Scala: Stadt für alle – statt für wenige
Der massive Bürgerprotest gegen die drohende Schließung des Scala-Kinos hat einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Das Gutachten eines renommierten Berliner Büros stellt vor allem der Verwaltungsspitze ein grottenschlechtes Zeugnis aus.
Der Einschätzung von Südkurier-Redakteur Michael Lünstroth: „Das Scala-Gutachten ist eine Ohrfeige für die Rathausspitze“ kann man vorbehaltlos zustimmen. Seit gut einem Jahr ist klar, dass das Scala in seiner jetzigen Form vor dem Aus steht. Viel dazu war vor allem von Oberbürgermeister Uli Burchardt nicht zu vernehmen und auch Baubürgermeister Langensteiner-Schönborn übte sich in Schmallippigkeit.
Schade sei das ja irgendwie schon, war meist zu hören, aber da könne man eben nichts machen, das Scala habe keine Zukunft. Würde sich die Stadt direkt einmischen, so ein immer wieder formulierter Satz, käme außer hohen Kosten für einen verlorenen Prozess nichts dabei heraus. War es nicht gerade der seit 2012 amtierende OB, der während seines Wahlkampfs keine Gelegenheit ausließ, das Prinzip der Nachhaltigkeit zu beschwören?
Der vermeintliche Zwergenaufstand vieler BürgerInnen würde eh bald versickern, meinte man. Falsch gedacht, denn das nun vorliegende Gutachten belegt: Die Verwaltung hat mit einem Bebauungsplan und einer Veränderungssperre durchaus Möglichkeiten, einer unheilvollen Stadtentwicklung einen Riegel vorzuschieben – wenn sie denn will (seemoz berichtete). Es wäre auch ihre Aufgabe gewesen, die Sachlage prüfen zu lassen und zuallererst ein Gutachten in Auftrag zu geben.
Alleine in den vergangenen drei Jahren hat man mehrere hunderttausend Euro für diverse Gutachten locker gemacht, darunter einige, die so unnütz waren wie der sprichwörtliche Kropf. Peinlich genug, dass es nun der Bürgerinitiative vorbehalten war, ein Gutachten erstellen zu lassen, das den Gestaltungsrahmen einer verantwortungsvollen und nachhaltigen Stadtpolitik, die sich nicht nur von Kapitalinteressen leiten lässt, deutlich aufzeigt.
Der hartnäckigen Bürgerinitiative ist es zu verdanken, dass die Debatte um das Scala aktueller ist denn je. Überregionale Berichterstattung in großem Umfang hat zusätzlich dafür gesorgt, dass sich in den kommenden Wochen auch die gemeinderätlichen Gremien ernsthaft mit dem Thema befassen müssen. Die Zeit für ein Umdenken ist knapp bemessen, doch aussichtslos ist der Kampf um eine lebenswerte Stadt keineswegs. Wie immer er auch ausgehen mag: Die derzeitigen Verlierer sitzen im Rathaus.
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H. Reile
Wenn herr Rügert hier schon einen Satz aus dem Gutachten zitiert erlaube ich mir mal einfach den Schlussatz ebenso zu zitieren: „Die Entscheidung, wie sich die Stadt Konstanz verhalten will, liegt dabei in der Hand des Gemeinderates.“ Das sollte die entscheidende Frage sein, denn es handelt sich hier um eine politische Entscheidung. Hoffentlich beherzigen die Gemeinderäte dies.
Im Übrigen finde ich es ja schon mutig, dass ausgerechnet die Stadt Konstanz sich jetzt auf eine Prozessrisikoanalyse stützt – War man da in der Vergangenheit doch so unglaublich erfolgreich; siehe Maultaschenaffäre, die Entlassung unliebsamer Chefärzte oder Glasflaschenverbot. Festzuhalten bleibt doch, dass die Stadt in zahlreichen Einschätzungen zu rechtlichen Bewertungen im letzten Jahrzehnt daneben lag. Warum sollte das jetzt anders sein?
Hallo Frau Bernecker, leider nein, das Gutachten ist in der Einschätzung des Risikos sehr konkret. Es heißt: „Unter Berücksichtigung aller rechtlichen Möglichkeiten kann der Stadt Konstanz nicht empfohlen werden, von städtebaulichen Maßnahmen zur Sicherung der derzeitigen Nutzung des Scala-Kinos Gebrauch zu machen.“
Tja, da hätte „die Stadt“ jene offenbar möglichen planungsrechtlichen Instrumente zur gegebenen Zeit nutzen sollen/können, wenn die Stadtspitze denn Interesse daran gehabt hätte. Es wurde jedoch (u.a. bei einer Bürgerfragestunde) vehement abgestritten, dass Möglichkeiten zu einer Verhinderung dieser Nutzungsänderung bestanden hätten. Wieder einmal ist die jetztige Situation, die erneut massive Bürgerproteste hervorruft, ein Ergebnis fehlender Weitsichtigkeit und anhaltender Ignoranz von Bedürfnissen der eigenen Bevölkerung und deren berechtigtem Anspruch auf Lebensqualität. Und wieder einmal wird deutlich, dass Herr Burchardt „sein Geschwätz von gestern“(2012) nicht schert: Denn die von ihm versprochene Bürger-Nähe, Mitbestimmung dieser an der Zukunft „ihrer Stadt“, Transparenz und Nachhaltigkeit im Sinne sozialer, ökonomischer und ökologischer Balance werden in Konstanz nicht praktiziert. Als Oberbürgermeister ist er jedoch nur so stark, wie der Gemeinderat es zulässt, der als politische Vertretung der Gemeindebürger fungieren sollte und u. a. die Aufgabe hat, den Oberbürgermeister bzw. dessen Handeln zu kontrollieren:
„Der Gemeinderat ist das »Hauptorgan der Gemeinde« (§ 24 Satz 1 GemO). Er ist die politische Vertretung der Bürgerschaft, die die »Grundsätze für die Verwaltung der Gemeinde fest(legt)… und über alle Angelegenheiten der Gemeinde (entscheidet), soweit nicht der Bürgermeister kraft Gesetzes zuständig ist« (24 Satz 2 GemO).
Zur Info: Die Stadt hat Ende Februar ebenfalls ein Gutachten in Auftrag gegeben. Gestern wurde es veröffentlicht. Hier der Link zur Pressemeldung: http://konstanz.de/rathaus/medienportal/mitteilungen/09156/index.html
Bei der Erörterung der planungsrechtlichen Instrumente gibt es durchaus Kongruenzen zwischen den beiden Gutachten. Das von der Stadt in Auftrag gegebene Gutachten arbeitet allerdings noch stärker heraus, welche Folgen es haben könnte, wenn diese Instrumente tatsächlich angewandt werden würden.
Walter Rügert, Pressereferent