestens Ende 2017 umzubauen und dann wieder dem Wohnungsmarkt zuzuführen. Man wird sehen.

Ein zweiter Fall, bei dem die Behörden tätig geworden sind, betrifft die unter Denkmalschutz stehende Villa in der Neuhauserstraße 19 (siehe Bild oben links). Seit Jahrzehnten steht das einst prachtvolle Gebäude im Musikerviertel, in dem früher der „Diana Verlag“ residierte, bis 1993 aber auch Mieter gemeldet waren, leer und verrottet. Immer wieder wiesen diverse Medien und auch Nachbarn darauf hin, aber die Familie Nissenbaum, der die Immobilie gehört, machte keine Anstalten, das Anwesen wieder dem Wohnungsmarkt zuzuführen.

Der öffentliche Druck aber scheint die Besitzer nun doch beeindruckt zu haben, denn auch in diesem Fall droht ihnen die Instandsetzungsanordnung. Bei einer Begehung im vergangenen November stellten Behördenvertreter fest, dass das Gebäudeinnere besser in Schuss ist als ursprünglich befürchtet. Anscheinend wurde bereits ein Architekt hinzugezogen und eine Sanierung der herrschaftlichen Villa scheint möglich. Sicher wird dort kein Wohnraum für die Leichtlohngruppe geschaffen, aber immerhin würde ein architektonisches Kleinod nicht völlig dem Verfall preis gegeben.

Fazit: Das wiederbelebte Zweckentfremdungsverbot greift zwar langsam, aber es wirkt. Natürlich wird es – die Behörde ist auch an anderen Objekten dran – nicht die eklatante Wohnungsnot in Konstanz beheben. Das zu glauben, wäre mehr als naiv. Aber es setzt Zeichen und könnte dazu führen, die bisherigen Freiräume für Spekulation und Ignoranz gegenüber Wohnungssuchenden ein Stück weit einzugrenzen.

H. Reile

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