Lünstroth ein Scala-Opfer?

Seit Wochen fragen sich nicht nur eifrige Südkurier-LeserInnen: Warum schreibt der langjährige Lokal-Redakteur Michael Lünstroth nichts mehr? Gerüchte brodelten anfangs unterschwellig, verdichteten sich aber nach und nach und scheinen nun weitaus mehr zu sein als bloße Spekulation.

Man muss etwas länger zurück blättern im Südkurier, um einen Text von Lünstroth zu finden. Der umtriebige Journalist, der seinen Auftrag, kritisch zu hinterfragen, meist sehr ernst genommen hat, ist weitgehend von der Bildfläche verschwunden. Mehrere Anfragen bei der Konstanzer Lokalredaktion nach seinem Verbleib wurden mit lapidaren Hinweisen abgebügelt.

Seine letzten Berichte könnten ausschlaggebend gewesen sein für seine Abstinenz. Es ging um das Scala-Kino, und vor allem die Konstanzer Verwaltungsspitze drehte schier am Rad, als sich Michael Lünstroth Anfang April auf ein Pro Scala-Gutachten bezog und schrieb: „Ohrfeige für die Rathausspitze – Das Scala-Gutachten ist ein Desaster für die Verwaltung“. Und er wurde in seinem Text, der genausogut auf seemoz hätte stehen können, noch deutlicher: „Für die Rathausspitze ist die Sache jetzt ultimativ blöd gelaufen. Wochenlang betonten Oberbürgermeister Uli Burchardt, Kulturbürgermeister Andreas Osner und Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn, dass sie das Scala ja gerne retten würden, alleine die Mittel fehlten. Das Gutachten einer renommierten Berliner Anwaltskanzlei entlarvt die Aussagen der drei nun schonungslos als das, was es offenbar war – Gerede, ohne viel Substanz“. Rumms, das saß, so deutlich hat ein Redakteur der örtlichen Tageszeitung nur selten gegen die Stadtbosse gefeuert.

Rund eine Woche später schob Lünstroth nach. Bei vielen Einheimischen habe sich das Gefühl breit gemacht, „dass das nicht mehr ihre Stadt ist, dass sie sich nicht mehr wohlfühlen in einer Stadt, die so sehr dem Konsum anheim gefallen ist“. Zudem kritisierte er: „Die Innenstadt ist überlaufen (…) Was für andere Städte ein Grund zum Jubeln wäre, hat sich in Konstanz längst ins Gegenteil verkehrt. Es gibt nicht wenige Konstanzer, die ihre Stadt am Wochenende meiden“. Derlei Klartext liest man gar nicht gerne im hiesigen Rathaus, wo die Entscheidungsträger kaum etwas dagegen unternehmen wollen, der fortschreitenden Totalkommerzialisierung vor allem der Innenstadt einen Riegel vorzuschieben.

Wie uns aus wie üblich gut informierten Kreisen vertraulich mitgeteilt wurde, soll es daraufhin beim Südkurier unruhig geworden sein ob der Berichterstattung Lünstroths. Außerdem dürfe man getrost vermuten, dass so manches Gespräch zwischen dem Rathaus und der SK-Verlagsleitung stattgefunden habe. Angeblich, so die Auskünfte mehrerer Informanten, sei Lünstroth mittlerweile zu einer Art Schreibtischdienst verdonnert worden und habe auch eine Abmahnung erhalten. Dass er sich seemoz gegenüber auf Anfrage dazu nicht äußern mag, ist verständlich.

H. Reile