Aufflackernder Widerstand
Die Initiative „Rettet das Scala“ hatte vergangenen Donnerstag erneut zu einer Informationsveranstaltung geladen und das Foyer des Konstanzer Stadttheaters war mit rund 100 BesucherInnen gut gefüllt. Der begnadete Musikus Bernd Conrad begrüßte die Gäste mit seinem Saxophon. Unglaublich lange und ohne Zwischenatmung zog er seinen letzten Ton hinaus. Eine fast schon symbolische Geste, die wohl sagen wollte: Wir brauchen alle einen verdammt langen Atem.
Wer noch vor wenigen Wochen gedacht oder auch gehofft hatte, dass die Initiative alsbald wieder von der Bildfläche verschwinden würde, der wurde eines Besseren belehrt. „Anfangs waren wir nur zehn“, erklärte Moderator Lutz Rauschnick, langjähriger Sportredakteur beim Südkurier und seit geraumer Zeit im produktiven Unruhestand. Nun aber sei man „stolz und froh über den Zulauf“ und auch darüber, „dass uns die Stadtverwaltung langsam wahr nimmt“. Jetzt stehe unter anderem noch ein Gesprächstermin mit OB Burchardt und Sozialbürgermeister Andreas Osner aus, denn bislang waren aus dieser Ecke nur Plattitüden zu vernehmen. Alleine mit Beileidsbekundungen über den drohenden Untergang der cineastischen Kultstätte will sich die Initiative nicht mehr zufrieden geben.
Es ist in der Tat erstaunlich, was sich da innerhalb kürzester Zeit entwickelt hat. Weit über 1000 Unterschriften für den Erhalt des Scalas sind mittlerweile zusammen gekommen und täglich werden es mehr. Die Facebook-Seite „Rettet das Scala“ verzeichnet enorme Zugriffe und wird massiv „geliket“. Gefordert ist auch dm-Gründer Götz Werner, für dessen fünften dm-Markt in der Stadt das Scala von der Marktstätte verschwinden soll. Theaterintendant Christoph Nix hat Werner kontaktiert und will den überzeugten Anthroposophen „an seinem Anspruch messen“. Nun ja, Werner wäre nicht der erste geschäftstüchtige Esoteriker, der seine vermeintlich ganzheitliche Lebens- und Unternehmensgestaltung dann doch lieber dem süßen Geräusch voller Kassen opfert. Einen Versuch ist es dennoch wert.
Eine Stärke der widerborstigen Initiative ist unter anderem, dass bei ihr ein buntes und breites Spektrum am Wirbeln ist, und die Gruppe auch politisch nicht einer Richtung zugeordnet werden kann. Neben Lokalpromis aus Politik und Kultur engagieren sich zunehmend BürgerInnen, die man ansonsten nur selten als rebellische Aktivisten erlebt. Das gemeinsame Projekt hat mittlerweile ungeahnte Kräfte frei gesetzt: Arbeitsgruppen kümmern sich um Öffentlichkeitsarbeit, andere planen fantasievolle Aktionen und wollen Möglichkeiten des zivilen Ungehorsams ausloten. Sogenannte Flash-Mobs wurden angeregt und sogar von einer Kinobesetzung war kurzfristig die Rede.
Herauszuhören war vor allem Eines sehr deutlich: Ein rasch wachsender Teil der Konstanzer Bürgerschaft ist nicht mehr länger bereit, die ständig ausufernde Kommerzialisierung der Innenstadt und deren Totalausverkauf lammfromm und regungslos hinzunehmen. Sie wollen mitreden, mitgestalten, dafür sorgen, dass vor allem das Herz der Stadt nicht völlig zur seelenlosen Spielwiese rein profitorientierter Filialen wird und soziale und kulturelle Aspekte immer weniger eine Rolle spielen. Man wird sehen, ob die zart keimende Renitenz über den aktuellen Fall Scala hinaus auch Früchte trägt.
H. Reile
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Mit: „geschäftstüchtiger Esoteriker“, der „seine Lebens- und Unternehmensgestaltung doch lieber dem süßen Geräusch voller Kassen opfert“, kommt man im Retten was zu retten ist nicht weit – im Gegenteil! Durch Vorurteile wird bereits im Ansatz ein sinnvoller Dialog erschwert, der in der vorliegenden Causa zu einem anderen Denken führen könnte. Dazu sind auch „Anthroposophen“ fähig.