Der von der Dummheit der Politiker lebt

Wie eine von der Tarantel gestochene Wühlmaus fegt der Kabarettist Urban Priol seit Jahren über die hiesigen Kleinkunstbühnen und hat sich dadurch auch längst einen Stammplatz auf der Mattscheibe erobert. Seine grellen Hawaihemden gehören genauso zu ihm wie sein wirres Haupthaar. Sagen wir es mal so: Würde er seinen Friseur auf Schadensersatz verklagen, stünden seine Erfolgsaussichten bestens. Am 14. April tritt Priol in der Singener Stadthalle auf.

Geboren wurde Priol, der am 14. Mai seinen fünfzigsten Geburtstag feiert, in Aschaffenburg. Nach dem Abitur (Priol: „Das Lehrerkollegium atmete hörbar auf“) stand ihm der Sinn nach einer halbwegs qualifizierten Ausbildung. An der Universität Würzburg startete er einen Versuch als Lehramtskandidat und belegte die Fächer Geschichte, Russisch und Englisch. Doch irgendwie schwante dem braven Studenten noch vor dem Examen, dass seine Berufung eine andere sein würde. Er kehrte der Uni den Rücken und besann sich auf alte Stärken. Da er in jungen Jahren mit Sport rein gar nichts am Hut hatte, besetzte er schon als Pennäler die Rolle des unterhaltsamen Klassenclowns, der zur allergrößten Freude seiner Mitschüler so manchen Lehrer an den Rand der Verzweiflung trieb.

1982 stand Priol dann da, wo er sich bis heute am besten aufgehoben fühlt: Auf der Bühne. Mit dem „Bockshorn Ensemble“ hatte er seine ersten Kabarettauftritte. Es dauerte nicht lange, bis die Medien über ihn berichteten und Priol zu einer regionalen Marke wurde. Ein erster Schritt. 1986 heimste er als Nachwuchskünstler seinen ersten Kabarettpreis ein, das „Passauer Scharfrichterbeil“. Zwei Jahre später eröffnete er mit der „Kochsmühle“ in Obernburg am Main seine eigene Kleinkunstbühne. 1995 schließlich sein erstes Soloprogramm „Köpfe im Kopf“. Kurz darauf nahm Priol reichlich Geld in die Hand und finanzierte seine zweite Kleinkunstoase, den „Hofgarten“ in seiner Heimatstadt Aschaffenburg.

2000 erfolgte der bundesweite Ritterschlag: Priol bekam den „Deutschen Kleinkunstpreis“ und damit die renommierteste Kabarettauszeichnung hierzulande. 2003 erhielt er seine erste eigene TV-Sendung. Mit „Alles muss raus“ war Priol vier Jahre lang monatlich auf 3sat vertreten und erzielte für einen Spartensender erstaunliche Einschaltquoten. In seiner Sendung bot er auch Kollegen eine Bühne und verarbeitete auf hohem Niveau die jeweils politischen Absurditäten, die durchs Land waberten.

Und derer waren und sind nicht wenige: Vor allem die schwächelnden politischen Parteien, die sich mühsam und überwiegend talentfrei zum fröhlichen Abschuss anbieten – müßig, all das aufzuzählen, was die hungernden Mäuler aus der Abteilung politisches Kabarett täglich mit Kraftfutter versorgt. Er müsse, so Meister Priol, nur täglich mehrere Zeitungen lesen, einen Notizblock in Griffweite haben, sich TV-Nachrichten zu Gemüte führen und schon entsteht ein neuer Gag. Oder auch mehrere. Dass Themen zuhauf herum liegen und täglich neue hinzu kommen, führt er auf folgenden lapidaren Tatbestand zurück: „Da es der Dummheit der Politiker geschuldet ist, aus ihrer Dummheit etwas zu machen, ist eigentlich jedes Jahr ein erfolgreiches Jahr.“ Klingt nachvollziehbar und durchweg plausibel.

Den bundesweiten TV-Durchbruch schaffte Priol ab 2007. Zusammen mit seinem kongenialen Partner Georg Schramm präsentierte er knapp vier Jahre lang im ZDF die Kabarettsendung „Neues aus der Anstalt“. Was da monatlich über den Köpfen unseres politischen Personals abgeladen wurde, war einzigartig und auch weitestgehend konkurrenzlos. Hier der wuselige Anstaltsleiter Priol, ihm gegenüber Schramm in seiner Paraderolle als renitenter Pensionär Lothar Dombrowski, der gnadenlos die Tiefen und Sümpfe der real existierenden Gesellschaft geißelte und dabei oft bis an die Grenze des Erträglichen ging und manchmal sogar darüber hinaus.

Eines der besten Kabarettgespanne der deutschen Nachkriegsgeschichte stellte dann aber die Zusammenarbeit im Sommer 2010 ein. Schramm widmet sich seitdem wieder mehr seinen Bühnenprogrammen – und Priol suchte einen neuen Partner. Wer sollte in die großen Fußstapfen passen, die Schramm hinterlassen hat? Kein einfaches Unterfangen. Schließlich einigte man sich auf Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig. Die bisherigen Auftritte waren, na ja, halbwegs passabel. Mehr aber nicht. Klar scheint zu sein: Die alte Klasse wird „Neues aus der Anstalt“ wohl nie mehr erreichen. Möglich auch, dass das Format ausgedient hat, was nach mehreren Jahren auch kein Wunder wäre.

Mit seinem neuen Solo-Programm „Wie im Film“ kommt Priol nun an den See. Die Ankündigung klingt schon mal viel versprechend: „Deutschland im Jahr 2010: Ein Land ohne Agenda, eine Regierung ohne Kompass. Ein Regierungsprogramm mit dem Motto: Scheitern als Chance.“ Dieses Motto wird wohl sicher auch für 2011 gelten.

Am 14.4. gastiert Urban Priol in der Singener Stadthalle. Da es nur noch wenige Karten gibt, empfiehlt sich ein hurtiger Besuch bei einer Vorverkaufsstelle. Wer telefonisch bestellen will: 07731- 66557. Wer keine Tickets für Singen bekommt, kann welche für Lindau ordern, denn dort tritt Priol am 15.4. in der Inselhalle auf: Tel.: 01805-700 733

Autor: H:Reile