Kriegt Konstanz den Panorama-Blick?

Es ist eher ungewöhnlich, dass Investoren auf einer Gemeinderatssitzung für ihr Unternehmen werben dürfen, aber genau das geschah am letzten Donnerstag im Konstanzer Ratssaal ganz unverhohlen. Es ging dabei um die Errichtung eines Panorama-Bildes zum Konstanzer Konzil in einem eigenen Gebäude, evtl. auf dem freien Gelände neben dem Bodenseeforum an der Reichenaustraße.

Man stelle sich das Ganze so vor: Man baut einen runden Turm, etwa 35 Meter hoch und mit einem Durchmesser von 33 Metern, und bringt an dessen Innenwand ein Panoramabild von Konstanz zur Zeit des Konzils an. Das Bild selbst hätte also etwa 3000 bis 3500 Quadratmeter Fläche. Darauf soll ein authentisch wirkendes historisches Konstanz zu sehen sein: Märkte, Händler, Fischer, Geistliche und anderes Viehzeug, das spätmittelalterliche Stadtbild mit allem, was dazugehört; eventuell ja auch mit einer Reformatorenverbrennung, damit es den lieben Kindern nicht gar so langweilig ist. Das Publikum steht auf einem mehrstöckigen Turm in der Mitte des Raumes und kann das Bild in alle Richtungen betrachten, während ein wenig Muzak ertönt. Dazu gibt es eine Begleitausstellung, die Veranstalter hätten gern die große Konzilausstellung aus dem letzten Jahr wiederholt, und fertig ist das Infotainment-Event.

Kultur für lau?

In Pforzheim, nicht gerade Zentrum des Bildungstourismus, hat das dortige Panorama nach Angaben der Veranstalter seit Dezember 2014 weit mehr als hunderttausend zahlende Besucher angezogen, und auch in Berlin, Dresden oder Rouen strömen wohl die Massen. Für den Veranstalter sprach der Pforzheimer Geschäftsführer Wolfgang Scheidtweiler, ein vor allem im Brauerei- und dem Hotelwesen tätiger Unternehmer mit besten Kontakten zur Konstanzer Brauer-Familie Ruppaner.

Vielen Volksvertreter_innen wässerte der Mund sichtlich: Der Veranstalter verspricht der Stadt ein Event für umsonst, ein Appetithappen, dem der stets touristenhungrige Gemeinderat gemeinhin kaum widerstehen kann. Die Stadt müsste das Grundstück stellen, das Gebäude samt Bild würden die Betreiber und der Künstler Yadegar Asisi auf ihr Risiko hin errichten und ausstatten. Man rechnet wohl damit, dass das Projekt etwa 5-10 Jahre lang rentabel laufen kann und dann wieder abgerissen wird. Gelegentlich könnte man auch das Bild wechseln und etwa das bereits vorhandene Rom CCCXII zeigen, das den Zeitpunkt darstellt, als mit Kaiser Konstantin um das Jahr 312 n.Chr. die Christianisierung des Römischen Reiches mit ihren bekanntermaßen verheerenden Folgen begann.

Das alles sieht – aus der Perspektive der Veranstalter wie der des Konstanzer Chefmanagers Uli Burchardt – nach einer Win-win-Situation aus, denn der Veranstalter könnte Kasse machen und die Stadt sich über mehr Touristen und Gewerbesteuer freuen, ohne selbst ein wirtschaftliches Risiko einzugehen.

Volksvertreter sind beeindruckt

Der Oberbürgermeister hat das Panorama in Berlin gesehen, und auch Michael Fendrich (FDP) lobte zwei ihm bekannte Panoramen in den höchsten Tönen. Am 02. März wollen einige Gemeinderätinnen und -räte nach Pforzheim ausschwärmen, um sich dort vor Ort kundig zu machen. Wie es dann weitergeht, ist offen, aber es sieht so aus, dass zumindest Uli Burchardt das Projekt vorantreiben will. Was die Bevölkerung dazu sagen wird, wenn man einen voluminösen Turm von knapp der halben Höhe des höchsten Münsterturms für 5–10 Jahre an das Ufer des Seerheins klotzt, bleibt abzuwarten. Aber einem geschenkten Gaul schaut man selbst in Konstanz nicht gern ins Maul.

O. Pugliese