Bodensee-Attacis wettern gegen unbegrenztes Wachstum

Attac-Gruppen spannen ein Netz rund um den Bodensee. Das beschlossen Attacis aus Vorarlberg, Lindau, Ravensburg, Konstanz, Singen und Tuttlingen auf  ihrem Frühjahrskongress am vergangenen Wochenende in Radolfzell. Doch attac wäre nicht attac, wenn es nur um Organisatorisches ginge. Im Mittelpunkt der Diskussionen stand die Frage: Ist unbegrenztes Wachstum möglich? Antwort: Nein. Denn wie kann es unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten geben? „Die bisherige Ausrichtung der Politik auf ein bloßes Wachstum des Bruttoinlandsproduktes ist ein Irrweg“, weiß Andreas Syré. Der attac-Mann aus Singen gehörte zu den Organisatoren der mittlerweile dritten Regionalkonferenz am Bodensee. „Unsere Erfahrungen aus diesen zwei Tagen in Radolfzell: Wir werden uns häufiger treffen, wir wollen intensiver gerade neue Ideen diskutieren und wir werden ein effektives Netzwerk rund um den Bodensee aufbauen. Um unsere Ideen auch den Menschen näher zu bringen, die bislang eher zu den konservativen Kräften in unserer Gesellschaft zählen“, so Syré.

Zu diesen „neuen Ideen“ gehören die Thesen von Chantal Mouffe, die in Radolfzell heiß diskutiert wurden. Die belgische Politikwissenschaftlerin, Postmarxistin und Professorin in London vertritt zum Beispiel die Meinung – und bezieht sich dabei auf Theorien des italienischen Sozialisten Antonio Gramsci -, dass bloßes Konsensstreben geradezu unpolitisch sei. Dazu nochmals Andreas Syré: „Die Mode, zu jedem Thema sogenannte Ethikkommissionen einzusetzen, ist genau diesem Konsensstreben geschuldet. Was soll ein Pfarrer in einer solchen Kommission zur Energiewende denn Neues einbringen können?“

Über die Leidenschaft in der Politik

In drei Arbeitsgruppen wurde zudem erörtert, wie politische Prozesse ablaufen, warum die Leidenschaft in der Politik so wichtig ist, und wie sich die Bürger in politischen Gruppen für eine demokratisch und fair gestaltete Zukunft einsetzen können. Und natürlich das Hauptthema wurde diskutiert, ob die von Politik, Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft mantraähnlich wiederholte Forderung nach Wachstum überhaupt noch zukunftsfähig sein kann. Ist es nicht eher so, dass alle Wachstumsvorgänge in der Natur eine Grenze haben? Diese Politik, so die Bodensee-Attacis, führe zu Fehlentwicklungen mit kaum verantwortbarer Ressourcen-Verschwendung und zu sozialem Ungleichgewicht im nationalen und internationalen Maßstab. Ein von der Wissenschaft bereits vorgestellter und weiter zu entwickelnder „Wohlfahrtsindex“ erscheint als Orientierung deutlich geeigneter. Bei ihm werden z.B. Umweltbelastungen und unumkehrbarer Ressourcen-Verbrauch negativ ein berechnet – der Wert ehrenamtlicher Tätigkeit sowie eine ausgewogene Einkommensverteilung fänden hingegen positive Berücksichtigung. Dies könnte helfen, dass sich die Politik besser dem Wohlergehen der Bürger zuwendet, was ein wichtiges Ziel von Attac ist.

…und dann wurde Samba getrommelt

Dass Attacis nicht nur prüder Politik fröhnen, bewiesen die Kongressteilnehmer zum Schluss ihrer Radolfzeller Tagung. Auf zufällig ergatterten Töpfen und Fässern trommelten sie tolle Samba-Rhytmen: Die spontan formierte Attac-Bodensee Rythm Combo (siehe unser Foto) spielte sich am Seeufer in Radolfzell in die Herzen des Publikums. Was zeigt: Auch Politik kann Spaß machen.

Autor: hpk