Kandidaten-Kür im K9: Im falschen Film?

seemoz-ver.di zur wahlViel Eintracht und nur wenige strittige Standpunkte gab es beim ersten Auf­ein­ander­treffen der LandtagskandidatInnen im K9. Vor allem Fabio Crivellari (CDU) und Jürgen Keck (FDP) rückten ein ums andere Mal von Positionen ihrer Partei ab, so dass der Linke Simon Pschorr sich verwundert fragte, ob er noch „im richtigen Film“ sei. Oder kannten einige Kandidaten ihr Partei-Programm nicht? Oder profilieren sie sich gar als Partei-Rebellen? Oder schwindelten sie schlicht?

Die von der Gewerkschaft ver.di organisierte – und von ihrem Pressesprecher Andreas Henke stringent moderierteKandidatInnen-Runde sollte sich mit Gewerkschaftsthemen auseinander setzen. Da war klar, dass die Vertreter bürgerlicher Parteien einen schweren Stand haben würden. Aber dass Jürgen Keck (FDP) und Fabio Crivellari (CDU) zum Beispiel für eine Verkürzung der Ladenöffnungszeiten eintreten würden oder der Gemeinschaftsschule gute Noten gaben, verwunderte dann doch. Keck ging sogar noch weiter und redete der Mitbestimmung das Wort, als es um eine Reform des Personalvertretungsgesetzes ging, die uneingeschränkt nur von Simon Pschorr (Die Linke) gefordert wurde.

Wo blieben die Millionen?

Nicht verwunderlich war, dass die VertreterInnen der Stuttgarter Regierungsparteien die Arbeit der Landesregierung regelmäßig in höchsten Tönen lobten. Vor allem Nese Erikli (Grüne), die stets eifrig aus Unterlagen ihrer Parteizentrale zitierte, fand ihren Landesvater einfach wunderbar und verwies z. B. bei der Gesundheitspolitik auf Finanzierungen aus Stuttgart, die auch nach Meinung von Peter Friedrich (SPD) zum Abbau des Investitionsstaus geführt hätten. „Aber bei den PflegerInnen und Krankenschwestern kam das nicht an, wo blieben denn die Millionen?“ kritisierte Pschorr, der als einziger in der Runde das Krankenhausstrukturgesetz als Fehler bezeichnete, der zurück genommen werden sollte.

Wer ist für TTIP?

Einzig bei allgemein-politischen Themen gab es Unterschiede auf dem Podium: Als aus dem Publikum das Thema der Freihandelsverträge TTIP und Ceta angesprochen wurde, erwies sich Friedrich als glühender Verfechter der Verhandlungen, Crivellari plädierte für eine „Mitgestaltung“ und Keck meinte, solche Verträge täten dem Exportweltmeister Deutschland nur gut. Wieder war es alleine Pschorr, der diesen Verträgen vor allem mit Blick auf die „unfairen Schiedsgerichte“ eine deutliche Absage erteilte.

Und bei der Frage nach eine Bagatellgrenze für Ausfuhrscheine waren nur Friedrich (er hatte das Thema publikumswirksam im Bundesrat eingebracht) und Pschorr für eine Begrenzung, während die übrigen Diskutanten brav das IHK-Credo herunter beteten, wonach das Problem für die überforderten Zöllner viel besser „durch eine elektronische Lösung“ behoben werden könnte.

Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung

Doch, wie geschrieben, bei fast allen anderen Themen herrschte Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung auf dem Podium: Alle traten für ein Ende der befristeten Arbeitsverträge ein, keine(r) war für eine Wiedereinführung von Studiengebühren, alle sprachen sich für eine Änderung des baden-württembergischen Wahlrechts aus, alle wollen mehr sozialen Wohnungsbau. Wen schert es da, dass die Regierungsparteien in Berlin und Stuttgart eine genau entgegengesetzte Politik fahren? Wie gesagt: Man glaubte sich im falschen Film.

hpk