Was sagen Konstanzer LandtagskandidatInnen zur Flüchtlingspolitik im Landkreis und im Ländle?

Gestern lud der Südkurier zur Podiumsdiskussion zum Thema „Flüchtlinge“ mit den Landtagskandidaten der CDU, SPD, Grünen, Linken, FDP und AfD ins Radolfzeller Milchwerk. Der Saal war fast zur Hälfte gefüllt. Wer allerdings auf einen deftigen Schlagabtausch zwischen dem Kandidaten der AfD und den Bewerbern der übrigen Parteien gespannt war, wurde enttäuscht.

Es wurde verlautbart, dass Cay Dietrich Amey, der AfD-Kandidat, die Veranstaltung vor anderthalb Tagen aufgrund eines Unfalls abgesagt hätte. Er läge im Krankenhaus und würde dort stationär behandelt. Auch sein Stellvertreter, Rüdiger Rappen, scheute offenbar eine öffentliche Auseinandersetzung, weshalb er einem privaten Termin an besagtem Abend lieber den Vorzug gegeben habe.

Nach der Begrüßung durch den Chefredakteur, Stefan Lutz, führten Dieter Löffler, Leiter der Politikredaktion, und Jörg-Peter Rau, Leiter der Stadtredaktion und Regionalleiter, durch den Abend. Unterstützt wurden die beiden Moderatoren dabei vom Leiter der Online-Redaktion, Sebastian Pantel, der am Computer einen Faktencheck à la Hart-aber-fair durchführte, wenn sich die Kandidaten über Zahlen und andere Tatsachen nicht einig waren. Auch ansonsten war die Diskussion ausgeklügelt geplant mit Redezeit für Fragen und Antworten und entsprechend groß eingeblendeter Stoppuhr.

Kurz und knapp

Zu Beginn erhielt jeder Kandidat eine individuelle Einstiegsfrage, die natürlich immer etwas aus der Reserve locken sollte: Fabio Crivellari (CDU) steht vollkommen hinter Merkels Flüchtlingspolitik und lehnt nationale Alleingänge wie beispielsweise den der Ungarn ab. Peter Friedrich (SPD) ist ebenfalls für übereuropäische Lösungen in der Flüchtlingspolitik und für eine gezielte Rückführung. Nese Erikli (Grüne) hält Boris Palmer für einen „Super-OB“, auch wenn sie sich mit ihm gut streiten könne, aber seine Kritik hält sie für angemessen, vor allem weil er, also Palmer, hinter Kretschmann stehe. Jürgen Keck (FDP) hält Merkels Flüchtlingspolitik der „unumfänglichen Willkommenskultur“ für ein ins Chaos ausgeartetes Etwas und spricht dabei vom Verlust von Rechtsstaatlichkeit. Simon Pschorr (Die Linke) spricht sich für eine weiterhin großzügige Aufnahme von Flüchtlingen aus, hält den Raum Konstanz-Radolfzell für Anschlussunterbringungen allerdings für ungeeignet und ist der Meinung, dass jeder Kreis nach seiner Façon zur Hilfe für Flüchtlinge beitragen könne.

Diese Anfangsstatements bringen die Positionen im weiteren Verlauf der Diskussion eigentlich auf den Punkt. Jürgen Keck war der Meinung, dass Probleme mit Flüchtlingen erst seit den Vorkommnissen in der Kölner Silvesternacht offen angesprochen werden könnten und dass Zuwanderung wieder in „geregelteren Bahnen“ erfolgen müsse. Lob und Hochachtung hatte er allerdings für die vielen ehrenamtlichen Helfer, die aber immer wieder durch behördliche Schranken blockiert würden. Peter Friedrich waltete – wie immer – gebührend seines ministerialen Amtes und berichtete stolz, wie viel Fördermittel das Land Baden-Württemberg für den Bau von Flüchtlingsunterkünften zur Verfügung stellte und dass er sich für einen Sozialpakt einsetze.

Wie Fabio Crivellari unterstützt auch die Kandidatin der Grünen, sowie ihr Ministerpräsident Kretschmann, was sie nie müde wurde zu betonen, die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Jedoch verwies sie mehrfach darauf, was die KonstanzerInnen und RadolfzellerInnen sich einkaufen würden, wenn sie ihre Stimme am 13. März Herrn Crivellari gäben, nämlich Guido Wolf, den Pschorr in der Rolle des Ministerpräsident als den „Super-GAU“ für Baden-Württemberg bezeichnete. Ob nun Kretschmann, der offenbar in Begriff ist, einen Ersatz für die abgeschaffte Residenzpflicht mit Namen „Wohnortbindung“ einzuführen, eine wahre Alternative ist, sei hier dahingestellt. Jedenfalls sieht sich Crivellari nicht als „Fackelträger für Wolf“.

AfD? Hui! Pfui!

Minister Peter Friedrich zeigte sich erschrocken von der verblüffenden „Doppelstrategie“ der AfD, die Gutbürgerlichkeit mit Rechtsextremismus vereine und damit Ängste der Bürger missbrauche. Auf die Frage, wie sie denn mit der AfD im Landtag umgehen würde, meinte Erikli, sie könne zwar „poltern“, aber sie könne auch an den Punkt geraten, an dem sie aufgebe, mit der AfD zu reden. Während sich Pschorr gerade für gewaltfreien Widerstand gegen die AfD aussprach und das mit einem Beispiel gelungenen Protests einiger Antifaschisten vor einem Wahlkampfstand der rechten Partei in der Konstanzer Altstadt untermauerte, war Crivellari der Ansicht, dass genau diese Ausgrenzung durch die etablierten Parteien der AfD in die Karten spiele.

Zur Flüchtlingssituation boten die Landtagskandidaten unterschiedliche Handlungskonzepte, die sich doch in einigen Punkten überschnitten. Jürgen Keck sprach sich dabei wohl für die „radikalste“ Lösung aus. Deutschland könne nicht weiter unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen, schon gar nicht in derart ungeregelten, unbürokratischen Bahnen. Er möchte Schlepper-Kriminalität bekämpfen und einen verträglichen Mittelweg finden. Solche „Massen“ an Menschen könne man in so kurzer Zeit nicht vernünftig integrieren. Während Crivellari an Merkels aktuellem Kurs festhielt und sich strikt gegen den Spitzenkandidaten der CDU, Guido Wolf, positionierte, forderten Erikli und Friedrich ein Einwanderungsgesetz, das aber eine Aufgabe der Bundes ist. Pschorr hingegen sieht vor allem die Europäische Union in der Pflicht, die stärker gegen die Vertragsverletzungen ihrer Mitgliedsstaaten vorgehen und eine gesamteuropäische Strategie entwickeln müsse. Darüber hinaus appellierte er immer wieder an die Zuschauer und seine Mitstreiter, dass sie nicht vergessen dürften, dass sie es hier mit Menschen zu tun haben, die ein Recht darauf haben, genauso in Würde zu leben wie alle anderen auch.

Carla Farré