Kinoretter in Sicht

seemoz-Lochmann2Mit Heinz Lochmann hat die Bürger-Initiative „Rettet das Scala“ einen höchst engagierten Kinomacher gefunden, der bereit ist, das Scala als Programmkino für Konstanz zu erhalten. Loch­mann ist einer der größten unabhängigen Kinobetreiber Deutschlands, unterhält neben riesigen Traumpalästen auch kleinere Häuser mit anspruchsvollem Programm und hat sich bereits als Kinoretter profiliert. Im Gespräch mit seemoz berichtet er über seine Pläne für Konstanz.

Ein traditionsreiches altes Innenstadtkino, eines der ältesten in Deutschland, fristet ein Schattendasein, und das trotz bester Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel und seiner zentralen Lage nicht weit vom Rathaus entfernt. Es hat drei Säle mit 670 Sitzplätzen, setzt auf ein anspruchsvolleres Programm – und ist über Jahrzehnte kaum rentabel und stets von der Schließung bedroht. Nach einer deutlichen Pachterhöhung gehen dann die Lichter aus. Das Publikum stellt sich die bange Frage: Für immer?

Parallelen zu Konstanz?

Das war im November 2009. Man merkt schon, es handelt sich nicht um das Konstanzer Scala, denn dem droht die Schließung erst Ende 2016, und einen U-Bahn-Anschluss hat es auch nicht. Aber es gibt einige unübersehbare Parallelen zum Konstanzer Kinogeschehen: Die Geschichte handelt vom Passage Kino in Hamburg – und sie hat ein glückliches Ende. Der schwäbische Kinounternehmer Heinz Lochmann investierte 1,7 Millionen Euro und eröffnete das alte Kinoschmuckstück bereits im Mai 2010 in altem Glanze neu. „Es war unglaublich, gleich nachdem damals der Bauzaun stand, haben die Leute Sprüche draufgeschrieben, wie sehr sie an ihrem Kino hängen,“ erinnert sich Lochmann mit echter Rührung in der Stimme. „Ich habe hunderte Briefe von Menschen bekommen, die sich über die Rettung des Kinos freuten.“

Das Passage Kino ist heute ein echtes Schmuckstück. Die Einrichtung orientiert sich am Jugendstil, es gibt ein großes Foyer, und rund um die beiden Bars und den Aufgang nach oben schimmert eine edle Tapete in verheißungsvollen Goldtönen. Echte Traumfabrik also.

Kino in die Wiege gelegt

Lochmanns Engagement in Hamburg kam nicht von ungefähr, denn er kann auf ein echtes Kinoleben zurückblicken. Er hat als ganz junger Mann zuerst eine Bäckerlehre im väterlichen Betrieb in Rudersberg (zwischen Backnang und Schorndorf) absolviert. Gerade nebenan betrieb seine Tante Gertrud ein kleines Kino, die Löwenlichtspiele, und nach der Schufterei in der Backstube half der Junge dort aus.

Das war der Beginn einer wohl lebenslangen Kinoleidenschaft, Lochmann übernahm das Kino – und der Grundstein zu einem der größten unabhängigen deutschen Kinounternehmen war gelegt. Mittlerweile unterhält die Heinz Lochmann Filmtheater-Betriebe GmbH neun Kinos in ganz Deutschland mit 62 Sälen und rund 8800 Sitzplätzen. Das kleinste ist das Stammhaus in Rudersberg mit zwei Sälen und 180 Sitzplätzen, es zählen aber auch Traumpaläste mit weit über 1000 Sitzplätzen dazu. Zum Vergleich: Das Konstanzer Scala hat drei Säle mit 364 Sitzplätzen, das CineStar im Lago verfügt über neun Säle mit 1429 Plätzen.

Eigenes Programmprofil

Heinz Lochmann möchte das Konstanzer Scala gern übernehmen und ist wohl genau der Typ von Kinoretter, von dem die Konstanzer Cineasten träumen: wirtschaftlich erfolgreich, bereit zu Investitionen und dem Kinowesen aus alter Leidenschaft verbunden. Er sieht das Scala als ein typisches Innenstadtkino für gehobene Spielware. „Diesen Weg will ich weitergehen. Ein solches Kino ist keine Konkurrenz zu einem CineStar, das den Mainstream bedient. Oft ist es so, dass Menschen, die in ein Programmkino gehen, ein anderes Kino gar nicht betreten. Und die Mainstream-Kundschaft verirrt sich kaum einmal in ein Programmkino. Das sind zwei verschiedene Welten. Auch beim Programm gibt es wenig Überschneidungen, und wenn doch, etwa bei einem Film wie ‚Ich bin dann mal weg‘, dann muss man sich eben absprechen.“

Er plant, das Scala gründlich zu überarbeiten und etwa in neue Stühle und ein ansprechendes Interieur zu investieren. Vielleicht ließe sich ja das Thema Bodensee in die Gestaltung mit einbeziehen, sinniert er. Auch die Gastronomie im Haus möchte er übernehmen, denn „Gastronomie und Kino müssen zueinander passen, dann kommen die Kneipengänger auch mal ins Kino und die Kinobesucher gehen hinterher noch auf einen Absacker an die Bar“. Das Scala hat nach seiner Ansicht beste Chancen in einem bürgerlichen Umfeld, das kulturell interessiert ist. Dass Lochmann ein sicheres Gespür dafür hat, welches Programm in welche Stadt passt, hat er mit seinen verschiedenen Kinos bewiesen. „In einer Unistadt wie Tübingen, die stark von Studenten geprägt ist, müssen Sie natürlich ein ganz anderes Programm anbieten.“ Neben dem Filmangebot und einem gediegenen Ambiente ist für ihn auch der Service ausschlaggebend. „Ein Kino ist nur dann erfolgreich, wenn neben allem anderen das Engagement fürs Publikum stimmt.“

Konkurrenz der Investoren?

Dass das Scala jetzt einem dm-drogerie markt weichen soll, bedauert der Kinounternehmer. „Man darf diesen Investor aber nicht verteufeln, es ist sein gutes Recht zu sagen, ich will mich hier einmieten. Und es ist das gute Recht des Immobilienbetreibers, an einen Drogeriemarkt zu vermieten.“ Aber die Entscheidung darüber sollte man eben nicht dem freien Markt überlassen, meint er, und hier sieht er Oberbürgermeister und Gemeinderat in der Pflicht. „Die Politiker sind von den Bürgern gewählt und sollen in deren Interesse handeln. Wenn das Scala schließt, finden viele Menschen in Konstanz ihr Kinoprogramm und ihre Filme eben nicht mehr, die gehen dann komplett leer aus. Das ist die Verantwortung der Politiker. Die Entscheidung, ob in Konstanz der fünfte oder sechste Drogeriemarkt aufmacht und ein kulturelles Angebot dafür wegfällt, wird im Rathaus getroffen, das hat nichts mit diesem oder jenem Investor zu tun.“ Eine Lösung für den Drogeriemarkt sieht er auch: „Im Karstadt unten macht doch die Lebensmittelabteilung dicht, dann stehen dort 2000 Quadratmeter leer, das wäre doch ein idealer Standort für einen Drogeriemarkt.“

Die Politik ist gefragt

Als geeignetes Instrument, das Scala zu erhalten, sieht „der Herr der Ränge“, wie die Stuttgarter Zeitung ihn nannte, einen Bebauungsplan. „Mit einem vernünftigen Bebauungsplan kann man Rotlichtviertel und Spielhallen verhindern. Und wenn man ihn richtig aufstellt und sich juristisch von kompetenten Fachleuten beraten lässt, kann man damit auch das kulturelle Angebot in der Stadt sichern. Das ist eine Frage des politischen Willens“ … und viele Politiker lehnen sich nicht gern allzu weit aus dem Fenster, scheint sich Lochmann unausgesprochen dabei zu denken.

Heinz Lochmann kommt am Dienstag nach Konstanz, um an einem von OB Burchardt initiierten runden Tisch im Rathaus teilzunehmen und die Chancen zur Scala-Rettung auszuloten. Er ist auch gespannt, wie am Donnerstag die Abstimmung im Gemeinderat über den Antrag der FGL-Fraktion ausgeht. Die Grünen fordern bekanntlich, einen Bebauungsplan für den Bereich Marktstätte aufzustellen und eine zweijährige Veränderungssperre zu erlassen, womit der Umbau des Scala in einen Drogeriemarkt zumindest vorläufig gestoppt wäre. Die Stadtverwaltung hält dagegen, dass eine solche Regelung vor Gericht nicht durchkommen dürfte und mit hohen Schadensersatzforderungen des Immobilienbetreibers und/oder des dm-marktes zu rechnen sei. Der Gemeinderat muss am 21.4. darüber befinden, ob er das Prozessrisiko, das im sechs- oder siebenstelligen Bereich liegen könnte, eingehen will oder nicht. „Wer Bedenken hat, kann sich ja am Donnerstag enthalten oder blaumachen,“ schlägt Lochmann mit einem ironischen Augenzwinkern vor.

Was aber wird, wenn der Gemeinderat sich nicht zu einem Beschluss pro Scala durchringen kann? Heinz Lochmann ist welterfahren genug, um auch die Möglichkeit einer Niederlage mit gänzlich unschwäbischer Gelassenheit und philosophischer Abgeklärtheit zu nehmen: „Wenn’s zu spät ist, noch was zu retten, ist’s eben zu spät. Aber es wäre wirklich schade drum.“

Mit Heinz Lochmann sprach Harald Borges.