Konziljubiläum: Kritische Humanisten am Katzentisch
Seit über zwei Jahren gedenkt die Stadt Konstanz dem Konziljubiläum von 1414 bis 1418. Noch bis Mitte 2018 steht die Erinnerung an das Konzil, die insgesamt über zehn Millionen Euro verschlingen wird, ganz oben auf der städtischen Agenda, obwohl sich nur eine Minderheit dafür interessiert. Mehrmals hat ein säkularer Verband versucht, das Programm mitzugestalten. Doch das Ergebnis dieser Bemühungen liest sich eher ernüchternd.
Mit pompösen Veranstaltungen macht man am Bodensee deutlich, ein Mittelpunkt für Europa sein zu wollen, an dem sich hochrangige Politiker, kirchliche Würdenträger und Persönlichkeiten aus der Gesellschaft treffen, um an das große Ereignis vor 600 Jahren, die dort getöteten Ketzer und gleichsam die heutige Botschaft des Friedens zu erinnern. Ausstellungen, Vorträge und Diskussionen sollen nicht nur den historischen und kulturellen Hintergrund darstellen, sondern auch zeigen, welche Verflechtungen damals wie heute existieren – und das stößt auf nicht ungeteiltes Echo.
Schon seit Beginn der Vorbereitungen ist der Eindruck klar: Die Macher, der städtisch eingesetzte Eigenbetrieb, tut sich schwer damit, kritische Inhalte aufzunehmen. Als „Humanistische Alternative Bodensee“ (HABO) versuchten wir, zunächst ein Gegenprogramm zu dem kirchlich dominierten Veranstaltungsfahrplan zu etablieren. Es schien bezeichnend, dass alle Religionen in die offiziellen Veranstaltungen eingebunden waren, säkulare Vertreter aber nicht einmal bedacht wurden. Erst nach einer Pressekampagne der HABO änderte sich das und wir waren plötzlich willkommen, auch unsere Ideen in die weiteren Planungen einfließen zu lassen. Heute mag man sich fragen, ob der Schritt allein symbolischen Charakter hatte, um die Öffentlichkeit zu beruhigen.
Denn verliefen die Gespräche anfangs gut und aussichtsreich, doch stets mit einer gewissen Vertröstung. Ohne ein beständiges Erinnern und Nachfragen wäre es kaum vorangegangen mit der Beteiligung der Humanisten, wenngleich Vorschläge und Anregungen zu einer kirchenkritischen Komponente der Jubiläumsfeiern wohlwollend angenommen wurden. Doch ob sie auch beim Klerus so gut ankamen, mag man bezweifeln, vor allem dann, wenn man feststellen muss, wie mittlerweile alle Bemühungen wieder ins Stocken geraten sind. Zwar konnten einzelne Referenten platziert werden, andere zugesicherte Fachleute, die von der HABO benannt wurden und zur Teilnahme eingeladen werden sollten, sind bis heute ohne Kontakt von Seiten der „Konzilstadt“.
Säkulare Akzente zu setzen bleibt in der heutigen Zeit schwierig. Mittlerweile fühle ich mich wie ausgezehrt, als ständiger Bittsteller, der keine Rechte zu haben scheint – Religionsfreiheit dürfte eben doch nur für Religionen gelten. Auch ein Ignorieren kann ein Diskriminieren sein, so zumindest fühlt es sich gerade an. Mag sein, dass es allein an der Kommunikation oder der Organisation im Büro der Verantwortlichen hapert, die zweifelsohne in der Zwickmühle sitzen dürften und auf die der Einfluss der Kirchen einprasselt. Im noch immer wertkonservativen Konstanz hat deren Wort Gewicht, zum Widerspruch traut sich kaum jemand. Ich kann es mir nicht anders erklären, die Notwendigkeit zum zähen Ringen unsererseits, als durch die christlichen Einsprüche bei einem Ereignis, das nicht zuletzt der Staat – und damit der Steuerzahler – wesentlich mitfinanziert und vor allem ausrichtet.
Im Augenblick will ich nicht mehr kämpfen, aber solche Erfahrungen prägen – und sie bestärken, dass die Ungerechtigkeit zum Himmel schreit, wenn den Kirchen eine ebengleiche Zahl an Menschen mit anderem Bekenntnis fern gegenübersteht, doch die Unterwürfigkeit unter Bischöfe und Dekane stets neue Dimensionen erreicht. Und nicht zuletzt ist es auch weiterhin das gesellschaftliche Klima, wohl nicht nur hier in Konstanz, in dem offenbar Konfessionslosigkeit bei niemandem auf dem Schirm steht. Wie anders kann ich ein Desaster nach dem nächsten deuten, wie aktuell das der Gespräche von Flüchtlingsinitiativen, die vor Ort mit den Weltreligionen diskutieren möchten, aber wie selbstverständlich dabei säkulare Anschauungen neuerlich „vergessen“ haben?
Man ist hin- und hergerissen: Als ob ich ein Aufklärer darüber wäre, dass es nichtreligiöse Sichtweisen überhaupt gibt, ermüdet diese Arbeit bei wiederkehrendem Misserfolg. Und doch scheint sie nötiger denn je, wenn ich mich darauf besinne, meine Grundrechte nicht einfach unter die Räder kommen zu lassen. Das Einstehen für Meinung, Glaube und Bekenntnis ist gerade in diesen Tagen so wichtig, ob im Kleinen oder Großen. Allerdings wünsche ich mir daneben, dass sich noch mehr derer aufraffen, denen ihre Überzeugungen auch nicht egal sind. Nicht selten gelten die säkularen Vertreter auch deshalb so bedeutungslos, weil ihnen Rückhalt und Strukturen fehlen. Einzelkämpfer können allein die Welt wohl nur im Comic retten. Daher braucht es ein aktives Mitwirken humanistischer Vorreiter, um künftig solche R(h)einfälle zu verhindern, wie derzeit in Konstanz …
Dennis Riehle (Humanistische Alternative Bodensee)