ECE: Nebelkerzen aus dem Singener Rathaus

seemoz-ECEIm Singener Rathaus scheinen angesichts des wachsenden Widerstands gegen das ECE-Einkaufszentrums die Alarmglocken zu schrillen. Mit einer jüngst veröffentlichten Pressemitteilung versucht die Stadtverwaltung offenbar, wieder in die Offensive zu kommen. Dazu greift man die Frage der Gegner auf, ob die für das Center vorgesehenen Filialisten überhaupt nennenswerte Gewerbesteuerbeträge zahlen würden.

Monika Harder – bei der Verwaltung unter anderem zuständig für die Gewerbesteuer – erklärt kurzerhand, die Projektkritiker behaupteten, alle Gewerbesteuerbeträge fielen am ECE-Hauptsitz an und flössen deshalb dem Hamburger Haushalt zu. Völlig falsch, wettert die städtische Steuerspezialistin, und verweist, einmal so in Stellung gebracht, solche Aussagen ins Reich der Gerüchte. Dumm nur, dass das in der Debatte nie jemand behauptet hat, zumindest nicht die Bürgerinitiative und DIE LINKE ebensowenig. Die Falschbehauptungen der Rathausspitze machen eine Klarstellung nötig.

Das Gewerbesteueraufkommen einer Gemeinde hängt, neben dem Hebesatz, von den Gewerbeerträgen der betroffenen Unternehmen ab. Die Gewerbeerträge vieler Discountketten werden durch Lizenzzahlungen und die geschickte Nutzung globaler Wertschöpfungsketten in Niedrigsteuerländern und fragwürdige konzerninterne Verrechnungspreise trickreich kleingerechnet (z.B. Starbucks, McDonalds und andere). Facheinzelhandelsbetriebe, auch Filialunternehmen, wie z.B. Mode-Zinser oder Karstadt, können das nicht. Die typischen „Wasserkopfkosten“, wie beispielsweise hohe Managergehälter, reduzieren das Gewerbesteueraufkommen ohnehin schon stark im Vergleich zu inhabergeführten Unternehmen.

Noch wichtiger sind aber die am jeweiligen Filialstandort anfallenden Personalkosten. Auch dabei wird kräftig getrickst: Die Gehälter für Geschäftsführer und Verwaltungsmitarbeiter verbuchen die Ketten andernorts, auch die miesen Löhne, die von Billigketten gezahlt werden, reduzieren die Gewerbesteuerabführungen. Unter dem Strich liegt diese sogenannte Personalaufwandsquote in Betrieben des Facheinzelhandels oft doppelt so hoch wie bei Discountern. Übrigens zahlen die Inhaber von Personenunternehmen auch Gewerbesteuer auf Entnahmen für ihren Lebensunterhalt, ganz im Gegensatz zu den als Kapitalgesellschaften organisierten Filialketten.

Schon gegenwärtig ist in Singen eine Ausweitung von Verkaufsflächen durch solche Filialisten zu beobachten. Die durch diese Entwicklung verursachten Geschäftsaufgaben haben bereits jetzt für sinkende Gewerbesteuereinnahmen gesorgt – von der Verwaltung wird das achselzuckend als „normal“ bezeichnet. Käme der gigantische ECE-Konsumtempel, würde sich dieser Prozess stark beschleunigen, noch mehr kleine Einzelhändler, ohnehin durch die Internetkonkurrenz gebeutelt, müssten aufgeben.

Frau Henke von der Bürgerinitiative „Für Singen“ muss deshalb Recht gegeben werden: Wer rechnen kann weiß, dass mindestens 80 zusätzliche Läden für Singen zu viel sind. Sie würden den gut aufgestellten Facheinzelhandel in der Innenstadt in einen ruinösen Preiswettbewerb treiben. Arbeitsplatzverluste, weitere Leerstände und – ja – sinkende Gewerbesteuereinnahmen wären die Folge.

Jürgen Geiger, Landtagskandidat, DIE LINKE/Peter Mannherz, Steuerberater