Parteien und Initiativen streiten ums Hörnle
SPD, LLK und das Café Mondial vertreten ganz unterschiedliche Standpunkte zur Flüchtlingsunterbringung am Konstanzer Hörnle. Wir dokumentieren eine Stellungnahme von Jürgen Ruff (SPD), den Beitrag von Anke Schwede (LLK) in der letzten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses und einen Kommentar von Café Mondial zu dem Thema.
SPD: Noch ist eine vernünftige Lösung möglich
Den „Standpunkt der Woche“-Kommentar im Südkurier teile ich in einigen Punkten. In einem Punkt muss ich jedoch klar widersprechen: Herr Weber bzw. mit ihm die SPD-Fraktion spielt keineswegs die „Wohnraumnot gegen Flüchtlinge“ aus, dies war und ist niemals unsere Intention, im Gegenteil. Wenn man bei diesem klassischen, von der Verwaltung verursachten Zielkonflikt überhaupt von „Ausspielen“ reden kann, dann hat die Konstanzer Stadtverwaltung mit ihrer HFA-Vorlage die Flüchtlingsunterbringung gegen den schon zuvor vom Gemeinderat einstimmig beschlossenen Wohnungsbau ausgespielt.
Auf Antrag der SPD-Fraktion wurde vom Gemeinderat im September 2013 einstimmig mit einer Enthaltung beschlossen: Der Gemeinderat spricht sich für die Verlagerung des TC Konstanz auf das „Helle-Müller-Gelände“ am Horn aus und beauftragt die Verwaltung mit der Planung der Verlegung in Zusammenarbeit mit dem TC Konstanz und mit der Planung der Verwendung des jetzigen Vereinsgeländes für den Wohnungsbau.
Mit dem Handlungsprogramm Wohnen wurde zudem 2014 beschlossen, dass nach der Verlagerung des TC Konstanz auf dessen Gelände 135 Wohneinheiten (also für ca. 300–400 Menschen) gebaut werden sollen; Baubeginn 2019!! (http://www.konstanz.de/rathaus/medienportal/mitteilungen/06278/index.html?lang=de).
Abgesehen davon, dass die Verwaltung von sich aus diese Beschlusslage hätte berücksichtigen müssen, wurde sie von mir am 12. Januar, also lange vor den Bürgereinsprüchen, bei einem Jour-fixe-Treffen beim OB in Anwesenheit aller Bürgermeister und Fraktionssprecher auf diesen Umstand aufmerksam gemacht und gebeten, diesen ausreichend in die Vorlage einzuarbeiten. Formal hätte man sogar explizit die Aufhebung der alten Beschlüsse in die Vorlage einbeziehen müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen.
Bürgermeister Langensteiner-Schönborn wurde zudem am 25.01. bei einem Besuch in der SPD-Fraktion nochmals eindringlich auf dieses Problem hingewiesen, dass hier bereits beschlossener Wohnungsbau, für den die SPD-Fraktion den Weg bereitet hatte, auf viele Jahre hinaus blockiert werde. Er hatte dies zur Kenntnis genommen.
Schließlich ist die Einrichtung einer Gemeinschaftsunterkunft auf dem Tennisgelände am Horn zum jetzigen Zeitpunkt keineswegs zwingend, da es weder irgendwelche Fristen, noch keine Alternativstandorte gibt, wie wir auf Nachfrage von der Verwaltung erfahren haben (neben dem Flugplatzareal auch noch Gewerbeimmobilien, bei welchen man sich verständlicherweise im Detail ausschweigt, die aber eben doch vorhanden sind).
Wenn die Verwaltung vorausschauend gehandelt hätte, dann wäre die Verlagerung des TC Konstanz auf das „Helle-Müller“-Gelände forciert, das TC-Gelände noch in diesem Jahr für eine Flüchtlingsunterkunft vorbereitet und in den nächsten Jahren die Planung der Wohnbebauung mit Wettbewerben und allem, was dazu gehört, durchgezogen worden, so dass mit Auszug der Flüchtlinge in 3-5 Jahren sofort mit dem Bau dort hätte begonnen werden können.
Noch ist es für eine solche Lösung, die den Zielkonflikt stark minimieren würde, nicht zu spät.
Genau dieses ist unser Ziel: Eine Konkurrenz zwischen Flüchtlingsunterbringung und einem notwendigen Wohnungsbau möglichst zu vermeiden. So ist dies am Zergle und in Egg mit unserer maßgeblichen Mitwirkung gelungen und dafür werden wir auch weiter in Konstanz arbeiten.
Café Mondial: Willkommen in Konstanz
Seit einigen Wochen ist bekannt, dass die Stadtverwaltung in Zusammenarbeit mit dem Landkreis plant, eine Notunterkunft auf den Tennisplätzen am Hörnle zu errichten. In den letzten Tagen erschienen Leserbriefe im Südkurier, Kommentare auf diversen Internetseiten und eine Unterschriftensammlung, welche sich gegen das geplante Vorhaben richten.
An kaum einem Standort in Konstanz sind die Integrationschancen besser: Man befindet sich in direkter Nachbarschaft zu einem beliebten Freizeittreffpunkt aller in Konstanz lebenden Menschen. Wo könnte man leichter in Kontakt mit der Mehrheitsbevölkerung kommen als am Hörnle? Die Infrakstruktur im Musikerviertel ist fraglos hervorragend und das Stadtviertel verfügt über viele Bewohner, die bereits jetzt geflüchtete Menschen unterstützen und sie in der Stadt willkommen heißen.
Café Mondial ist ein Integrationsprojekt und möchte gerne in Konstanz lebende Menschen, unabhängig von ihren Biografien und Lebensumständen, zusammenbringen. Integration und gegenseitiges Kennenlernen können nur funktionieren, wenn zumindest Minimalbedingungen erfüllt sind. Dazu gehören die faire Prüfung des Asylverfahrens, die Möglichkeit zur sozialen Teilhabe und selbstverständlich auch das Recht auf Wohnen. Wer von uns möchte in eine Wohnung ziehen, wenn zuvor mit einer Unterschriftensammlung gegen den eigenen Einzug protestiert wurde? Wie soll dann erst Integration gelingen, wenn Menschen, die bei uns Schutz suchen, auf solche Ablehnung stoßen, obwohl ein persönliches Kennenlernen noch gar nicht stattfand?
Ein Perspektivenwechsel bietet hier Einsichten: Einem geflüchteten Menschen stehen in Baden-Württemberg 4,5m² Wohnfläche zu. Eine Größe, die für fast alle Bürgerinnen und Bürger in Konstanz wohl unvorstellbar gering ist und in der wir auch in bester Lage nicht wohnen möchten. Daher ist es natürlich auch um so verständlicher, dass viele geflüchtete Menschen so viel Zeit wie möglich draußen oder an anderen Orten als in einem winzigen Zimmer verbringen. Und dies ist an dem vorgesehenen Standort mit der Nähe zu schönen Orten wie dem Hörnle, der Schmugglerbucht oder der Seestraße hervorragend möglich.
Wir dürfen die Schere zwischen lange hier lebenden und neu zugezogenen Menschen nicht weiter vergrößern. Kein Stadtviertel gehört einer Gruppe exklusiv und die Unterbringung von sozial schwächer gestellten Menschen ist eine Aufgabe, die die gesamte Stadt angeht. Unterschriftensammlungen, die das Ziel haben, bestimmte Menschengruppen aus einem bestimmten Stadtgebiet herauszuhalten, lehnen wir mit aller Entschiedenheit ab.
Stattdessen möchten wir alle Konstanzerinnen und Konstanzer dazu aufrufen, Menschen offen und vorurteilsfrei zu begegnen.
Wer gerne geflüchtete Menschen einmal persönlich kennenlernen möchte, ist herzlich zu einem Spielenachmittag am 21. Februar von 14 bis 18 Uhr in der Mensa im Humboldtgymnasium eingeladen.
LLK: Wo bleiben die Alternativen?
Keine Frage, die adäquate und menschenwürdige Unterbringung von Menschen, die in großer Zahl vor Krieg und Not aus ihrer Heimat fliehen mussten und unserer Hilfe und Solidarität bedürfen, ist für die Linke Liste von großer Bedeutung. Leider ist es aber nicht immer möglich, Plätze zu finden, die die besten Möglichkeiten für eine gelungene Integration bieten, so wie wir uns das wünschen würden.
Probleme sehen wir daher bei der geplanten Flüchtlings-Unterkunft beim Helle-Müller-Tennis-Park am Hörnle. Und zwar nicht, weil die Umwandlung der Anlage den Wert oder die Attraktivität des Naherholungsgebietes entscheidend schmälern oder gar bedrohen würde, sondern weil es an diesem Ort an Infrastruktur, Einkaufsmöglichkeiten, Aufenthalts- und Begegnungsmöglichkeiten mangelt. Wo sollen die in der Notunterkunft untergebrachten Menschen einkaufen gehen, die Kinder zur Schule gehen? Im Winter gibt es dort rein gar nichts, im Sommer stünde wenigstens der Hörnle-Kiosk zur Verfügung – der aber bei weitem nicht ausreicht.Ausdrücklich distanzieren will ich mich von den Aussagen „besorgter Bürgerinnen und Bürger“, die Geflüchtete, die Unvorstellbares erlebt haben und es glücklicherweise zu uns geschafft haben, unter einen durch nichts zu rechtfertigenden Generalverdacht stellen und Horrorszenarien an die Wand malen.
Nichtsdestotrotz: Wir bitten um Auskunft darüber, wie es mit der Bewertung und möglichen Nutzung stadtnaher und infrastrukturell besser ausgestatteter Alternativ-Flächen für die Unterbringung von Flüchtlingen aktuell aussieht, wie zum Beispiel das Ravensbergareal an der Schneckenburgstraße, das Telekomhochhaus, das ewige Sorgenkind Kompetenzzentrum und last but not least das Siemensareal.
MM/hpk
Herr Dirks spricht mir mit seinem Kommentar aus der Seele.
Ich möchte jeden Befürworter der Lokalitätswahl inständig darum bitten, reiflich abzuwägen ob die mit ihr verbundene Herausforderung auch (tatsächlich und persönlich) verantwortet werden kann.
Die schlechteste Lösung für ein sehr sensibles Naherholungsgebiet von Konstanz, ist die Unterbringung von ca. 300 asylsuchenden Menschen, größtenteils muslimischer Kultur.
Die muslimischen Menschen und deren Sitten und Gebräuche habe ich in 8 Jahren Auslandsaufenthalt (Saudi Arabien) sehr gut kennen gelernt.
Unsere freizügige Kultur kennen diese Menschen nicht im Ansatz, geschweige denn in unmittelbarer Nachbarschaft.
In direkter Nähe zur geplanten Unterbringung (Hörnle) ist das für Konstanz einmalige Naherholungsgebiet Freibad Hörnle incl. FKK, Lorettowald und Seeuferweg.
Stellen Sie sich mal vor, eine vollverschleierte Frau geht zufällig am FKK – Strand vorbei. Für diese Frau ein totaler Schock. Sie hat in Ihrem Leben mögicherweise noch nicht mal Ihren eigenen Mann ganz nackt gesehen.
Aus moralischen Gründen sollte dieses Gebiet auf gar keinen Fall den Flüchtlingen angeboten werden.
Erst nach erfolgter Integration werden diese Menschen unsere Sitten akzeptieren, zum größten Teil jedoch, aber nicht annehmen.
Die Schwimmbäder, Lorettowald und Seeuferweg werden ja nicht nur von Anwohnern des Musikerviertels benutzt, sondern von allen in der näheren Umgebung wohnenden Menschen. Hier suchen die Menschen vor allem Ruhe und Erholung vom Alltagsstress.
Spätesten bei Einbruch der Dunkelheit werden verängstigte und ruhesuchende Menschen (insbesonders Frauen) diese Orte dann meiden.
Wollen wir das?
Ein weiteres Feindbild gegen Flüchtlinge ist hier vorprogrammiert.
Die idealste Unterbringung könnte zum Beispiel im leerstehenden Ravensberg Gebäudekomplex stattfinden.
Natürlich muß den Menschen geholfen werden, aber doch so, dass den Neu – Ankömmlingen nicht gleich unsere freizügigsten und sensibelsten Erholungsräume angeboten werden.
Das passt einfach nicht.
Für das Café Mondial möchte ich noch mal deutlich herausstellen, dass wir uns nicht direkt für die Unterbringung an genau diesem Standort oder diesen Tennisplätzen aussprechen; die konkrete Suche der Standorte ist Aufgabe von Verwaltung und Politik und das überlassen wir auch gerne. Wogegen wir uns wenden, ist eine generelle Ablehnung geflüchteter Menschen auf Grund wirtschaftlicher Gesichtspunkte (ich zitiere mal aus Leserbriefen im Südkurier: „die umliegenden Gastronomien [sind] empfindlich gefährdet, da mit hohen Umsatzeinbußen zu rechnen ist“, „Den wirtschaftlichen Erfolg der Bodenseetherme in Frage zu stellen“) oder pauschale Verdächtigung ganzer Bevölkerungsgruppen auf Grund ihrer Herkunft (Ebenfalls Leserbrief SK: „Unbeschwertes und freizügiges sommerliches Badevergnügen in direkter Nachbarschaft zu 300 Flüchtlingen – meist jungen Männern – aus Kulturkreise, die ebendiese Freizügigkeit nicht kennen oder sogar ablehnen, ist das vorstellbar? Ich meine: nein!“). Wir lehnen daher auch Unterschriftensammlungen auf Basis solcher Argumentationen ab.
Insofern ist für uns eine Unterkunft im Musikerviertel und am Hörnle genausogut vorstellbar wie an jedem anderen Standort auch, und die besondere Lage an einem beliebten Freizeitbad stellt für uns kein Ausschlusskriterium dar.
Ob dies jetzt auf dem TC-Gelände ist, wie Herr Ruff vorschlägt, oder auf dem Helle-Müller-Gelände, das möge dann bitte Politik und Verwaltung gemeinsam entscheiden.
Persönlich habe ich aber dazu eine Meinung und würde hier, leider, Anke Schwede widersprechen: Vom Helle-Müller-Gelände sind es 1,2km bis zum Penny-Markt am Tannenhof. Das finde ich selbst zu Fuß mit ~15 Minuten durch den Lorettowald zumutbar und zum Hörnle fährt ja auch der 5er Bus. Dann sollte man, finde ich, eher darüber nachdenken, ob man (wenn es schon keinen kostenlosen ÖPNV gibt) für Flüchtlinge in dieser Unterkunft einfach die 5 bspws bis zum Sternenplatz kostenlos benutzbar macht oder ob man die Ausstattung mit Fahrrädern stärker forciert.