Demokratien vor dem Abgrund?

seemoz-Koschnick-cover-2Wolfgang Koschnick prophezeit in seinem neuen Buch den Untergang aller Demokratien. Er möchte deutlich machen, dass die „herrschende politische Kaste mit eigenen Gewohnheiten, Ressourcen, Interessen und klarer Abgrenzung vom Rest der Bevölkerung nicht der Mehrheit der Bevölkerung dient, sondern außer sich selbst nur der verschwindend kleinen Minderheit der Reichen und Superreichen“. Sie seien somit, schreibt Koschnick, „die willigen Helfer und Helfershelfer des Kapitals“.

Allemal harter Tobak, den der streitbare Journalist aus Allensbach zwischen zwei Buchdeckel hat packen lassen. Und er nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er die aktuellen Verhältnisse geißelt, in denen seiner Meinung nach „eine besonders üble und unfähige Spezies von Berufspolitikern sich an den Schalthebeln der politischen Macht bequem eingerichtet hat, ihre eigenen und eigennützigen Interessen verfolgt und sich aus staatlichen Töpfen komfortabel versorgt.“ Die Demokratien befänden sich in einer „Endzeit“, so Koschnick weiter, und seien „eine gigantische Fehlkonstruktion, die laufend Krisen und Katastrophen erzeugt und nicht in der Lage ist, auch nur einfache Probleme pragmatisch und nachhaltig zu lösen.“

Wolfgang Koschnick ist Buchautor, Fachjournalist und Unternehmensberater. Er studierte Volkswirtschaft und Politikwissenschaft in Kiel, Houston (Texas) und Berlin und schloss als Diplom-Politologe ab. Als Journalist war er in den USA unter anderem für den Boston Globe, San Francisco Chronicle und zahlreiche andere Zeitungen und Zeitschriften tätig – später auch von Deutschland aus. Er war Leiter der Auslandsabteilung im Institut für Demoskopie Allensbach und Chefredakteur der Fachzeitschriften Horizont, ZV+ZV und Copy. Er lebt in Allensbach am Bodensee.

Aussicht auf Besserung mag der Autor aus Allensbach nicht erkennen: „Selbst für den sehr unwahrscheinlichen Fall, dass es den vereinten Anstrengungen der Politik in den entwickelten Demokratien gelingen sollte, die Vielzahl der Krisen noch einmal so weit unter Kontrolle zu bringen, dass die Demokratien nicht an die Wand gefahren werden, bleibt die Herrschaft von unfähigen und eigennützigen Berufspolitikern unangetastet. Und weil das so ist, kommt die nächste Strukturkrise noch sicherer als das Amen in der Kirche.“

Da stellt sich dem Leser schon die Frage, warum sich die laut Koschnick maroden Verhältnisse und ihre Nutznießer so lange haben halten können. Auch darauf hat der Autor eine Antwort im Köcher: „ (…) der Leistungsfähigkeit der arbeitenden und wirtschaftenden Menschen steht eine politische Kaste von nichtsnutzigen, unfähigen Schmarotzern gegenüber, die das stabile Produktions- und Wirtschaftssystem mit vereinten Kräften ruinieren.“

Kein Wunder, dass Koschnicks Fazit sehr düster daherkommt: „In der Entwicklung praktisch aller demokratischen Systeme in der Phase ihres Niedergangs offenbart sich immer deutlicher ein Systemdefizit der Demokratien. Wenn Demokraten sich diesem Systemdefizit noch nicht einmal stellen, wird die Entwicklung erbarmungslos über sie hinwegrollen. Und dann werden die entwickelten Demokratien in den Abgrund stürzen, an dessen Rand sie heute längst stehen.“

Wolfgang Koschnick: „Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr/ Abschied von einer Illusion“. Westend Verlag, ISBN 978-3-86489-127-4. 256 Seiten, 17,99 Euro.

 MM/hr

Mehr zum Thema:
09.10.13 | Wenn die Schere im Kopf ihr Unwesen treibt
19.06.15 | Vom Irr- und Widersinn des Krieges in Afghanistan