Fahrschein in den Tod?
Die Konstanzer Verkehrsbetriebe haben vor einiger Zeit Busanhänger bestellt, um die Verkehrsanbindung vor allem der Gemeinden auf dem Bodanrück deutlich zu verbessern. Eine kritische Bürgerin forderte den Gemeinderat in seiner letzten Sitzung auf, vor der Inbetriebnahme doch erst einmal selbst eine Probefahrt in diesen Anhängern zu unternehmen, um sich von deren Brauchbarkeit zu überzeugen. Was ist wirklich dran an der Skepsis gegenüber den Anhängern?
Die Bürgerfragestunde sorgt regelmäßig für Bewegung im Gemeinderat, denn etliche Gemeinderätinnen und -räte flüchten bei deren Beginn Hals über Kopf ins Hinterzimmer zu Kaffee, Marmeladenbrezeln und schnellem Sex mit dem Klassenfeind. So entgeht diesen pflichtvergessenen VolksvertreterInnen so mancher gute Vorschlag wie etwa die Anregung einer politisch höchst rührigen Bürgerin am letzten Donnerstag. Ihr bereiten die neuen Busanhänger Sorge, die demnächst den Verkehr mit den Vororten am Bodanrück rationeller gestalten sollen. Sie forderte Verwaltung und Gemeinderat inständig dazu auf, vor dem Einsatz der Anhänger erst mal selbst eine Probefahrt als Praxistest zu unternehmen.
Probefahrt ins Paradies?
Was die Probefahrt beweisen soll, verriet sie nicht, aber an dem verzagten Unterton in ihrer Stimme merkte man deutlich, dass sie große Gefahren für Leib und Leben der in die Anhänger gepferchten Passagiere fürchtet. Vermutlich hat es wirklich einen guten Grund, dass es bisher noch kein Volksvertreter gewagt hat, darin eine Probefahrt zu absolvieren. Da die Gemeinderätinnen und -räte, sofern sie nicht ins Hinterzimmer gezogen waren, zu ihren Gründen eisern schwiegen, schießen die Spekulationen jetzt natürlich ins Kraut. Denn in der Tat könnte so mancher Anhängerinsasse ein Schleudertrauma davontragen, wenn die Busfahrerin das Gespann vor der Orteinfahrt nach Litzelstetten abrupt von Tempo 200 auf die bei Berufskraftfahrern üblichen innerörtlichen 75 Stundenkilometer abbremst, so dass sich der Hänger querstellt. Ganz abgesehen davon, dass schon so mancher älteren Dame bei dem Geschaukel ganz flau im Magen geworden ist.
Rollende Särge?
Oberbürgermeister Uli Burchardt versuchte, Bürgerin wie Publikum zu beruhigen, hatte damit aber wohl nur teilweise Erfolg. Er selbst vertraue auch ohne Probefahrt ganz darauf, dass die Profis der Verkehrsbetriebe richtig handelten, als sie die Anhänger bestellten. Er verwies auch darauf, dass ein Busgespann mit Anhänger eine deutlich höhere Kapazität als die bisherigen Gelenkbusse hat und so mehr Menschen als bisher zu den Stoßzeiten einen Platz im Bus – oder eben in dessen Anhänger – finden werden.
Alles in Butter also? Mitnichten! Ganz unproblematisch gestaltet sich der Einsatz der Anhänger denn doch nicht, gab Uli Burchardt schließlich im verschärften Kreuzverhör durch die Bürgerin kleinlaut zu. Derzeit stehen die fertigen Anhänger nämlich noch beim Hersteller, und der residiert in einem fernen Bundesland. Nun will aber der Gesetzgeber, dass die Regeln für die Überführung von Busanhängern Ländersache sind, so dass in jedem Bundesland, das die Anhänger auf ihrem weiten Weg nach Konstanz durchqueren müssen, andere Überführungsvorschriften gelten. Bei den Verkehrsbetrieben arbeitet man nach Angaben des Oberbürgermeisters gerade fieberhaft daran, diesen Paragraphendschungel zu durchdringen, um die Anhänger durch diverse Bundesländer mit ihren jeweils eigenen busanhängerüberführungsfeindlichen Verkehrsvorschriften nach Konstanz zu verbringen.
Das ist laut Oberbürgermeister allerdings das einzige bekannte Problem mit den Anhängern. Kann man dem Oberbürgermeister glauben? Wenn ja, dann werden die FahrerInnen der städtischen Busse auch in Zukunft wie gehabt nur Fahrscheine und kleine Erfrischungen verkaufen, ohne den Beförderungsfällen dazu auch noch ganz diskret Lebensversicherungsanträge und Kotztütchen in die Hand zu drücken.
O. Pugliese
Alles hängt vom Fahrer ab! Zu erleben sind Ausnahmen, „die fahren wie Berserker“, dass es nur so ruckelt und rumpelt und stoppt. Andere wiederum – die weit überwiegende Mehrzahl! – wissen um ihr Gefährt und den unterschiedlichen Passagieren, die sie zu transportieren haben. Zur relativen Entlastung der von mir etwas unhöflich als“Berserker“ dargestellten Fahrer mag zum Teil die Tatsache gelten, dass ab und zu halt versucht werden muss, den vorgegebenen Fahrplan einzuhalten. Hat auch was im hektischen Getriebe einer Stadt. Wir halten es aus.
Sollten – wie in früheren Arnoldzeiten – wieder Anhänger das Konstanzer Straßenbild zieren, um heute sowohl die Rentabilität der Stadtwerke zu verbessern helfen, als auch um die Raumkapazität zum Wohl der Passagiere zu erhöhen, kommt es darauf an, auf welchen Strecken sie eignungshalber eingesetzt werden. Und die Stadtwerke wissen sicher auch, welche Piloten sich vorerst gut für die etwas andersartige Passagierbeförderung eignen, um erste Erfahrungen zu sammeln, und um diese dann ihren Kollegen weiter geben zu können.
Aus ästhetischer Sicht ist der Anblick eines solchen Bus-Zuges eher kein Fortschritt. Manchmal kommt die Ästhetik unter die Räder, wenn es wirtschaftlicher zugehen soll. In Sachen Komfort ist übrigens ein Gelenkbus auch nicht unbedingt reifer. Auch dort wackelt das Hinterteil ganz ordentlich. Daimler und Co. bitte melden! Oder: Geht halt nichts über Tram – sogar mit Anhänger.
Das macht doch gute Satire aus, dass man nicht mehr weiß, was Witz und Wirklichkeit ist. Dennoch glaube ich, dass der Inhalt einen durchaus ernsten Hintergrund hat. Schließlich wird das Thema in der Bevölkerung kontrovers diskutiert, das höre ich jeden Tag im Bus.
Erst vor zwei oder drei Tagen unterhielten sich zwei ältere Damen vor mir darüber, etwa: „Wissen Sie denn eigentlich, wann diese Anhänger jetzt kommen sollen?“, Antwort: „Nein, aber mit denen werde ich sicher nicht fahren, das ist mir viel zu gefährlich. Stellen Sie sich vor, es schaukelt ja jetzt schon. Und wenn die Wagen dann nur noch durch so eine Stange verbunden sind, da fliegen Sie bis zur Decke! Und überhaupt, der Fahrer bekommt doch gar nichts davon mit, was in dem hinteren Wagen passiert, unverantwortlich!“.
Und solche Sorgen sind kein Scherz, sondern beruhen möglicherweise auf einer noch fehlenden Aufklärung und Information über diese Neuerung. Denn damit würden sich all diese Befürchtungen zerstreuen. Es braucht einen Anstoß, um Klarheit zu schaffen. Und deshalb ist es gut, wenn das scheinbare Problem auch aufgegriffen wird – und sei es mit (Real-)Satire!
Also ich hab den Artikel als Satire verstanden. Wenn dem nicht so sein sollte, verstehe ich die Panikmache nicht. Ich kann mich erinnern, als kleiner Junge (müsste etwa 1958) gewesen sein, gerne im Anhänger gefahren zu sein, bevor die ersten Gelenkbusse kamen. Und die Gespanne waren damals technisch nicht so ausgereift wie heute.
Ich sehe die Ängste als unbegründet an. Immerhin ist Konstanz nicht die erste Stadt, in der diese neuen Wägen zum Einsatz kommen. Und bisher habe ich deutschlandweit noch keine Nachrichten vernommen, die von umgestürzten Bus-Anhängern oder durch die Decke hindurch geschüttelten Fahrgästen erzählten.
Ob die Anhänger schlussendlich wirklich vornehmlich auf der Ringlinie zum Einsatz kommen, wird sich wohl ohnehin noch zeigen. Wäre doch beispielsweise die Linie 9 nicht nur von der Streckenführung viel eher privilegiert. Mir scheint, als würde hier situationsbezogen entschieden und noch nichts feststehen.
Im Übrigen kann man einerseits nach Litzelstetten – wie auch in die anderen Teilorte – schon seit längerem nur noch bedingt mit „200“ Stundenkilometern einfahren. Und selbst wenn manch ein Busfahrer vielleicht ab und zu etwas ruppig lenkt, ich habe noch nie erlebt, dass er sein Fahrzeug verantwortungslos bedient.
Gleichsam auch innerorts: Hier scheinen die Anhänger mehr Vor- als Nachteile zu bringen: Betrachtet man sie physikalisch, ist ihre Auslenkung deutlich leichter als bei den Gelenkbussen. Gerade in den engen „Schluchten“ von Dingelsdorf dürfte das beim Steuern gar zugute kommen.
Zweifelsohne werden sie eine Umstellung sein, es wird Gewöhnung brauchen, dass zwei voneinander getrennte Bushälften nur durch ein Gelenk und eine Sprechanlage miteinander verbunden sind. Aber wie bei allem Neuen sollte auch hier gelten: Erst einmal abwarten, dann empören und Sorgen schüren.