Der Wolf im Schafspelz

Die Verteilung der Ministerien der neuen baden-württembergischen Landesregierung steht nun offiziell fest. Das heißt, der Koalitionsvertrag ist der Öffentlichkeit bekannt gemacht worden, beschlossen ist er aber noch nicht. Am heutigen Freitag und dem morgigen Samstag, bei den Landesparteitagen, werden CDU und Grüne über den Koalitionsvertrag abstimmen und am 11. Mai wird der neue Landtag zum ersten Mal zusammentreten. Die Ministerliste soll dann am 12. Mai vom Landtag beschlossen werden. Was blüht uns?

Nachdem zu erwarten ist, dass die innerparteilichen Abstimmungen über die neue Regierungszusammensetzung und deren Ziele und der Beschluss im Landtag nur noch eine reine Formsache sind, lohnt es sich umso mehr, einen Blick auf das neue Vertragswerk zu werfen und zu sehen, was uns die nächsten fünf Jahre auf landespolitischer Ebene erwartet.

Qualität statt Quantität?

Die Ministerliste lässt bereits einiges an politischem Umschwung im Ländle erahnen. Zunächst einmal ist festzustellen, dass es nur noch zehn statt bisher zwölf Ministerien geben wird. Welche Ämter wurden gestrichen? Ein Europaminister wird wohl nicht mehr gebraucht. Es hat den Anschein, was auch nicht weiter verwunderlich ist, dass in der neuen Regierung nicht genügend qualifiziertes Personal vorhanden ist, um alle frei gewordenen Stellen zu besetzen. Da die SPD ja nun entmachtet ist und sich von den neuen Regierungsparteien niemand zuständig zu fühlen scheint, haben sich somit sowohl Peter Friedrich als auch sein unaussprechlicher Sonder-Zuständigkeitsbereich erledigt.

Naja, und wer braucht denn schon ein Integrationsministerium, nachdem in den letzten Jahren unzählige Geflüchtete nach Deutschland gekommen sind, die so schnell wie möglich aufgrund von „mangelndem Integrationswillen“ der Abschiebung bedürfen? Genau, wenn es nach Grünen und CDU geht: Niemand. Wer ist also integrationsunwillig, die Flüchtlinge oder die Regierungsparteien?

TTIP kann kommen

Gut, ganz integrationsunwillig ist die neue Landesregierung nicht. Dieses zu behaupten, würde ihr unrecht tun. Man hat die Zuständigkeiten für Integration und Europa (zumindest pro forma) anderen Ministerien angegliedert – die beide jeweils gerade die CDU innehat. Was tut man als Grüner nicht alles, um an die lang ersehnte und damals in Wackersdorf (lang, lang ist’s her) hart erkämpfte Macht zu kommen? Der selbst in CDU-Kreisen umstrittene rechte Hardliner Thomas Strobl wird das Amt des Innenministers bekleiden und sich zugleich um Integration kümmern.

Schaut man hinüber zu unseren Nachbarn im Osten, so sehen wir, dass das mit Innenminister Joachim Herrmann, dem wunderbaren Bayern, blendend zu funktionieren scheint – also vorausgesetzt, man versteht unter Integration die nachrichtendienstliche Überwachung und Bekämpfung sogenannter „Linksextremer“, das gleichzeitige Heranzüchten von braunen Zellen und die Bereinigung des höchst kultivierten, weißwurst-verschlingenden und bier-herunterstürzenden bayerischen Volkes von gefährlichen Einflüssen anderer, nicht-katholischer, Kulturen. Auch Franken, als ewig evangelische Ketzer, sind davor nicht gefeit. Welcher CDU-Minister in Zukunft für europäische Angelegenheiten zuständig ist, ist noch unklar. EU – Wer braucht die schon?

Jedenfalls scheint den Grünen an der Umwelt nicht ausreichend gelegen zu sein, um das Amt des Landwirtschaftsministers weiterhin zu behalten. Dieses wird Peter Hauk (CDU) in Zukunft wieder übernehmen. Die geerdeten CDUler haben vielleicht doch einen besseren Draht zu den Landwirten als die bei Alnatura kaufenden Öko-Hipster. Wer auf keinen Fall auf der Ministerliste vergessen werden sollte, ist die traurigste aller Figuren in diesem Landtagstheater: Guido Wolf (CDU). Für den Ministerpräsidenten hat es nicht gereicht. Dann muss es schon zumindest ein annähernd wichtiger Ministerposten sein. Und das ist, wer hätte das gedacht? *Trommelwirbel* der Wirtschaftsminister. Das erscheint fast so, als wollten die Grünen von ihrem eigenen Liebäugeln mit sämtlichen Wirtschaftsfunktionären ablenken, wo doch Kretschmann noch während des Wahlkampfs betont hatte, dass er insbesondere gegen Parteispenden diverser Rüstungskonzerne nichts einzuwenden hätte. Vielleicht ist das für Kretschmann aber auch eine einfache Strategie, das von ihm selbst befürwortete TTIP durchzubringen und sich gleichzeitig aus der Schusslinie zu nehmen, ganz à la Stan und Olli.

Was Ihr wolltet

Ob es das war, was sämtliche „Ich-wähle-Kretschmann-damit-Wolf-nicht-Ministerpräsident-wird-Wähler“ wollten? Die Rechnungen der strategischen Wähler gehen oft nicht auf, weil sie nicht darüber nachdenken, welche Partei sie aus Überzeugung wählen wollen, sondern sich viel zu sehr damit beschäftigen, was die anderen wohl wählen werden. Jeder weiß, dass man diese Ich-denke-dass-er-denkt-dass-sie-denkt-Spielchen bis in die Unendlichkeit treiben kann. Schlauer wird man dadurch definitiv nicht. Fest steht, dass wir mit diesem schwarzgrünen Potpourri fünf Jahre lang werden leben müssen und dass es erstens anders kommt und zweitens als man denkt. Denn das ist schon in Grimms Märchen so: Zur Vordertür schickt man den Wolf hinaus und zur Hintertür kommt er wieder herein, frisst Kreide oder legt sich als Großmutter ins Bett.

Carla Farré