„Was ist aus den Wahlversprechen geworden?“
„So jung und dann so gut“ – meine Sitznachbarin, beileibe keine linke Stammwählerin, gestern im unteren Konzilsaal war erkennbar beeindruckt von Katja Kipping. Die 38jährige Co-Bundesvorsitzende der Linken riss mit ihrer politischen Tour d‘ Horizon die fast 200 Zuhörer immer wieder zu spontanem Applaus hin, überraschte mit präzisen Zahlen und stimmigen Argumenten. Die Wahlwerbung, die sich die beiden linken Landtagskandidaten Jürgen Geiger und Simon Pschorr erhofft hatten, schlug ein.
Von der Wohnungspolitik („Bayern investiert dreimal so viel in den sozialen Wohnungsbau wie Baden-Württemberg“) bis zu Hartz IV, von der Geflüchteten-Problematik („Ich will nicht wieder hinter einer Grenze mit Schießbefehl leben“) bis zu den ‚Freihandelsabkommen‘ reichte der aktuell-politische Rundumschlag. Mit kratziger Stimme bot die stark erkältete Katja Kipping dennoch ein eineinhalbstündiges Soloprogramm, das nach Meinung vieler ZuschauerInnen länger hätte dauern sollen – allein, wer als Bundespolitikerin nach Konstanz kommt, muss angesichts der örtlichen Verkehrsbedingungen rechtzeitig wieder weg, um Termine des folgenden Tages nicht zu versäumen.
„Kostenfreie Kitas, Landesozialticket – was wurde aus Wahlversprechen?“
„Auf 14 Eigentumswohnungen kommt im Ländle gerade mal eine Mietwohnung. Und dann gibt die Stuttgarter Regierung noch tausende Wohnungen der Landesbank aus der Hand. Immerhin stehen bundesweit 1,7 Millionen Wohnungen leer – da muss eine staatlich verordnete Zwischennutzung her“, schimpfte Kipping und warf der grün-rosa Landesregierung vielfältigen Bruch von Wahlversprechen vor. Lehrerstellen würden eingespart statt aufgebaut, die vor der vorigen Wahl versprochenen kostenfreien Kitas und das zugesagte Landessozialticket seien längst vergessen.
Aber auch Bundes- und Weltpolitisches sparte Kipping nicht aus – kein Wunder, wenn die Diskussion immer wieder auf den Umgang mit Geflüchteten kam. Vom Elektroauto bis zur Drogenpolitik, von Parteispenden („Die Linke nimmt keine Spenden von Firmen an“) bis zum Kampf gegen IS reichte das Spektrum. Nein, nicht die Flüchtlinge seien schuld an der aktuellen Erhöhung der Krankenkassen-Beiträge, sondern Schäubles Sucht nach der schwarzen Null. Und ja, die Linke tritt für eine Entkriminalisierung des Drogenkonsums ein, weil nur so das Dealer-Unwesen ausgetrocknet werden kann. Und wiederum nein, der IS kann nicht mit Waffen besiegt werden, sondern nur durch Kontensperrung und Wirtschaftsboykott, in der Krise um die Ukraine habe sich ja erwiesen, dass solche Maßnahmen funktionieren – wenn man denn will.
Schutz vor Armut …
„Schutz vor Armut, Stärkung des Öffentlichen, Solidarität mit Flüchtlingen“, so fasste die Bundesvorsitzende die aktuellen Schwerpunkte ihrer Partei zusammen und forderte eine Sozialgarantie. „Während der Bankenkrise hat Frau Merkel eine Sparer-Garantie abgegeben und damit einen Run auf die Sparkonten verhindert. Warum gibt sie jetzt nicht eine Sozialgarantie ab und nimmt damit den rechten Hetzern den Wind aus den Segeln?“
Jürgen Geiger, Landtagskandidat der Linken im Wahlkreis Singen, warb in seinem Schlusswort noch einmal kräftig für die Linke und verwies auf die Wichtigkeit einer wahren Opposition im Stuttgarter Landtag: „Denn wir geben die Themen vor, ob Mindestlohn oder sozialer Wohnungsbau. Und ehrlich: Einmal Kretschmann ist genug“.
hpk
Luana Thalmann
Die vhs setzt den beginn ihrer Vorträge auf 19:30 Uhr an, damit genügend Zeit für Vortrag, Fragerunde und Diskussion ist. Unser sehr engagierter Abenddienst sollte aber auch um 22:00 Uhr Feierabend machen können, denn so lange geht seine Arbeitszeit. Es gibt keine starre Order seitens der vhs, dass der Raum um 21 Uhr verlassen werden muss, denn wir wissen aus Erfahrung, dass ein Abend oft erst durch die Diskussion so richtig spannend wird. Wir streben aber im Interesse unserer Mitarbeitenden auch einen pünktlichen Arbeitsschluss um 22:00 Uhr an. Ich kann ihnen versichern, dass die Mitarbeitenden oft genug länger freiwillig im Interesse unserer Teilnehmenden anwesend sind, dass sollte aber die Ausnahme bleiben.
Zwei intelligente, kompetente, und gute Rednerinnen in einer Woche hier in Konstanz! Ulrike Hermann und Katja Kipping!!! ein wahrer Genuss, auch wenn es inhaltlich um wenig Erfreuliches ging.
Leider hatte die VHS nur den Astoria-Saal parat, der aus allen „Nähten platzte“, da soviele Interessierte den kritischen, volkwirtschaftlich, sowie historisch fundierten Vortrag von U. Hermann hören wollten.
Und dann wurde vorweg durch die Stellvertreterin von Frau Jacobs-Krahnen auch noch die Redezeit von Frau Hermann gekürzt und u.a. angekündigt, der Saal müsse um 21h verlassen werden, weil noch die Stühle für den nächsten Kursmorgen gestellt werden müssten.
Ja, wie provinziell ist das denn?
Anscheinend sind retundante Einlassungen zu allen möglichen „brandaktuellen“ Veranstaltungshinweisen für die VHS wichtiger als eine Sachkundige, die wirklich etwas zu sagen hat.
Jürgen Geiger weist zurecht auf die katastrophale Unterversorgung im sozialen Wohnungsbau hin. Diese Situation ist nur dadurch zu erklären, daß seit 1990 2,5 Millionen Sozialwohnungen in Deutschland an Immobilienspekulanten verhökert wurden und CDU, SPD und Grüne keinerlei Anstalten machten, diesem Treiben Einhalt zu gebieten.