„In der SPD rumort es öfters …“

seemoz-StorzDie Weigerung von Europaminister und SPD-Landtagskandidat Peter Friedrich, sich zusammen mit AfD-VertreterInnen auf ein Podium zu setzen, ist auch parteiintern höchst umstritten. Viele Sozialdemokraten haben dafür kein Verständnis und stellen sich gegen Friedrich. Wie steht der Singener SPD-Land­tagsabgeordnete Hans-Peter Storz dazu? Er will im Wahlkreis Singen sein Mandat verteidigen. seemoz hat bei ihm nachgefragt.

Herr Storz, es rumort kräftig in Ihrer Partei. Vor allem die Weigerung einiger Ihrer Parteifreunde, Podiumsdiskussionen zu boykottieren, wenn Vertreter der rechtspopulistischen AfD ebenfalls eingeladen werden, können auch viele Ihrer Wähler nicht verstehen. Sogar Friedrich Sehrt, ehemaliger Vorsitzender der Konstanzer SPD, spricht in einem Kommentar auf seemoz von einem „undemokratischen Vorgehen“. Wie sehen Sie das? Wie gehen Sie damit um?
In der SPD rumort es öfters, denn meine Partei diskutiert leidenschaftlich darüber, welche Politik gut für unser Land und für Europa ist. Wir stehen vor der Aufgabe, wie wir die AfD bekämpfen; eine Partei, die nicht nur rechtspopulistisch, sondern in Teilen sogar rechtsextrem ist. Das ist eine Herausforderung nicht nur für die SPD, sondern für alle demokratisch gesinnten Bürger in unserem Land.

In jedem Wahlkreis müssen wir anhand der jeweiligen politischen Verhältnisse entscheiden, wie wir der AfD am besten begegnen. In Singen werde ich an Veranstaltungen teilnehmen, auch wenn die Rechtspopulisten eingeladen werden. Ich habe aber Respekt vor der Entscheidung meiner Parteifreunde, die nicht an einem Tisch mit Rechtsextremisten sitzen wollen.

Denken wir mal ein Stück nach vorne. Man darf getrost davon ausgehen, dass die AfD – auch dank der Wahlhilfe von SPD und Grünen – locker den Sprung in den Landtag schaffen wird. Werden sich dann die Vertreter der SPD und auch teilweise der Grünen Plastiktüten über den Kopf ziehen oder den Saal verlassen, wenn ein AfD-Vertreter das Wort ergreift? Im Ernst: Außer fremdenfeindlicher Hetze, intellektueller Hohlraumversiegelung und völkischem Gestammel haben die doch nichts zu bieten. Da müsste es doch möglich sein, bei öffentlichen Diskussionen klare Kante zu zeigen und sich nicht zu verstecken.
Die AfD schürt Ängste vor Flüchtlingen und profitiert derzeit davon, dass viele Menschen verunsichert sind. Es ist ja nicht nur die Flüchtlingskrise, die uns Sorgen macht. Das Risiko einer Spaltung Europas ist nicht von der Hand zu weisen. Die Menschen spüren, dass die europäische Friedensordnung gefährdet ist. Hier liegen die Ursachen für den demoskopischen Höhenflug der AfD, nicht in einer vermeintlichen Wahlhilfe durch SPD und Grüne.

Sollte die AfD in den Landtag kommen, müssen die demokratischen Parteien überlegen, wie sie mit den AfD-Abgeordneten umgehen werden. Dazu hat Jan Welsch auf seemoz berichtet, wie es der Landtag in Mecklenburg-Vorpommern handhabt. Das könnte ein Vorbild sein.

(Anmerkung der Redaktion: Im Schweriner Landtag sitzen seit 2006 Vertreter der rechtsradikalen NPD. Die demokratischen Parteien haben einen Pakt geschlossen: Auf Anträge der NPD redet nur eine einzige Vertreterin oder ein Vertreter der restlichen Fraktionen. Somit will man eine Aufwertung der Rechtsradikalen verhindern).

Auch Europaminister und Landtagswahlkandidat Peter Friedrich, der ja auch stellvertretender Landesvorsitzender der SPD in Baden-Württemberg ist, will sich an Diskussionen mit der AfD nicht beteiligen. Viele sagen, Friedrich werde aufgrund seiner Verweigerungshaltung innerparteilich demontiert und habe als erfahrener Politiker einen zumindest taktisch großen Fehler gemacht. Wie erklären Sie sich gegenüber Friedrich, wenn Sie sich im Gegensatz zu ihm als Kandidat im Wahlkreis Singen einer öffentlichen Debatte mit der AfD stellen?
Peter Friedrich ist innerhalb und außerhalb der SPD hoch angesehen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass es Menschen gibt, die in der Frage der gemeinsamen Podien mit Rechtspopulisten eine andere Meinung vertreten. Peter Friedrich weiß, dass in Singen eine besondere Situation herrscht, weil die AfD mit Alt-Oberbürgermeister Friedhelm Möhrle einen prominenten Unterstützer hat, der sein Ansehen in der Stadt durch seinen fragwürdigen Einsatz verspielt.

Mit Wahlprognosen sollte man vorsichtig umgehen. Aber es sieht wohl so aus, als würde die SPD in Baden-Württemberg im März ein fast schon desaströses Ergebnis einfahren. Zur Zeit spricht man von 15 Prozent. Glauben Sie, dass die SPD im Land ihren freien Fall überhaupt noch stoppen kann?
Wir haben zusammen mit den Grünen Baden-Württemberg gut regiert und unser Land offener, sozialer und moderner gemacht. Viele Menschen wollen, dass dieser Kurs fortgesetzt wird. Sie wissen auch, dass dazu eine starke SPD benötigt wird. Das sagen mir Bürger jeden Tag. Daher bin ich zuversichtlich, dass die Wahlergebnisse von den Umfragen abweichen werden. Bis zum Wahltag werde ich alles dafür tun, und viele Menschen helfen mir dabei.

In Ihrem´Wahlkreis wird seit Monaten über das geplante ECE diskutiert. Die Gegner des umstrittenen Einkaufszentrums haben sich längst formiert. Die Singener SPD hat sich bislang zurück gehalten und noch keine offizielle Stellungnahme zum Thema abgegeben. Wie steht der Landtagsabgeordnete Hans-Peter Storz zum ECE?
Die Stadt Singen ist in den letzten Jahren zweifellos attraktiver geworden. Einige städtebauliche Probleme wie Leerstände warten noch auf Lösungen. In diesem Zusammenhang diskutieren wir unter aktiver Beteiligung der SPD in der Stadt und im Gemeinderat intensiv, ob die Ansiedlung eines ECE-Centers uns nützen kann oder ob die geäußerten Sorgen begründet sind. Diese Entscheidung müssen wir mit großer Sorgfalt treffen und dieser Verantwortung stellen wir uns. Großen Einfluss wird das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens haben.

Das Gespräch mit Hans-Peter Storz führte Holger Reile