Zu viel Bier auf dem Gießberg?
Überraschend sind die Ergebnisse bei den Uni-Wahlen nicht. Man könnte fast sagen, die Ergebnisse sind langweilig, denn an der Sitzverteilung im Studierendenparlament hat sich kaum etwas verändert. Die Studierenden auf dem Gießberg haben wieder einmal vorwiegend „grün“ gewählt. Knapp über 30 Prozent der Stimmen gingen an die Grüne Hochschulgruppe und 11 an die Grüne Offene Linke Liste. Dies ist nur insofern verwunderlich, weil die zwei Listen so gut wie keine Wahlwerbung für sich gemacht haben.
Die Grüne Hochschulgruppe hat ein paar Plakate mit allgemein akzeptierten Sprüchen, wie: „mehr Nachhaltigkeit“, „mehr Transparenz“ und „Uni-selbst neugestalten“ aufgehängt. Weder auf ihrer Homepage war etwas über die Uni-Wahl zu finden, noch gab es Flyer mit konkreteren Forderungen. Die Grüne Offene Linke Liste hat sich noch weniger Mühe beim Wahlkampf gegeben und zeigte in dem Unigebäude überhaupt keine Präsenz. Sich dem allgemeinen Recht auf Faulheit hingebend, konzentrierte sich ihr minimalistischer Wahlkampf auf die sozialen Medien und zwei Artikel auf seemoz. Angesichts dieses Ergebnisses stellt sich die große Frage – nicht erst seit dieser Wahl –, ob es reicht, sich einfach etwas Grünes an die Stirn zu tackern, um bei den Uni-Wahlen zu gewinnen?
Jusos waren fleißig
Die Juso-Hochschulgruppe legte sich im Gegensatz zu den anderen beiden „progressiven“ Listen ein bisschen mehr ins Zeug und bekam mit 20 Prozent die zweitmeisten Stimmen. Sie druckte sogar Flyer mit ein paar inhaltlichen Forderungen. Auch wenn ihre zentralen Forderungen nicht neu sind, haben sie sich immerhin die Mühe gegeben, sie aufzuschreiben, fast fehlerfrei. Sie fordern keine Anwesenheitspflichten, einfachere Prüfungsrücktritte und das allgemeinpolitische Mandat. Das allgemeine politische Mandat? In ihrem Flyer heißt es „wir sollten uns daher auch zu allgemeinpolitischen Themen äußern dürfen.“ Im Landeshochschulgesetz steht allerdings bereits seit 2015, dass die Studierendenschaft ein politisches Mandat wahrnimmt. Geht ihnen das politische Mandat, das von der rot-grünen Landesregierung eingeführt wurde, nicht weit genug? Dies wäre eine wichtige Kritik. Realistischer ist, dass ihnen bei der Forderung ein Missgeschick unterlaufen ist, welches unterstreicht, dass die Juso-Hochschulgruppe die Möglichkeiten des jetzigen Mandats in der letzten Legislaturperiode kaum wahrgenommen hat. Auf eine Nachfrage, wie die Liste das politische Mandat bereits genutzt hat und warum sie eine Erweiterung fordert, reagierte die Juso-Hochschulgruppe nicht.
Ein großer politischer Erfolg war es allerdings, dass dank der Gruppe am Seerhein Toiletten aufgestellt wurden. Bei der Forderung nach der Abschaffung von Anwesenheitslisten – man kann es kaum glauben – lehnen sie sich an der Uni Konstanz mittlerweile ganz schön weit aus dem Fenster. In der letzten Vollversammlung sprach sich eine deutliche Mehrheit der Studierenden für Anwesenheitslisten aus. Zu einer Elite-Uni gehört es auch, brav im Unterricht zu sitzen und den Lehrenden zuzuhören und ihnen zuzustimmen. Vielleicht ist diese radikale Forderung der Jusos auch der Grund für ihren Stimmenverlust von über fünf Prozent im Vergleich zur letzten Wahl.
Burschenschaften unterstützt
Genau wie letztes Jahr gibt es eigentlich eine gemütliche Mehrheit von 60 Prozent von mehr oder weniger „progressiven“ Listen (GHG, GOLL und Jusos), mit der man viel gestalten könnte. Allerdings erwies sich dies bereits letztes Jahr als eine gravierende Fehleinschätzung. Politisch progressive Akzente wurden nur in wenigen Ausnahmefällen im Studierendenparlament gesetzt und die Arbeit von inhaltlich arbeitenden Referaten wie dem Gleichstellungsreferat wurde eher erschwert als unterstützt. Viel schlimmer ist allerdings, dass trotz dieser Mehrheitsverhältnisse nicht verhindert wurde, dass die Studierendenvertretung Werbung für Burschenschaften und Studentenverbindungen gemacht hat und das Zivilklauselreferat abgeschafft wurde.
Noch im August 2015 unterstützten und organisierten Referate der Studierendenvertretung die Aktionstage „Fluchtursachen bekämpfen und Waffenexporte stoppen“, die bundesweit Aufmerksamkeit bekamen. In einer Presseerklärung des AStA erklärt dazu der Referent des Zivilklauselreferates „es kann nie genug auf die Verknüpfung von Forschung an und Herstellung von Waffen und daraus resultierenden Fluchtursachen aufmerksam gemacht werden“. Weiter heißt es in der Pressemitteilung „die Zivilklausel ist eine Selbstverpflichtung, keine Rüstungs- und Militärforschung zu betreiben. Da die Klausel rechtlich nicht bindend ist, ist es umso wichtiger, als Studierendenschaft klar hierfür einzustehen.“ Angesichts der Tatsache, dass am deutschen Ufer des Bodensees die bundesweit höchste Dichte an Rüstungsbetrieben konzentriert ist, sind dies nicht ganz abwegige Gedanken. Für das Studierendenparlament scheinbar schon. Das Zivilklauselreferat wurde vor kurzem abgeschafft, da man in ihm keinen Sinn mehr sieht. Eine wirkliche Begründung im Protokoll: Fehlanzeige.
Burschenschaften wurden die letzten zwei Semester in mehreren Broschüren des AStA beworben, ohne dass das Studierendenparlament eingegriffen hat. Als es dann endlich reagierte, wurde der Beschluss nur halbherzig umgesetzt. Auf der vorletzten Hochschulgruppenmesse wurde es Burschenschaften sogar gestattet, mit großer Deutschlandfahne im Foyer der Universität Werbung für sich zu machen. In ihren Broschüren ist beispielweise zu lesen, dass sie sich zu ihrem Wahlspruch „Ehre! Freiheit! Vaterland!“ bekennen und dass sie nur männliche Studierende aufnehmen, die sich „dem deutschen Kulturkreis zugehörig“ fühlen.
Schlechter Stil
Es ist schwer, die Untätigkeit und Politik des Studierendenparlaments nachzuvollziehen. Ein Einflussfaktor ist möglicherweise auch die Zusammensetzung und das Klima innerhalb des Studierendenparlaments. Dort trafen sich die letzten zwei Semester vorwiegend Männer, die sich regelmäßig massenweise Bier reinschütteten, um sich dann gegenseitig anzupöbeln. Auf solchen Sitzungen konnte es schon mal vorkommen, dass nur so aus „Spaß“ jemand heulend den Raum verließ. Selbstprofilierung und Selbstbeschäftigung nahmen vermutlich die meiste Zeit in Anspruch.
Immerhin waren die „progressiven“ Listen in ihrer Untätigkeit konsequent. Weitgehend ignoriert wurde von den „progressiven“ Listen nämlich, dass die Liberale Hochschulgruppe gleichzeitig zur Uni-Wahl eine Urabstimmung initiiert hatte, um die Studierendenvertretung komplett lahm zu legen oder den Studierenden mit reichen Eltern zu überlassen. „Ehrenamt“ statt „Selbstbedienung“ hieß der Tenor. Die liberale Hochschulgruppe wollte damit Aufwandsentschädigungen für die Vorsitzenden der Verfassten Studierendenschaft, den Finanzreferent und Zuständige für die Presse und Öffentlichkeitsarbeit abschaffen. Wer lediglich wüsste, dass ein Finanzreferent mehrere hundertausend Euro verwalten muss und die Vorsitzenden beispielsweise so etwas wie das Campus-Festival stemmen und die Verfasste Studierendenschaft insgesamt ein riesiger Berg an bürokratischer Arbeit bedeutet, versteht sehr schnell, dass diese Aufgaben ohne eine popelige Entschädigung von ca. 200 Euro niemand machen würde. Es ist jetzt bereits sehr schwierig, Studierende zu finden, die sich für solche Aufgaben bereiterklären.
Quorum verfehlt
Die „progressiven“ Listen hielten es aber nicht für notwendig, wirklich auf die Urabstimmung zu reagieren. Lediglich die Jusos hielten den Forderungen der Liberalen Hochschulgruppe und des RCDS auf ihren Flyern etwas entgegen. Die Liberale Hochschulgruppe hatte riesige Plakate mit ihrem Slogan „Ehrenamt statt Selbstbedienung“ aufgehängt und nur so ist es vermutlich zu erklären, dass sie die Urabstimmung gewonnen haben. 51 Prozent der abstimmenden Studierenden stimmten für die Abschaffung der Aufwandsentschädigungen. Die Abstimmung scheiterte lediglich an dem Quorum, welches gerade mal um rund 100 Stimmen verfehlt wurde.
Bei der Uni-Wahl und Urabstimmung sind die „progressiven“ Listen mit einem blauen Auge davongekommen, auch dank der geringen Wahlbeteiligung von gerade mal 15 Prozent. Das Wahlergebnis könnte im besten Fall Anlass sein, sich endlich einmal zusammenzuraufen und sich auf gesellschaftliche und hochschulpolitische Themen zu konzentrieren und tatsächlich progressive Positionen zu erarbeiten. Angesichts der Tatsache, dass in Singen bei der Landtagswahl mehr als 20 Prozent die AfD gewählt haben, die Arbeitsbedingungen an Hochschulen katastrophal sind und die Universität nur so von Hierarchien trotzt, wäre dies auch dringend angebracht. Zaghafte Ansatzpunkte im Studierendenparlament gab es in der letzten Legislaturperiode bereits, beispielsweise durch das beschlossene Kulturticket, die Demo „Konstanz ist bunt“ oder die Unterstützung von flüchtlingssolidarischen Initiativen.
Es ist dem Studierendenparlement zu wünschen, dass es sich trotz wieder fast doppelt so vielen Männern wie Frauen von den Stammtisch-Manieren emanzipiert und sich auf Inhalte stürzt statt hauptsächlich auf Bier.
Jannik Held