Südkurier: Noch hält die Burg

Bei der gestrigen Betriebsversammlung zu der Personalie Michael Lünstroth ging es offensichtlich hoch her. So die uns zugespielten Informationen aus erster Hand. Trotz des Einspruchs mehrerer RedakteurInnen an den Sanktionen gegen Lünstroth möchte Chefredakteur Stefan Lutz anscheinend von seiner harten Linie nicht abweichen. Die Zeichen stehen verlagsintern auf Sturm.

VertreterInnen aus fast allen Redaktionen waren bei der Versammlung dabei, wurde seemoz berichtet. Sie sollen zum Teil großes Unverständnis darüber geäußert haben, dass ihr Kollege vor allem wegen seiner kritischen Scala-Berichterstattung, bei der auch die städtische Verwaltungsspitze nicht gut wegkam, kalt gestellt wurde. Seit Wochen darf Lünstroth nur noch „Schreibtischdienst“ schieben, wie dieses klare Schreibverbot ziemlich verlogen bezeichnet wird. Auch die Abmahnung, die der Lokalredakteur wegen einer angeblichen Verletzung der Sorgfaltspflicht erhalten hat, sei nicht zurückgenommen worden. Über die Berichterstattung auf seemoz soll Chefredakteur Stefan Lutz höchst erbost gewesen sein. Das ist nachvollziehbar, alles andere hätte uns bei diesem journalistischen Zuchtmeister dann doch gewundert.

Reden wir über journalistisches Selbstverständnis und auch über Solidarität. Die gibt es offensichtlich, denn mehrere KollegInnen aus der Lokalredaktion sollen eine schriftliche Solidaritätsadresse für Lünstroth an die Verlagsleitung geschickt haben. Auf offizielle Anfrage wollen uns die Betreffenden das so nicht bestätigen, aber man merkt ihnen deutlich an, wie sehr es in ihnen arbeitet: „Bitte haben Sie Verständnis …“  Haben wir. Als durchgängig solidaritätsfrei und obrigkeitshörig gilt in Südkurier-Kreisen übrigens Jörg-Peter Rau, Lokalchef und Regionalleiter. Von ihm, er ist direkter Vorgesetzter von Lünstroth, hätte man eigentlich erwarten können, dass er zumindest im Ansatz Charakter zeigt und sich vor seinen langjährigen Mitarbeiter stellt. Oder wenigstens so tut. Nichts davon, Rau denkt, so die Aussagen mehrerer aufrechter KollegInnen unisono, ausschließlich an seine weitere Karriere beim Südkurier, da ist kein Platz für antiquierte Kollegialität. Auch einer, der tatkräftig dazu beiträgt, die Glaubwürdigkeit einer angeblich unabhängigen Tageszeitung auszubeinen.

Es rumort kräftig und unüberhörbar im Verlags-Gebälk. Die Sache ist noch lange nicht ausgestanden, im Gegenteil, sie wuchert weiter. Auf unsere Anfrage beim Betriebsrat, wie dieser mit dem skandalösen Vorgang umzugehen gedenke, antwortete die Betriebsratsvorsitzende Birgit Orlowski, man habe erstmal mit Chefredakteur Stefan Lutz „absolutes Stillschweigen vereinbart“. Käme es – was zu erwarten und auch zu hoffen ist – zu einer öffentlichen Erklärung, müsse diese vorher mit dem Gesamtbetriebsrat, der aus insgesamt elf Leuten besteht, genauestens abgesprochen werden.

H. Reile