Hunderte Ostermarschierer prangern Krieg, Waffenexporte, Vertreibung und Flucht an
Mehr als 750 Ostermarschierer haben am Montag in Romanshorn die Kriegstreiberei in aller Welt und deren Unterstützung durch westliche Waffenexporte angeprangert. Bei der Abschlusskundgebung des 8. Internationalen Bodensee-Friedenswegs warf Ulrich Tilgner dem Westen eine Mitschuld an den zunehmenden blutigen Konflikten, dem Erstarken des Terrors und der höchsten Zahl von Flüchtlingen seit dem Zweiten Weltkrieg vor.
„Der im historischen Vergleich lange Frieden in Europa hat einen Preis, den die Europäer heute zahlen müssen“, sagte Tilgner, Nahost-Experte, TV-Korrespondent und Buchautor, bei der Kundgebung in der katholischen Kirche. Die Waffen- und Kriegsexporte hätten zum Entstehen von Elend und von politischen Katastrophen ausserhalb Europas beigetragen, „die Not und Elend für Millionen“ bedeuten.
Tilgner (s. Foto unten) wertete die europäische Flüchtlingskrise als „direktes Resultat“ einer verfehlten Sicherheitspolitik westlicher Staaten im Irak, in Afghanistan und in Syrien. Die Terroranschläge von Brüssel und Paris seien Teil einer „Kette des Irrsinns“, für den der Westen mitverantwortlich sei, so Tilgner.
Gedenken und ein Appell
Zuvor hatten die Ostermarschierer gemeinsam der Opfer der Terroranschläge in Brüssel gedacht. „Wir gedenken aber auch der vielen Toten, der Verletzten bei Luftangriffen in Syrien, Irak, Jemen, Pakistan, Nigeria und Burkino Faso“, sagte der Organisator des Ostermarschs, Arne Engeli. Opfer seien oft auch unbeteiligte Zivilisten. „Opfer auch von Waffen, die hier am Bodensee produziert wurden.“ Der Friedensaktivist aus Rorschach unterstrich, die Antwort auf die Attentate von Brüssel und Paris könne keine „Ausweitung der Kampfzone“ sein. Gegen blutige Gewalt wie diese, so Engeli, nutze weder ein Überwachungsstaat noch neue Bomben: „Wer Frieden will, muss Frieden vorbereiten. Und Frieden ist die Frucht der Gerechtigkeit.“
Die Teilnehmer des Friedenswegs aus der Schweiz, Deutschland und Österreich waren am Vormittag vom Bahnhof aus unter dem Motto „Wer Waffen sät, wird Flüchtlinge ernten“ durch die Hafenstadt am Bodensee gezogen. An mehreren Stationen im Stadtgebiet machten sie zu Kundgebungen Halt.
„Flüchtlinge als Menschen achten“
Vor der psychosozialen Tagesstätte Betula forderte deren Leiter Christian Brönimann ein Umdenken beim Umgang mit Flüchtlingen. Die „Achtung vor dem Menschen“ müsse stets „ein zentraler Wert“ sein, sagte Brönimann. Wer Flüchtlingen auf der Suche „nach einem Weg zwischen Traum und Traumata“ tatsächlich helfen wolle, müsse die Frage nach der Qualität der Flüchtlingsbetreuung stellen, sagte Brönimann an die Adresse der europäischen Staaten.
Die DemonstrantInnen erinnerten bei ihrem Zug durch Romanshorn auf Plakaten und Spruchbändern daran, dass Flüchtlingsdramen und Kriege auch mit Waffen aus der Schweiz, Deutschland und Österreich befeuert werden. Gerade an den Ufern des Bodensees werde von mehr als 20 Unternehmen Militärtechnik produziert.
Wider die Verharmlosung des Atomkriegs
Was Waffen und speziell atomare Bomben anrichten können, beschrieb eindrücklich die Zürcher Regisseurin Aya Domenig. Ihr Großvater hatte 1945 den Atombombenabwurf auf Hiroshima miterlebt. In ihrem aktuellen Film „Als die Sonne vom Himmel fiel“ prangert sie die staatlich verordnete Verharmlosung der gesundheitlichen Folgen für hunderttausende Menschen in Japan an. Diese Verharmlosung, sagte sie in Rorschach, sei letztlich die Voraussetzung für die von den USA danach propagierte „friedliche Nutzung“ der Atomenergie gewesen. Niemand habe von den tatsächlichen Folgen erfahren sollen. Das habe „um jeden Preis verhindert“ werden müssen. In diesem Zusammenhang erinnerte Domenig an die Atomkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima.
Warnung vor TTIP und Co.
Am alten Zollhaus am Hafen warnte der deutsch-schweizerische Schriftsteller Jochen Kelter vor den Gefahren für den Rechtsstaat und die Demokratie durch das Erstarken von Freihandel und Großkonzernen. Wenn die derzeit verhandelten internationalen Freihandelsabkommen CETA, TTIP und TiSA ratifiziert werden, so Kelter, „würde das endgültig die Weltherrschaft der Konzerne und das Abdanken der Politik bedeuten.“ Problematisch seien insbesondere die Schiedsgerichte, die eine ordentliche Gerichtsbarkeit im Fall von Streitigkeiten ersetzen sollten.
Zu dem 8. Internationalen Friedensweg am Bodensee hatten mehr als 50 kirchliche, soziale, gewerkschaftliche und friedenspolitischen Organisationen aus der Schweiz, Österreich, Deutschland und Liechtenstein aufgerufen. Unter anderem zählen Amnesty International, der Schweizerische Friedensrat und Pax Christi zu den Unterstützern.
Wolfgang Frey (Text und Fotos)