Der Fall Scala – Was meint Justitia?

seemooz-Uni-Veranstaltung-ScalaKulturstätte weicht Konsumtempel – ist das das Schicksal des Konstanzer Scala- Kinos? Darüber diskutierte die Hochschulgruppe der Universität Konstanz „Arbeitskreis kritischer Juristen“. Thema: „Kino und Recht: Der Fall Scala“. Die Erkenntnisse aus den Impuls­referaten und der Diskussion scheinen eher entmutigend – dem Problem ist nicht juristisch, sondern wohl nur noch politisch beizukommen.

Obwohl zeitgleich sowohl das Ende der in Konstanz bedeutenden Fasnacht zelebriert als auch der DFB-Pokal im Fernsehen übertragen wurde, war der Hörsaal mit etwa 80 BesucherInnen gut gefüllt: Interessierte Studierende, die Geschäftsführerin des Scala-Kinos, Alexandra Nowotny, sowie der Besitzer Detlef Rabe mit Gattin und eine Menge alteingesessener Konstanzer, angeführt von Theater-Intendant Christoph Nix. Allesamt frohen Mutes und voller Hoffnung, im Recht ein Mittel zu finden, mit dem der Ungerechtigkeit: Kulturstätte weicht Konsumtempel, ein Ende gesetzt werden könnte.

Denkmalschutz ja, aber

Sophie-Charlotte Lenski, Inhaberin des Lehrstuhls für Staats- und Verwaltungsrecht, Medienrecht, Kunst- und Kulturrecht, begann ihren Vortrag mit dem Satz: „Das Recht hat nicht auf alles eine Antwort“. Die Dozentin setzte dem Publikum auseinander, welche rechtlichen Instrumentarien mögliche Maßnahmen böten, um das Scala-Kino zu erhalten. Das erste Problem ist, dass das Kino im rechtlichen Sinne kein Kulturgut darstellt, sondern ein Wirtschaftsgut. Meint, dass das Kino rechtlich als Wirtschaftsfaktor, beispielsweise im Rahmen von Filmförderung, geschützt und gestärkt werden kann, dass die soziale Komponente allerdings, die der Medienwissenschaftler Albert Kümmel-Schnur  in seinem Statement besonders betont hatte, rechtlich nicht als schützenswert gilt.

Daher wäre Prof. Dr. Lenski zufolge ein Weg zum Erhalt des Kinos, das Baudenkmal als Kulturdenkmal unter den Schutz des Denkmalrechts zu stellen. Rechtlich gesehen ist das Denkmal aber eine Sache, in diesem Fall also das Gebäude. Sprich, die Fassade könnte zum Beispiel unter Denkmalschutz gestellt werden, dies würde den zukünftigen Pächter aller Wahrscheinlichkeit nach jedoch nicht daran hindern, hinter der Fassade einen Drogeriemarkt zu errichten. Das Gebäude oder zumindest Teile davon könnten demnach vor baulichen Veränderungen geschützt werden, aber nicht vor der Nutzungsart, insbesondere da im Baden-Württembergischen Landesrecht der Nutzung besonders wenig Relevanz zugesprochen wird.

Einzige Möglichkeit wäre, eventuell über die „Unter-Denkmalschutz-Stellung“ des lang gezogenen Eingangsbereichs und der Vitrinen, die Nutzung derartig einzuschränken, dass dm-Gründer Götz Werner kein Interesse mehr daran hätte, dort einen dm-Markt aufzubauen. Das hieße aber nicht, dass die Vermieter keinen anderen Mieter finden, der es versteht, auf andere Art und Weise in diesem Gebäude Profit zu machen. Prinzipiell scheinen also denkmalrechtliche Möglichkeiten zum Schutze des Scalas zu bestehen – vor allem im Hinblick darauf, dass ein Konstanzer Gebäude desselben Architekten, das Gebäude des Rudervereins Neptun, bereits unter Denkmalschutz steht. Dies ist aber möglicherweise zu wenig, um die Umnutzung des Gebäudes als Drogeriemarkt tatsächlich zu verhindern. Der Ort als kultureller Ort kann rechtlich (leider) nicht geschützt werden.

Bauplanungsrecht – Mischen impossible?

Jörg Müller, Richter am Verwaltungsgericht Sigmaringen, wies darauf hin, dass das Denkmalschutzrecht keinesfalls mit dem Bauplanungsrecht vermischt werden dürfe. Er befasste sich in seinem Inputvortrag eingehend mit dem Städtebaurecht. Es ist bereits bekannt, dass über dem Grundstück des Scala-Kinos kein Bebauungsplan liegt. Das Kino befindet sich also im unbeplanten Innenbereich der Stadt. Einzelhandel ist da grundsätzlich zulässig. Es besteht zwar die Möglichkeit, bauliche Nutzung mithilfe einer sogenannten positiven Festsetzung (in der geschrieben steht, was zugelassen werden soll, nicht, was nicht zulässig sein sollte) vorzuschreiben. Hierfür wären allerdings besondere städtebauliche Gründe vonnöten.

Darüber hinaus wird das Gebäude im Erdgeschoss mit einem Café und einem Textilgeschäft bereits auch anderweitig genutzt, was solch‘ einer Festsetzung der baulichen Nutzung im Wege stehen könnte. Außerdem müssten derartige Beschlüsse immer mit den Interessen des Eigentümers abgewogen werden. Denkmalschutz kann nicht das Ziel einer solchen Planung sein, lediglich Dinge, wie der Erhalt des Stadtbildes, der einer ausgefeilten Argumentation bedürfe.

Im besonderen Städtebaurecht findet sich die Erhaltungssatzung, welche sich für den Erhalt von als Erhaltungsgebiet deklarierten Bereichen ausspricht. Die Marktstätte könnte beispielsweise zu einem Erhaltungsgebiet erklärt werden, was dazu führen würde, dass Veränderungen in diesem Bereich schwierig würden. Hierbei müsste jedoch auf die Ausstrahlungswirkung des Gebäudes auf das Gesamtbild und somit wahrscheinlich auf die optische Wirkung abgestellt werden, um mögliche Umnutzungen zu verhindern. Jörg Müllers Einschätzung zufolge könnte sich dies äußerst schwierig gestalten. Wenn, dann sähe er eher Möglichkeiten aus denkmalrechtlicher denn aus städteplanerischer Sicht.

Es geht (mal wieder) um’s Geld

Am Ende der Vortragsrunde kam schließlich Detlef Rabe, der Betreiber des kultigen Konstanzer Kinos, zu Wort. Er bezeichnete das Scala als „Urwurzel“ der familiären Kino-Erfolgsgeschichte und beteuerte sichtlich, dass er es nur schweren Herzens aufgeben würde. Sein Plan wäre gewesen, das Kino langfristig weiter zu betreiben. Deshalb habe er auch in eine neue digitale Projektionsanlage und einige kleinere Renovierungsarbeiten investiert. Entgegen aller Gerüchte sei das Scala mit einer Auslastung von rund 15 Prozent auch finanziell keineswegs defizitär, es würde sich durchaus selbst tragen. Die von den Vermietern angestrebte Mieterhöhung wäre jedoch auf Dauer nicht zu bewältigen.

Während der Diskussion kam die Idee auf, das Scala ähnlich wie das Zebra-Kino aus Haushaltsmitteln der Stadt zu bezuschussen. Dies wäre rechtlich durchaus möglich. Um eine Stellungnahme hierzu drückte sich der anwesende Bau-Bürgermeister, Karl Langensteiner-Schönborn, und verwies auf seinen abwesenden Kollegen, Sozial- und Kulturbürgermeister Andreas Osner. Im Bauplanungsrecht sieht Bürgermeister Langensteiner auch keine Alternative.

Aus dem Publikum wurde zudem angeregt, dass man dem künftigen Drogeriemarkt mit Lieferbeschränkungen das Leben schwer machen könnte. Ob das allerdings zum Erhalt des Kinos führen würde, bleibt zweifelhaft. Weiter gab es einige juristische Detailfragen und Statements engagierter BürgerInnen und natürlich immer wieder die Frage: „Was kann denn nun das Scala noch retten?“

Nachdem das Geld den Vermietern am wichtigsten zu sein scheint, müsste wohl eher darüber diskutiert werden, wie das Scala finanziell unterstützt werden könnte, um die erhöhte Pacht weiterhin begleichen zu können. Hier brachte es Christoph Nix auf den Punkt. Wir müssten uns darüber im Klaren sein, ob wir die Stadt als kulturellen Lebensraum betrachten oder (wie Oberbürgermeister Uli Burchardt) als Unternehmen sehen wollen. Selbst die etwas mauen juristischen Möglichkeiten entmutigten die Menschen nicht, ihr Scala weiter verteidigen zu wollen. Denn wo ein Wille ist, ist meistens auch ein Weg.

Treffen der Bürgerinitiative heute Abend um 18.30 Uhr im Foyer des Stadttheaters.

Carla Farré

Bild: Lutz Rauschnick