ECE kauft sich eine Bürgerinitiative
Der Wahlkampf zum Bürgerentscheid am 17.7. in Singen ist voll entbrannt. Fast könnte man meinen, es handele sich um ein Stechen zweier Bürgerinitiativen – „Für Singen“ (contra ECE) gegen „Lebendiges Singen“ (pro ECE). Doch dieser zweiten Bürger-Ini haftet ein Beigeschmack an, wie unser Gastautor, selber im Einzelhandel tätig, weiß, denn sie wird vom Investor finanziert:
„Lebendiges Singen“ katapultiert vier Gemeinderäte an die Spitze. Neue Gesichter, neues Erscheinungsbild und neue Köpfe an der Spitze der ECE Befürworter – die einstigen führenden Köpfe der Befürworter sind wohl in die zweite oder dritte Reihe abgeschoben worden. Waren diese Personen der ECE nicht professionell und organisiert genug, um sich öffentlich zu positionieren und in den Wahlkampf zu ziehen?
Den geplanten Bau des ECE stellt man auf eine Ebene mit der Ansiedlung der in Singen befindlichen Industrie, diese Industrie hat die Stadt geformt und geprägt und weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht – ohne Zweifel wird sich das Stadtbild ändern, falls dieser Riesenklotz gebaut wird und zwar nicht zum Guten. Sämtliche Seitenstraßen und selbst ein Großteil der August-Ruf-Straße werden sterben und Billigketten, Wettbüros, Spielotheken und ähnliche Etablissements werden in heutige 1A Lagen umziehen.
Singen sei eine „Gewinnerstadt“, meint die neue Initiative. Ja, Singen ist jetzt schon eine Gewinnerstadt mit dieser Verkaufsfläche und dem bestehenden Einzelhandel, ich kenne keine Stadt mit 46 000 Einwohnern, die dies nur annähernd bietet – mit dem Bau des ECE wird sie nichts gewinnen, sondern kann nur verlieren, denn wir bewegen uns jetzt schon sehr nah an der Obergrenze des Möglichen.
Ich wünsche Ihnen und uns allen einen fairen Wahlkampf, denken Sie an das Wohl der Stadt und vergessen Sie dabei nicht die aktuell stagnierende Wirtschaftslage im Handel. Wir brauchen nicht mehr Verkaufsfläche, Singen benötigt Wohnraum und eine bürgernahe Stadtentwicklung und sollte sich nicht von einem Großinvestor aus Hamburg dirigieren lassen.
Christoph Drewnick, berufstätig in Singen
Merkwürdiger Weise zieht sich dieser Kampf quer durch die Familien. Wer sich ansehen möchte, wie es in der Innenstadt einmal aussehen wird, falls das ECE gebaut ist, der gehe bitte mal in die Oberstadt von Stockach. Soweit weg ist das nicht. Früher war die Oberstadt ein echtes Stadtzentrum (wenn auch im Kleinformat) und darum wurde sogar mal ein Parkhaus gebaut. Dann bauten die Handelsketten auf der grünen Wiese.
Heute steht das Parkhaus so gut wie leer und die Supermärkte sehen Sonnabends auch nicht mehr aus, wie nach der verlorenen Schlacht im Moorgarten. Alles hatte sein für und wider.
Singen ist bis jetzt ein Einkaufszentrum mit vielen Boutiquen. Attraktiv für Bodensee-Urlauber. Stehen diese Ladengeschäfte einmal leer wird es nicht mehr lange dauern und das Zentrum wird den Immobilienhaien überlassen.
Schöne Aussichten. Man macht doch keinen Urlaub am Bodensee um zu shopen. Wer hierher kommt, will Natur, Kühe und alte Architektur in den Städten und Dörfern.