Solidarität mit Müller-Esch

Chefarzt Prof. Dr. Gert Müller-Esch ist zwar schon von der Website des Klinikums Konstanz verschwunden – Schlagzeilen aber macht er immer noch, der gefeuerte Chefarzt des Zentrums für Innere Medizin. Ärzte-Kollegen melden sich nicht nur auf seemoz zu Wort; Mitarbeiter (s. Foto), Patienten und Politiker beweisen Solidarität. Nur wird darüber in der Haus- und Hofpresse nicht berichtet. Wir veröffentlichen darum die Pressemitteilung der Linken Liste Konstanz, die in anderen Redaktionen verschollen bleibt.

„Eine Mehrheit des Gemeinderates hat in einer nichtöffentlichen Sitzung beschlossen, Chefarzt Gert Müller-Esch zu kündigen. Die LLK war dagegen und hält die Entscheidung für einen weiteren Sargnagel bei den Bemühungen, das Krankenhaus zu sanieren und endlich aus den Negativschlagzeilen zu bringen. Die Entscheidung gegen Müller-Esch könnte sich bald als Pyrrhussieg herausstellen mit negativen Konsequenzen für alle Beteiligten.

Schon das Vorhaben, die Angelegenheit unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu behandeln, war eine falsche Entscheidung. Dabei zu argumentieren, Personalangelegenheiten würden immer nichtöffentlich behandelt, war in diesem Fall nicht nachvollziehbar, denn der Fall Müller-Esch ging schon vorab detalliert durch alle Konstanzer Medien. Vor dem Ratssaal versammelten sich fast hundert Mitarbeiter des Klinikums, die ihre Solidarität mit Müller-Esch bekundeten. Auf Intervention auch der LLK wurden dann immerhin zwei Vertreter des Personalrates zugelassen, die dem Gremium empfahlen, alles zu tun, um die zerstrittenen Parteien an einen Tisch zu bringen und von einer Kündigung abzusehen.

Die anschließende Diskussion erinnerte uns dann an ein mittelalterliches Tribunal, das mit einer demokratischen Meinungsfindung rein gar nichts zu tun hatte. Der eherne Grundsatz, man möge bei Kontroversen auch den anderen Teil hören, wurde sträflicherweise völlig ausser Acht gelassen. Müller-Esch war nicht geladen und konnte sich deshalb auch nicht gegen massivste Angriffe verteidigen, die vor allem von Klinik-Geschäftsführer Rainer Ott und dem Ärztlichen Direktor Niko Zantl dem Rat vorgetragen wurden. Das ist schlechter Stil und so nicht hinnehmbar.

Wir konnten uns des Eindrucks nicht erwehren: Schon lange wurde nach einem Grund gesucht, Müller-Esch los zu werden und nun glaubte man, jetzt sei der Zeitpunkt gekommen. Der Offene Brief, in dem Müller-Esch unter anderem auf gefährliche Strukturveränderungen im Krankenhaus hinwies, war nun offensichtlich willkommener Anlass, einen Kritiker zu eliminieren und ihn als Nestbeschmutzer zu brandmarken. Mehrmals wurde während der Sitzung der Eindruck zu erwecken versucht, für den Brief und die damit einhergehende Loyalitätsverletzung sei lediglich Müller-Esch zur Verantwortung zu ziehen. Dass er von weiteren 25 Ärzten mit unterschrieben wurde, wollte man unter den Tisch kehren. Ein peinlicher Versuch, die internistische Abteilung, die geschlossen hinter ihrem Chef steht, für unmündig zu erklären.

Für die LLK zeigt sich bei dieser Debatte auch, dass erneut – ähnlich wie im Maultaschenfall – das Krisenmanagement wieder einmal versagt hat. Auf unsere Frage an Bürgermeister Claus Boldt, warum er Müller-Esch nicht zu dieser entscheidenden Gemeinderatssitzung geladen hat, gab es keine nachvollziehbare Antwort. Unsere Forderung, man möge die zerstrittenen Parteien, begleitet von einem Moderatoren, an einen Tisch bringen, fand leider keine Mehrheit. Die Möglichkeit, eventuell mit einer Abmahnung für Müller-Esch den Schaden zu begrenzen, wurde ebenfalls leichtfertig verspielt.

Was bleibt? Der Schaden für das Klinikum wird groß sein. Die Außenwirkung der unserer Meinung nach falschen Entscheidung ebenfalls. Zudem herrscht anschwellende Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern am Klinikum. Ein zu erwartender Arbeitsgerichtsprozess könnte die Stadt teuer zu stehen kommen und wird – wiederum vergleichbar mit dem Maultaschenfall – dafür sorgen, dass Konstanz erneut in den Fokus der bundesweiten Öffentlichkeit gerät. Zunehmend drängt sich der Verdacht auf: Das sich in bedenklicher Schräglage befindende Krankenhaus wird sturmreif geschossen, um anschließend ausgebeint und zerfleddert für ein Nasenwasser einem privaten Interessenten zum Fraß vorgeworfen zu werden. Ein Schreckensszenario, das es mit allen Mitteln zu verhindern gilt.

Vera Hemm, Holger Reile“