Kreistag: Eine große, neoliberale Koalition

Und sie haben es wieder getan: Auch die diesjährige Haushaltsberatung im Kreistag ging ohne wahre Debatte über die Bühne, Haushaltsreden fielen aus. Stattdessen setzte sich eine große Koalition neoliberaler Schuldenbremser durch: Übrig blieb Die Linke als einzige Opposition.

Und wieder war es Artur Ostermaier, Bürgermeister aus Steißlingen und Fraktionschef der Freien Wähler im Kreistag, der trickreich den Haushaltsvorschlag von Landrat Hämmerle aushebelte. Kurz bevor die Haushaltsreden gehalten werden sollten, überraschte er mit dem Antrag, die geplante Neuverschuldung von lächerlichen 1,2 Millionen Euro auch noch bleiben zu lassen, dafür einen Kredit bei dem Eigenbetrieb ‚Abfallwirtschaft‘ umzuschulden und so auf den neuen Kredit verzichten zu können.

Trickreicher Antrag

Kaum jemand im Kreistag mochte diesem Treueschwur zur Schuldenbremse widersprechen. CDU-Chef Uli Burchardt schon gar nicht, witterte er doch die Chance, die lästigen, manchmal tatsächlich überlangen Haushaltsreden auf diese Weise abwürgen zu können – im Konstanzer Gemeinderat war er mit solchem Ansinnen noch gescheitert. Auch die Grünen Siegfried Lehmann (Noch-Landtagsabgeordneter aus Radolfzell) und Christiane Kreitmeier (Fraktionsvorsitzende aus Konstanz) stimmten in den Chor der sparsamen badischen Hausfrauen ein. Und Ralf Baumert, Bürgermeister aus Rielasingen-Worblingen und SPD-Sprecher im Kreistag, verstieg sich gar zu der Behauptung, eine „Schwarze Null“ sei das richtige Signal.

Kritik kam allein aus den Reihen die Linken, für die Hans-Peter Koch auf die einmalig günstige Wirtschaftslage verwies: Eine Ergebnisverbesserung, also eine Aufstockung der liquiden Mittel, bei gleichzeitig einmalig günstiger Zinssituation, also Kreditbeschaffung zum Nulltarif, dürfe nicht zur Schuldentilgung genutzt werden, sondern müsse zu einer Ausweitung des Investitionsvolumens führen, mit dem z.B. ein kreisweites Sozialticket finanziert werden könnte.

Debatten-Verzicht

Mit dieser Einschätzung blieben die beiden Kreisräte der Linken allein: Bei ihrer Enthaltung stimmte der Kreistag vollzählig dem Antrag auf Nicht-Verschuldung und damit dem veränderten Haushaltsplan zu. Und bemerkte offensichtlich gar nicht, dass die gewählte Versammlung des Kreistages damit ihr wichtigstes parlamentarisches Recht, nämlich das einer profunden Haushaltsdebatte, ohne Not aus der Hand gegeben hat.

Denn über das Zahlenwerk des immerhin 650 Seiten starken Haushaltsplans 2016 wurde nur am Rande diskutiert: Über das Investitionsvolumen von annähernd 28 Millionen Euro, über die Absenkung der Kreisumlage auf 29,9 Prozentpunkte oder über die Zusatzkosten zur Unterbringung von Flüchtlingen. Da wurde höchstens Landrat Frank Hämmerle nochmals kritisiert, weil er im Vorfeld die Übernahme der „Asyl-Kosten“ durch die Landesregierung öffentlich in Zweifel gezogen hatte. Doch auch bei diesem Streitpunkt setzte man letztlich auf Harmonie: Gegen Ende der neunstündigen Sitzung glaubte sogar Hämmerle an das Versprechen aus Stuttgart.

Marco Radojevic

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