„Wie beim Pokern: Karten verdecken und bluffen“

seemoz-hülsmeier-2Kaum ist der Scala-Streit aus den Schlagzeilen, bahnt sich neuer Ärger an. Und wieder geht es um Transparenz und Bürgerbeteiligung. Henning Hülsmeier von der Initiative „Rettung der Pappeln am Seerhein“, die im Vorjahr für den Erhalt der Pappelallee stritt, erklärt im Interview, wie auch jetzt wieder von der Stadtverwaltung getrickst und geblufft wird: „Unser Umgang miteinander sollte transparenter, frühzeitiger, respektvoller werden.“

Der Kanton Thurgau will eine Schutzanordnung Espen Ried, also auf dem Gebiet der Pappelallee, erlassen. Die soll mit der Stadt Konstanz abgestimmt werden und die „Tägermoos-Initiative“ soll an der Meinungsbildung beteiligt werden. Was ist daraus geworden?
Ein 21seitiger Entwurf zu dieser Schutzanordnung ist vom Thurgauer Amt für Raumplanung in Zusammenarbeit mit der Stadt Konstanz erstellt worden und am 11. März zur „Vernehmlassung“ an etliche Verbände und auch wieder an die Stadt Konstanz geschickt worden. Mitte April habe ich wegen Anfragen von Anwohnern zu Baumarbeiten am Döbele Herrn Wichmann (vom Amt für Stadtplanung und Umwelt, Anm. d. Red.) angerufen und bei dieser Gelegenheit zufällig von dem seit fünf Wochen vorliegenden Entwurf erfahren. Die Stadt wolle sich mit diesem „ganz neuen“ Entwurf beschäftigen, waldrechtliche Fragen klären und uns von der Bürgerinitiative zu gegebener Zeit miteinbeziehen.

… aber Sie haben dann doch das Papier einsehen können …
Von Mitgliedern der BI im Thurgau erfuhren wir, dass dieser Entwurf eine massive Verkürzung der Alleeschutzzone und die Absicht zu weiteren etappenweisen Fällungen der Pappeln beinhaltet. Dies widerspricht deutlich den Zielen der Bürgerinitiative und ihrer 6000 Unterstützer. Wir möchten eine lange Allee erhalten und möchten eine individuelle Pflege für die Bäume und nie mehr wie im Februar 2015 die mutwillige Fällung von 41 gesunden Pappeln mit „Ersatz“ durch winzige Stecklinge.

Einmal mehr fühlen Sie sich als Initiative nicht rechtzeitig mit ins Boot genommen?
Der Ablauf war so, dass die Stadt Konstanz an einem Entwurf im Thurgau mitarbeitet, dann diesen selben Entwurf „wegen Ostern” wochenlang verspätet als etwas ganz Neues entgegen- und wahrnimmt, erst nochmals alles sorgfältigst abklopfen und prüfen muss und dann nach langem Wiederkäuen die Delegierten der Bürgerinitiative einladen wird, einen Klacks Senf hinzuzugeben. Unser Votum könne dann in TUA und Gemeinderat – auch alternativ – zur Abstimmung gestellt werden.

Wir hätten erwartet, wesentlich früher als konstruktive Partner, Unterstützer, Berater hinzu gezogen zu werden. Unsere Schweizer Nachbarn machen das so, dass der nach meiner Einschätzung in allen anderen Elementen ganz großartige Entwurf nach Fertigstellung am 11. März beteiligten Verbänden und interessierten Gruppen schriftlich mit der Bitte um Rückmeldung bis 30. April zugestellt wird. Selbstverständlich, realistisch und angstfrei.

In den letzten Wochen und Monaten ist viel über das Verständnis der Stadtoberen zur Bürgerbeteiligung und -information diskutiert worden; Stichwort: Scala-Streit. Befürchten Sie nun ein ähnliches Desaster, neue Auseinandersetzungen?
Aus unserer Erfahrung mit der Stadt Konstanz und dem Bemühen um die Pappelallee kam mir das Bild von der Stadtverwaltung wie in einem Pokerspiel vor, wo sie ihr Blatt sorgfältigst vor den Mitspielern und Zuschauern verbirgt, blufft, um am Ende alles einzustreichen. Wir anderen wissen aber gar nicht, dass ein Pokerspiel läuft.

Zum Scala-Streit ist mir nur aufgefallen, dass wir Bürger sehr viele Leute in der Stadtverwaltung beschäftigen, die Kenntnisse zu Konstanz haben und sammeln, Entwicklungen antizipieren, planen und steuern sollen. Aber beim Scala ist erneut eine Situation mit lange verdeckten Karten geschaffen worden, wo man in der Verwaltung hofft und besorgt ist, dass der Bürger nichts davon mitkriegt, bis dann eine fertige Zwickmühle aus eigentumsrechlichen und juristischen Aspekten zu sehen ist, in der Stadträte Angst bekommen und Bürger resignieren.

Versehen oder Absicht?
Wiederholt, eben auch bei den Pappeln, ist mir deutlich geworden, dass Ansätze zur Bürgerbeteiligung angeboten und dann rasch vom OB Burchardt zurück beordert werden, weil man sich doch zu nahe an das Volk und eventuelle Partizipation heran begeben hat.

Wie wünschen Sie sich die weitere Zusammenarbeit mit der Stadt Konstanz?
Transparenter, frühzeitiger, respektvoller, neugieriger und angstfreier. Fast auf Augenhöhe. Etwas schweizerischer.

Und Sie sind weiterhin optimistisch, die Vereinbarungen zwischen Stadt und Initiative aus dem letzten Jahr erfolgreich umsetzen zu können?
Im Entwurf der Schutzanordnung finden wir Vorstellungen und Planungen, die schon im letzten Jahr die Stellungnahmen der Verwaltung färbten: wenn überhaupt, dann nur eine möglichst kurze Allee, damit doch endlich viel Platz für einen Auwald ist. Ein Pflegekonzept, das vor allem preisgünstig ist und die Fällung von Pappeln jeweils in großen Gruppen auf einen Streich vorsieht.

Man wird zum Beispiel wieder das Unternehmen von Herrn Rabe aus Freiburg zu einem Gutachten hinzu ziehen, wie viele Bäume gefällt werden müssten, um neuen Setzlingen gute Startbedingungen zu schaffen. Wahrscheinlich wird er wieder seine in Fachkreisen umstrittene Einschätzung abgeben, dass zehn große Pappeln links und rechts für Neuanpflanzungen gefällt werden müssen, wenn eine Pappel altersschwach werden sollte.

Wir erleben immer noch die fast gleichen Widersprüche und Konflikte mit der Stadt wie im letzten Jahr, aber werden uns mit unseren Sachargumenten und der Unterstützung tausender Bürger weiterhin dafür einsetzen, dass eine großartige Pappelallee und ein wunderschönes, vielfältiges Naturschutzgebiet miteinander existieren können und damit Pflanzen, Menschen und Tiere zu gutem Leben verhelfen.

hpk

Die Bürgerinitiative zur „Rettung der Pappeln am Seerhein“ trifft sich erneut am Dienstag, 3. Mai, 20 Uhr, im Konstanzer Hotel Zeppelin.