Zahners Landung im Münchner Rationaltheater

seemoz-German_atrocitiesGerd Zahner, Rechtsanwalt und seit langen Jahren auch literarisch unterwegs, darf es durchaus als Adelung seiner bisherigen Arbeiten ansehen. Sein neues Stück „Die Scheune“, eine szenische Lesung, wird die kommenden Tage im legendären Münchner Rationaltheater aufgeführt. Auch diesmal hat der schreibende Jurist ein Massaker aus der NS-Zeit aufgegriffen. Erinnert wird dabei an die bestialische Ermordung von KZ-Häftlingen unweit der Stadt Gardelegen in Sachsen-Anhalt.

13.4.1945: Rund 1000 KZ-Häftlinge, die von den Nationalsozialisten auf Todesmärsche geschickt worden waren, landeten ausgemergelt und entkräftet in Gardelegen. Auf Befehl des NSDAP-Kreisleiters Gerhard Thiele wurden die Gefangenen, darunter auch viele Zwangsarbeiter, zum Gut Isenschnibbe getrieben. Ziel dort war eine Scheune, in die man die Häftlinge sperrte und die Türen verriegelte. Um keine Zeugen für die NS-Verbrechen zu hinterlassen – die Allierten waren schon im Anmarsch – ließ Thiele die Scheune anzünden. Beteiligt daran waren u. a. Funktionäre der NSDAP, SA-Männer, Mitglieder der SS und Waffen-SS, Soldaten der Luftwaffe, Fallschirmjäger und Angehörige der Hitlerjugend.

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Mahn- und Gedenkstätte „Isenschnibber Feldscheune“ (Bild: D. Rohde-Kage, CC BY-SA 3.0).

Zweimal konnten die Gefangenen den Ausbruch des Feuers noch verhindern, dann aber, so die Berichte von Überlebenden, schoss die Wach­mann­schaft mit Maschinen­gewehren und Phosphor­granaten in die Scheune und warf Hand­granaten hinterher. Von den rund 1000 Häftlingen überlebten zwischen 7 und 33 Menschen das „Massaker von Gardelegen“, die genaue Anzahl ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt. Einige hatten sich mit Hilfe von Löffeln durch die Betonwand der Scheune gegraben und flüchteten in einem günstigen Augenblick in den nahen Wald. Andere versteckten sich unter Leichen und wurden zum Teil erst zwei Tage später von Angehörigen der US-Armee entdeckt.

Geschrieben hat Gerd Zahner das Stück schon vor einiger Zeit. Dass es jetzt, so der Autor, „von einem mutigen Theater und mutigen Theaterleuten in München aufgeführt wird, hat eine einfache Begründung. Vor unseren Augen werden Städte zerbombt, Kriegsgefangene in den Kriegsgebieten ermordet, Menschen versklavt, verschleppt, Millionen fliehen. Auf dieser Flucht werden Tausende ermordet. Die Produzenten und Händler von Waffen bleiben, wie in allen Kriegen dieser Menschheitsgeschichte, auch in unserer Gegenwart, weitgehend unbehelligt“.

Archiv/hr

Termine: „Die Scheune“, eine szenische Lesung nach der Vorlage von Gerd Zahner:
25.5. (Premiere), 26.5. und 27.5. Rationaltheater München. Beginn jeweils um 20 Uhr. Kartenreservierung: ticket@rationaltheater.de.

Das Stück ist eine Produktion der Schausprecher GbR und des Rationaltheaters München e.V.
Mitwirkende: Ursula Berlinghof, Gerhard Acktun, Gerd Rigauer, Henk Flemming und Jo Vossenkuhl.

Wer die Anfahrt nach München scheut, der kann das gleichnamige Stück gegen einen Unkostenbeitrag von 9,95 Euro als mp3-Datei erwerben: diescheune@dieschausprecher.de.

Das Münchner Rationaltheater

Gegründet wurde das Theater 1965 im Stadtteil Schwabing von Reiner Uthoff, Ekkehard Kühn und Horst A. Reichel. Das Programm bürstete von Anfang an in der Regel gegen den Strich und erreichte schnell Kultstatus. Immer wieder überzog die Obrigkeit die Spielstätte mit Strafverfahren, u. a. wegen Gotteslästerung, Beschimpfung eines Staatsoberhaupts (damals noch ohne Ziege) – Delikte, die heute kaum mehr in einem Gesetzbuch zu finden sind. Das wiederum machte das Theater weit über die bayrischen Grenzen hinaus bekannt und berühmt. Im Gästebuch finden sich Namen wie Willy Brandt, Herbert Wehner, Rudolf Augstein oder Günter Grass.
Zwischen 1994 und 1998 wurde die Bühne nach Auseinandersetzungen mit der Stadt München geschlossen. Vorher schon hatte Uthoff mit Edgar Reitz und Ula Stöckle im Theater ein 16mm-Kino eingebaut und dort Filme der etwas anderen Art gezeigt. Kein Wunder, dass dieses Kino nach Inkrafttreten der bayrischen Verordnung „Saubere Leinwand“ von den Behörden längere Zeit beobachtet wurde.
Ab 2006 übernahm dann Uthoffs Sohn Max, aktuell bekannt aus „Die Anstalt“, den Laden und präsentierte dort rund zwei Jahre seine Programme. 2008 pachtete der Filmemacher und Produzent Dietmar Höss das Theater und es gilt weiterhin als ein Ort, an dem Newcomer, politisch Engagierte und rebellische Quer- und Schrägdenker eine Heimat finden.