Von Täuschern, Betrügern und schlechtem Essen

Beim Lesen der „Essensfälscher“ vergeht jedem der Appetit. Der Report über die Lügen und Täuschungsmanöver der Lebensmittelkonzerne und Supermärkte, seit Wochen in den Bestseller-Listen, listet die Machenschaften von Nestlé, Unilever und Co. fast schon lexikalisch auf: Vom Schwarzwälder Schinken, für den das Fleisch aus ganz Europa in den Schwarzwald gekarrt wird, bis zum Pesto von Bertolli, das kaum Olivenöl und Pinienkerne, sondern die billigeren Cashewnüsse enthält. Bode begründet mit diesem Buch seinen Ruf vom „Lebensmittel-Kontrolleur der Nation“.

Thilo Bode gründete vor acht Jahren die Verbraucherrechtsorganisation Foodwatch. Zuvor leitete er sechs Jahre lang die internationale Umweltschutzorganisation Greenpeace, nachdem er vorher die deutsche Greenpeace-Sektion angeführt hatte. Er weiß also, wovon er schreibt, wenn er die ausgebufften Strategien der Lebensmittelkonzerne geißelt: Fitness -Produkte? Machen nicht fit, sondern fett. Der traditionell und regional hergestellte Schwarzwälder Schinken? Stammt tatsächlich aus Massentierhaltung und kommt aus ganz Europa. Gesunde Kinderprodukte sind versteckte Zuckerbomben. Überhaupt Zucker: Brauchen wir gar nicht. Bio-Apfelgetränke? Haben noch nie einen Apfel gesehen.

Ein „Who is Who“ der Lebensmittelindustrie

Die Liste der angeprangerten Firmen liest sich wie ein „Who is Who“ der Lebensmittelindustrie. Nur wenige Beispiele:

  • Begriffe wie traditionelles Rezept oder Originalrezeptur sind nicht geschützt und können willkürlich benutzt werden. Das angeblich nach traditioneller Rezeptur hergestellte „Bertolli-Pesto“ von Unilever beipielsweise enthält nur eine winzige Alibimenge der traditionellen Pesto-Zutaten Olivenöl und Pinienkerne. Hauptsächlich besteht die Nudelsauce aus deutlich billigerem Sonnenblumenöl und Cashewkernen sowie Aromen.
  • Im „Mövenpick Gourmet Frühstück Erdbeere“ vom Konfitüren-Hersteller Schwartau ist angeblich die „Königin der Erdbeeren“ verarbeitet – in Wahrheit wird nur eine Sorte verwendetet, die in der Konfitürenindustrie schon lange Standard ist.
  • Danones angebliche Gesundheitswunder „Actimel“ und „Activia“ versprechen eine besondere Wirkung auf das Verdauungssystem und die Abwehrkräfte. Dafür kosten die Produkte drei- bis viermal so viel wie normaler Naturjoghurt. Besser wirken sie allerdings nicht unbedingt. „Actimel“ schützt beispielsweise nicht vor Erkältungen. Und auch Naturjoghurt kann sich positiv auf die Darmflora auswirken und das Immunsystem anregen, enthält aber nur halb so viel Zucker wie „Actimel“.

„Diese haarsträubenden Täuschungsmanöver haben System“, so Bode. „Nahrungsmittelkonzerne sind an die Grenzen ihrer Wachstumsmöglichkeiten gestoßen. Also drehen sie uns mit milliardenschweren Werbe-Etats nur vermeintlich neue und bessere Produkte an. Diese gaukeln jedoch Qualität lediglich vor und gefährden zudem oft genug unsere Gesundheit“.

Bode lässt bei seiner Kritik die Politiker nicht aus: „Die Politik muss sich entscheiden, wessen Interessen sie stärker gewichten will, das Schutzinteresse der Konsumenten oder die Freiheit der Unternehmen…….Dem Verbraucherinteresse ist nur gedient, wenn die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen aktuell sind und namentlich Ross und Reiter der Täuscher nennen. Wenn es sich dabei nur um wenige „schwarze Schafe“ handelt, wie Verbandsfunktionäre gerne behaupten, sollte der große Rest der Branche auch keinen Grund zur Sorge vor den namentlichen Veröffentlichung haben“. Für Verbraucherschutzministerin Aigner (CSU) ist Bode denn auch ein rotes Tuch, dem sie regelmäßig „Panikmache“ vorwirft.

Das Smiley-System

Dass Verbraucherschutz auch anders geht, belegt Bode am Beispiel Dänemark.“In jedem dänischen Lebensmittelgeschäft, Restaurant oder Imbiss, aber auch in Kantinen, Schul- und Altenheim-Mensen müssen die Betreiber darüber informieren, wie sie bei der letzten Kontrolle durch die Lebensmittelbehörde abgeschnitten haben. Der Bericht muss an einer gut sichtbaren Stelle aushängen, und, damit deren Quintessenz im Vorübergehen erfasst werden kann, helfen Smiley-Symbole in wenigen Abstufungen vom traurigen bis zum lachenden Gesicht. Das Urteil der amtlichen Verbraucherschützer ist in Dänemark also kein Staatsgeheimnis wie bei uns, sondern das selbstverständliche Recht jedes Lebensmittel-Konsumenten“.

Das 224-Seiten-Buch „Die Essensfälscher. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen“ enthält auf jeder Seite alarmierende Enthüllungen über unsere alltäglichen Lebensmittel – wie sie produziert, wie sie im Supermarkt angepriesen werden und was sie mit unserer Gesundheit anstellen. Ein wichtiges Buch, ein gut lesbares Buch. Ein Buch allerdings, das selbst Singles nicht während des Essens lesen sollten. Denn dann würde jedem schlecht.

Autor: Hans-Peter Koch

Das Buch: Thilo Bode: „Die Essensfälscher. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen“. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main; 224 Seiten; 14,95 Euro.