1. Mai mit Familien-Feier-Flair
Die 1. Mai-Feier als Familienfest. Das ist seit Jahres nicht Neues in Singen und seit zwei Jahren auch nicht mehr in Konstanz. Doch was sich jetzt Hanna Binder, für die Organisation verantwortliche ver.di-Sekretärin in Konstanz, ausgedacht hat, rückt den Begriff „Familienfeier“ in ein zusätzlich persönliches Licht.
Hauptredner in der Konstanzer Beyerlestraße wird am nächsten Wochenende just Peter Friedrich sein – bis Mitte Mai noch Stuttgarter Europaminister mit SPD-Parteibuch, nicht gewählter Landtags-Kandidat und Hanna Binders Ehemann. Da feiert Peinlichkeit fröhliche Urständ.
Diese Familien-Veranstaltung mit G’schmäckle hat zahlreiche Gewerkschafter in Konstanz vor den Kopf gestoßen – sie stellen ihre Teilnahme erstmals seit Jahrzehnten infrage. Doch manche wollen dennoch kommen, aber protestieren. Und da gäbe es genug: Renten-Diskussion, TTIP-Zusage, Militär-Einsätze.
Mit Hüpfburg, Zirkus-Show und städtischem Blasorchester hat die Mai-Feier in Singen schon lange Grillabend-Charakter. Aber immerhin steht mit Rudolf Luz ein waschechter Gewerkschafter und Mitglied im IG-Metall-Vorstand als Hauptredner auf der Rednerbühne.
Der Kuschelkurs deutscher Gewerkschafter erstreckt sich also nicht nur auf Sozialplan- und Tarifverhandlungen. Auch bei an sich harmlosen Maifeiern scheint man Abschied nehmen zu wollen von einstiger Streitkultur. Obwohl – auch auf Familienfeiern soll es schon mal zu Auseinandersetzungen gekommen sein. Allerdings selten mit Arbeitgebern.
hpk (der seit 46 Jahren Gewerkschaftsmitglied in vielerlei Funktionen ist)
#Andreas Gallus – jetzt wäre ich doch fast nicht hingegangen. Dabei besteht ja immerhin die Möglichkeit, dass Peter Friedrich einfach mal im familiären Umfeld ausloten will, wie gut er ankommt, wenn er endlich Position gegen Hartz IV, TTIP und die neuesten „sicheren Herkunftsländer“ bezieht und einen Ausschlussantrag gegen Andrea Nahles wegen „völkischer Nachtrabpolitik“ stellt. Das danach ausgeschenkte Freibier würde ich auf meine Kappe nehmen.
Ich stehe hinter der Entscheidung der Veranstalter Peter Friedrich am 01. Mai in Konstanz als Redner einzuladen. Sozialdemokratische Redner am 01. Mai sind in der Geschichte der Arbeiterbewegung nun wahrlich keine Abnormität. Gesamthaft betrachtet sehe ich also dadurch keinen Ausschlussgrund per se. Natürlich ist es richtig, dass Gewerkschaftsmitglieder mit politischen Entscheidungen der SPD der jüngeren Zeit kritisch umgehen müssen. Und das tun wir auch. Das Besondere an der vorliegenden Berichterstattung ist, dass damit zwei politisch aktive Menschen unserer Region in die Ecke von Vetternwirtschaft und Mauschelei gedrängt werden. Wird vermutet, dass Peter Friedrich vielleicht gerade nichts besseres zu tun hat als am 01. Mai 2016 eine Rede zu halten? Soll unterstellt werden, dass Hanna Binder dem Peter nach der verlorenen Landtagswahl noch schnell ein „Pöschtle“ als gut bezahlter Redner besorgt hat. Oder was soll dieser Unsinn. Da weiß man also auch schon was er sagen wird. Und weil man das weiß, kann man mit dieser Ahnung auch gleich hausieren gehen und Antworten auf diese Vermutungen geben. Grandios! Vielleicht gibt es ja auch einfach eine kritische und nachdenkliche Rede eines engagierten Politikers der so ganz nebenbei auch noch Gewerkschaftsmitglied ist. Lasst es uns abwarten. Ich bin wahrlich nicht mit allem einverstanden was die SPD im Land und im Bund in den letzten Jahren vollbracht hat. Ohne sie wäre aber vieles, dass uns Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern hilft, nicht auf den Weg gebracht worden. Es ist mehr als ärgerlich, wenn neben der politischen Betrachtung von Dingen versucht wird, Menschen die sich einsetzen in ein solches Licht zu setzen. Gerade in einem Medium, dass sich nach meiner bisherigen Wahrnehmung wohltuend von der „normalen“ Berichterstattung unterschieden hat.
Passend zum 1. Mai hat die „Parteilinke“ Nahles ein Schmankerl aus der Feinkostküche der internationalen Solidarität vorbereitet.
http://www.tagesschau.de/inland/nahles-sozialleistungen-eu-auslaender-101.html
AfD und Pegida werden entzückt sein.
Lieber Berthold,
man sagt ja, das Alter mache den Menschen nachsichtiger. Anscheinend stimmt das. Anders kann ich mir nicht erklären, dass Du tatsächlich zustimmst, einen Politiker am 1. Mai reden zu lassen. Und dann ausgerechnet noch den Friedrich, der sich doch kaum durch aktives gewerkschaftliches Denken und Handeln hervorgetan hat. Ich erinnere mich noch lebhaft an eine Veranstaltung bei uns in Allensbach als er lebhaft die Agenda 2010 verteidigt hat.
Als ich noch selber im DGB aktiv war kam niemand auf die Idee einen Politiker am 1. Mai zum Redner zu machen. Warum auch? Brandstifter sprechen auch nicht auf einem Feuerwehrfest.
Vielleicht hätte man in den 80zigern und 90zigern noch darüber reden können, einen Sozialdemokraten am 1. Mai reden zu lassen. damals gab es ja noch Gewerkschaftler in der SPD. Inzwischen tummeln sich ja alle in der Mitte, schön vereint CDU, SPD, Grüne und FDP. Gleichgebügelt, nur noch marginale Unterschiede.
Und es ist wirklich dein Ernst, einen typischen Vertreter dieser Politikerkaste auf dem höchsten Feiertag der Gewerkschaften sprechen zu lassen? Ich verstehe Dich da nicht.
Danke Kollegen Stribl und Hanke!
Die Geschichte des 1. Mai war davon geprägt, daß die abhängig Beschäftigten aus ihrer sozialen Lage heraus Forderungen zu mehr Lebensqualität in Arbeitswelt und Gesellschaft nachdrücklich und solidarisch öffentlich machten. Der 1. Mai wurde deshalb als Kampftag verstanden. Seit vielen Jahren ist er zum „Kuscheltag“ mit Bratwurst und Bier verkommen. Markige Fensterreden und Festmusik schaffen keine Solidarität. Die wäre aber notwendiger denn je, wenn ich nur an Leiharbeit (Kettenarbeitsverträge) und daraus folgende Perspektiven für sichere Zukunftsplanung denke.
Wer hat’s erfunden … SPD und Grüne, Und noch viele andere Verschlechterungen im Leben der abhängig Beschäftigten. Als Ausgleich wurde die Vermögenssteuer und der Höchststeuersatz gesenkt und die Mehrwertsteuer von 16 auf 19 % angehoben.
Ein SPD’ler als Redner? Wenn er einen Rest von Charakter hat, verzichtet er wegen diesem, von ihm mitgetragenen zeitgeschichtlichen Hintergrund.
Die Glaubwürdigkeit der Gewerkschaften steht auf dem Prüfstand!
„Friede, Freude, Hartz-Gesetze“
Unvergessen die Maifeier, an der Heinz Rheinberger im „St. Johann“ der Hauptredner war am Kampftag der Arbeiter; das ist nun einige Jahre her. Der Kollege war unverdächtig, der DKP anzugehören. Dennoch scheute er sich nicht, Marx zu zitieren. Damals war aber die Welt in einigen Punkten noch in Ordnung. Es gab keine Agenda 2010, keine Hartz-Gesetze. Wären die zu der Zeit bereits gültig gewesen, niemand wohl hätte es Rheinberger übelgenommen, wäre er Lafontaine in seine neue Partei gefolgt. Ein aufrechter Gewerkschafter fühlt sich nun mal nicht wohl in der ideologischen Nähe der Schröders, Münteferings und Clements, behaupte ich mal aus dem Bauch heraus. Rheinberger war aber, wohlgemerkt, Gewerkschafter wie darauffolgend z. B. auch Gerd Manthey. Daß Referenten mal mehr, mal weniger Sympathie weckten, abhängig vom Grad der „Sozialpartnerschaft“ – was soll’s.
Nun wird aber am 1. Mai ein SPD-Mann Referent werden, einer, von dem nicht bekannt ist, daß er sich entschieden gegen die Schröderschen Reformen gewandt hätte. Ein sozialdemokratisch-entschieden gehauchtes „Vielleicht…“ reicht nicht aus gegen diese monströsen Verordnungen. Von denen niemand genau weiß, wieviel Alkoholiker, Drogenabhängige und Selbstmorde sie verursacht haben. Verursacher dieser Zustände sind aber, genauer, Leute. Aus der SPD, von den Grünen. Einer aus diesem erlauchten Kreis, – wie schon erwähnt, nicht bekannt dafür, entschiedener Gegner der einschlägigen Maßnahmen zu sein – soll nun also den Feiertag der abhängig Beschäftigten mit einer feurigen Rede einläuten… Wow.
Warum wird nicht gleich, wie Bernhard Hanke parodiert, ein lokaler FDP-Fuzzi dazu auserkoren? Ganz hoch gegriffen: Wäre auch Wolfgang Clement verfügbar? – Die Erfahrungen der letzten paar Jahre eignen sich dazu, den Argwohn der KPD in der Weimarer Republik nachzuempfinden. Sich zu erinnern noch davor an die Kriegskredite, an Noske, danach die Ermächtigungsgesetze; die Parole der KPD von den „Sozialfaschisten“. – Die zwiespältige Erinnerung an Willy Brandt; einerseits mit „Mehr Demokratie wagen“ und andererseits mit dem Schiess-/Radikalen-Erlaß. Helmut Schmidts Operation „Soziales Netz“ und Steinkühlers Demo dagegen. Als unrühmlichen Höhepunkt der BRD/SPD-Geschichte schließlich Schröder… Wer danach noch auskommt, die SPD ohne „a“ davor zu apostrophieren, muß entweder an einem ganz erheblichen Informationsdefizit leiden oder aber kurzfristiger/sichtiger Krisengewinnler sein, behaupte ich erneut aus dem Bauch heraus..
Deshalb schließe ich mich Bernhard Hanke an. Einer Feier unter dem Motto „Friede, Freude, Hartz-Gesetze“ werde ich (seit 1. September 1965 Gewerkschaftsmitglied) nicht beiwohnen. .
Lieber Berthold, jetzt muss ich Dir doch persönlich antworten – und das auch öffentlich. Die Sache mit dem G´schmäckle habe ich in einem Nebensatz erwähnt. Im Grunde genommen interessiert es mich einen feuchten Kehricht, wer mit wem verheiratet ist. Die Kollegin Hanna Binder bewundere ich für ihre vorbildliche gewerkschaftliche Arbeit und will sie nicht in den Dreck ziehen.
Dass für die Arbeitnehmer in Ba-Wü durch die SPD-Beteiligung in der Regierung einiges herausgekommen ist, ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Nennt sie sich doch immer noch Arbeiterpartei, zumindest wenn sie bei Gewerkschaften auftritt. Meine Kritik, und das hast Du hoffentlich auch gelesen, richtet sich gegen die Politk der Rentenkürzung, der Ausweitung der Leiharbeit, der schleichenden Armut in diesem Land. Und das wird man einem Sozialdemokraten, der genau dafür verantwortlich ist, auch einmal sagen dürfen. Wahltechnisch ist er ja bei der Landtagswahl schon bestraft worden.
Du siehst, es geht nicht um Weltrevolution, sondern um ganz einfache Dinge des täglichen Lebens! Mich kotzt deren Arroganz an!
Das als Boulevardstil zu bezeichnen, ist eine Frechheit!!
Und zuguterletzt: Ich bleibe dabei: poltische Vertreter der Parteien sind gerne gesehen auf den 1. Maifeiern der Gewerkschaften, aber nicht als Redner!
Viel Spaß bei der revolutionären Veranstaltung – ich bleibe lieber im Bett!
„Es kotzt mich an, wie arrogant ihr seit.“ Gut, auf diesen Satz erhebe ich nicht die Urheberrechte, aber er passt so haargenau auf den Artikel und den Kommentar. Ich stimmte in den Vorbesprechungen für den Redner Peter Friedrich weil ich registrierte, dass die Landesregierung für Arbeitnehmer positiv gearbeitet hat. Ein neues Landespersonalvertretungsgesetz das diesen Namen verdient, Weiterbildungstage, Umwandlung vieler befristeter Arbeitsverhältnisse in unbefristete sind für mich als Gewerkschaftler wichtige Fortschritte. Deshalb war es angemessen einen Vertreter dieser Regierung bei unserer Maiveranstaltung reden zu lassen.Ok, gemessen an der Weltrevolution als Maßstab von Fips und hpk ist das sicher zu wenig und darf natürlich kritisiert werden. Dass ihr allerdings so tief sinken würdet und in niedrigstem Boulevardstil zwei politisch aktive Menschen die zufällig verheiratet sind in den Dreck zieht, das hätte ich von euch nicht erwartet.
Die Gewerkschaften treten am 1. Mai 2016 an unter dem Motto: Mehr Solidaritätt! Gegen die Spaltung des Arbeitsmarkts. Eindämmung der Leiharbeit und der Werkverträge – für die Stärkung der gesetzlichen Rente!
Dass diese Forderungen überhaupt gestellt werden müssen verdanken wir einer rot – grünen Bundesregierung unter Schröder/Fischer. Kohl konnte diese Schweinereien nicht umsetzen – Rot – Grün hat es sofort angegangen und umgesetzt!
Jetzt soll ausgerechnet ein Vertreter dieser Parteien in Konstanz am 1. Mai als Hauptredner sprechen! Der Herr F.
Obwohl das eigentlich logisch ist. Hat doch die SPD heuchlerischerweise erkannt, dass in Zukunft jede(r) Zweite Rentenempfänger(in) von Altersarmut betroffen sein wird!
Die Rede, die der Herr F. halten wird, wird wahrscheinlich so lauten:
Er prangert diese Zustände an, verspricht, dass alles besser wird und dass er dafür mit aller Kraft kämpfen wird. Und um lautstarken Protesten zuvor zu kommen, entschuldigt er sich für seine Partei und die Politik, die zu diesen Umständen geführt haben. Das wäre doch mal eine konsequente Haltung!
Zum Thema G´schmäckle möchte ich an dieser Stelle nichts sagen – die Situation spricht für sich!
Die Gewerkschaften sind eine parteiunabhängige Vereinigung, oder?
EILMELDUNG: Am 1. Mai 2017, so wird aus gut unterrichteten Kreisen berichtet, soll ein Vertreter der örtlichen FDP als Hauptredner in Konstanz auftreten!
Dann komme ich endgültig nicht mehr zur „Familienfeier“ der SPD!
Ehrlich!!